laut.de-Kritik

Der streitbare Ire besinnt sich auf seine musikalischen Anfänge.

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Auf "What's It Gonna Take?" ließ Van Morrison 2022 wirren Verschwörungstheorien über Medien, Banken und Corona-Maßnahmen freien Lauf und stieß damit viele Fans vor den Kopf. Mittlerweile scheint er sich wieder etwas gefangen zu haben. Jedenfalls setzt er auf "Moving On Skiffle" auf altbewährte Evergreens statt auf eigene Texte. Beim Traditional "Mama Don't Allow" konnte Morrison es sich allerdings nicht verkneifen, den Refrain in "Gov Don't Allow" (Deutsch: "Die Regierung erlaubt es nicht") umzuwandeln. Auch andere Songs interpretiert Morrison auf seine ganz eigene Art. So wird beispielsweise der Gospel-Klassiker "This Little Light Of Mine" zu "This Loving Light Of Mine" - warum auch immer.

Das Doppelalbum enthält 23 Tracks, die ein breites Spektrum an Folk-, Country- und Spiritual-Klassikern umfassen. Die Arrangements beruhen auf der Skiffle-Musik, die ihre Wurzeln im New Orleans der 1920er Jahre hat und diverse Musikstile miteinander vermischt. Charakteristisch für das Genre sind die improvisierten Instrumente, die oft aus Haushaltsgeräten - zum Beispiel Waschbrettern und Eimern - bestehen. In den 1950er Jahren schwappte die Begeisterung an Skiffle-Musik nach Großbritannien. Es gründeten sich zahlreiche junge Bands, die den Stil nachahmten. Auch die Beatles waren ursprünglich eine Skiffle-Band - zu dem Zeitpunkt spielten sie noch ohne Ringo und nannten sich "The Quarrymen".

Zu den Skiffle-Fans der ersten Stunde gehörte auch der junge George Ivan Morrison, der damals sogar eine eigene Skiffle-Schulband gründete. Die Liebe zu dem Genre zog sich auch nach der Schulzeit wie ein roter Faden durch Morrisons Karriere. Im Jahr 2000 widmete er dem Musikstil bereits ein ganzes Album ("The Skiffle Sessions - Live In Belfast 1998"). 23 Jahre später legt er nun mit 23 Tracks nach. Die Songs kennzeichnet der großzügige Einsatz von Country-Fiddle, Slide-Gitarre, Hammond-Orgel und unbeschwert klingenden Background-Sängerinnen und Sängern. Auch typische Skiffle-Instrumente wie das Waschbrett sind an einigen Stellen deutlich hörbar. Der Track "Come On In" überrascht mit Saloon-artiger Klavierbegleitung. Unter den Songs, die Morrison für dieses Album gewählt hat, befinden sich neben zahlreichen Folk-Traditionals auch diverse Coverversionen, unter anderem "Cold Cold Heart" und "I'm So Lonesome I Could Cry" - zwei Songs aus der Feder von Country-Urvater Hank Williams.

Inhaltlich schwelgt Morrison in "Moving On Skiffle" im amerikanischen Traum eines unabhängigen Hobos, der einfach auf den nächsten Frachtzug aufspringt, um durchs Land zu reisen. Die Lautmalerei der Arrangements gelingt dabei jedes Mal: In "Streamline Train" ahmen Bassline und rasselnde Percussion das Rollen eines Zuges nach. Auch in "Take This Hammer" lässt das Schlagzeug das Geräusch eines fallenden Hammers nachempfinden. Van Morrisons Stimme ist in den meisten Songs in alter Top-Form, im Folk-Walzer "Streamlined Cannonball" und im Drehorgel-artigen "Greenback Dollar" wirkt sie zwar sehr quäkend, was allerdings nicht untypisch für Morrison ist.

"Worried Man Blues" weist große Parallelen mit der der Melodie und dem Arrangement von "This Loving Light Of Mine" auf und sorgt damit für eine gewisse Redundanz, die bei der Fülle an Liedern etwas Langeweile aufkommen lässt. Einer der beiden Songs hätte sicher gereicht. Auch eine Handvoll anderer Tracks, die sich am hinteren Ende des Doppel-Albums befinden, sind aufgrund des gleichen Beats und Tempos von einer anstrengenden Monotonie geprägt.

Wer es dennoch bis zum Ende des Albums schafft, wird mit dem gut neunminütigen "Green Rocky Road" belohnt, das trotz seiner Länge mit einer erfreulichen Sanftheit und verträumter Irish-Folk Geige brilliert und an den Stil der ganz frühen Van Morrison-Platten erinnert.

Van Morrison besinnt sich mit "Moving On Skiffle" zurück auf seine musikalischen Anfänge. Gemeinsam mit seiner lebhaften Skiffle-Band bietet er auf CD 1 mit ausdrucksstarken Arrangements ein vielfältiges Hörerlebnis, das gegen Ende der zweiten CD ein wenig an Schwung und Innovation verliert. Da sich einige Songs klanglich sehr ähneln, hätte es nicht unbedingt ein Doppelalbum sein müssen.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Freight Train
  2. 2. Careless Love
  3. 3. Sail Away Ladies
  4. 4. Streamline Train
  5. 5. Take This Hammer
  6. 6. No Other Baby
  7. 7. Gypsy Davy
  8. 8. This Loving Light Of Mine
  9. 9. In The Evening When The Sun Goes Down
  10. 10. Yonder Comes A Sucker
  11. 11. Travelin' Blues

CD 2

  1. 1. Gov Don't Allow
  2. 2. Come On In
  3. 3. Streamlined Cannonball
  4. 4. Greenback Dollar
  5. 5. Oh Lonesome Me
  6. 6. I Wish I Was An Apple On A Tree
  7. 7. I'm So Lonesome I Could Cry
  8. 8. I'm Movin' On
  9. 9. Cold Cold Heart
  10. 10. Worried Man Blues
  11. 11. Cotton Fields
  12. 12. Green Rocky Road

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