laut.de-Kritik
Spoken Word-Lyrik, Jazz, Funk, Drum'n'Bass und Hip Hop.
Review von Dani FrommMusik, Poesie und Politik. Scharfsichtige Beobachtungen, intelligente Analysen und harsche Kritik. Spoken Word-Lyrik, Rap und Gesang. Jazz, Funk, Drum'n'Bass und Hip Hop. Worte und Rhythmus. Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Unfassbar, wie es gelingt, all dies unterzubringen, ohne dass das Resultat auch nur im Geringsten überfrachtet oder planlos wirkt - man könnte glatt auf die Idee kommen, Ma'at, die ägyptische Gottheit der Balance, halte persönlich ihre schützende Hand über Ursula Ruckers drittes Album. Vielleicht haben wir es bei der Lady aus Philadelphia aber auch schlicht mit einem Ausnahmetalent zu tun.
Ursula Ruckers Stimme schwebt, glasklar, kräftig und dennoch seltsam körperlos über dem Geschehen. Texte von seltener Macht und teilweise atemberaubender Schönheit rechtfertigen in diesem Fall absolut die Bezeichnung "Lyrics". Diese kommen, wie in "Church Party" eindrucksvoll unter Beweis gestellt wird, auch mal ganz gut ohne Begleitung aus. An anderer Stelle genügen Drums ("Poon Tang Clan") oder der grollende Klang eines Didgeridoos ("Spiri-Chant").
Meist jedoch werden die Worte von mannigfaltigen Klängen unterlegt und getragen. Eine Ahnung von Drum'n'Bass durchzieht sowohl "For Women", das Erinnerungen an A Guy Called Gerald weckt, als auch "Humbled", den phantastisch verträumten Einstiegstrack, der umgehend für die erste Gänsehaut sorgt. Rhythmisch und druckvoll geht es in "Rant" zur Sache. Bläser setzen funky Akzente in ansonsten dominierender Percussion. "Music is now industry." In diesem Punkt straft Ursula Rucker ihre eigenen Worte Lügen; möglicherweise bildet sie aber auch die die Ausnahme bestätigende Regel.
Auch "Libations" fährt temporeiche Percussion auf. Ursula Ruckers Bedürfnis, das Andenken an Pioniere und "firestarters" (unter den Genannten: John Coltrane, Jimi Hendrix, Ella Fitzgerald, Haile Selassie, Biggie und 2Pac, Jam Master Jay, Curtis Mayfield und Marvin Gaye) zu bewahren, endet weniger in einer Hommage, denn in einem Gebet: "Watch over us, keep us moving." Wuchtige Bässe leiten wie dumpfer Herzschlag durch "I Ain't", das genau wie "Uh Uh", über eine deutlich jazzige Note verfügt. "Black Erotica" unternimmt ebenfalls Ausflüge in den Jazz. Klavier, Trompete und Drums schaffen eine gelassene Atmosphäre; für Spannung sorgt Mrs. Ruckers Stimme allein. Obscene? Divine?
Mühelos schlägt Ursula Rucker in den sechs Minuten ihres "Children's Poem" von der Sklaverei über ihre eigene Familiengeschichte und die alles andere als erfreulichen täglichen Nachrichten den großen Bogen in die Zukunft. Ihr Engagement gilt den Kindern, auf die sie - wie alle Mütter - ihre Hoffnungen setzt, richtet sich aber klar an die Erwachsenen: "Protect but not shelter them. Give them options. Please, give them options. Celebrate them."
Möglicherweise hätte man sich die schwülstigen Background-Chöre in "L.O.V.E." schenken können (zumal ausdrücklich "not that Hollywood type of love" besungen werden soll), die Gitarren hätten diesen Track auch alleine getragen - egal: "Ma'at Mama" beschert mir in diesem noch jungen Jahr das erste Highlight, ungläubiges Staunen und Begeisterung inklusive. Vollkommen zu Recht darf eine große Poetin von sich behaupten: "I don't care what you call me. I know who I is."
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