laut.de-Kritik

Johnny Depps Muse hat den Blues.

Review von

Sind alle Französinnen so? Nicht überhitzt und grell, sondern stilbewusst und elegant. Oder besitzt die bald 35-Jährige Vanessa Paradis einfach nur die nötige Reife? Ihr fünftes Album fußt im guten alten Rock'n'Roll. In dieses Setting fügen sich leise Töne, Keyboards und allerlei andere Instrumente aber wie von selbst ein.

Grundsätzlich liegt die eigentliche Stärke der Platte aber da, wo man sie sich wünscht: im Songwriting. Das dürfte nicht unwesentlich am musikalisch begabten Intimus Matthieu Chedid liegen. Mit ihm und anderen Langzeit-Helfern übergeht die Französin, die auch selbst komponiert, sämtliche Stereotypen und produziert stattdessen eine mit Herzblut kreierte und entspannte Atmosphäre.

Das mag auch an der französischen Sprache liegen - die in deutschen Ohren angesicht der angloamerikanischen Text-Dominanz wohl stets exotisch klingen wird. Vanessas Stimme geht in Ordnung. Im Alter von 14 Jahren mit "Joe Le Taxi" über Nacht berühmt geworden, ist sie zwar kein überbordendes Gesangstalent. Vielmehr vefügt sie über ein dauerhaft mädchenhaftes Timbre, das zum Glück nie aufgesetzt klingt. Weder gibt sich die älter gewordene Paradis besonders lasziv, noch divenhaft.

Das war vor ein bis zwei Jahrzehnten nicht unbedingt abzusehen. Nach "Joe Le Taxi" kamen die Lolita-Rollen, Modelverträge, Lenny Kravitz als Freund und ein prominenter US-Schauspieler als Fast-Ehemann (Johnny Depp steuerte das Cover-Artwork bei). Alles andere als eine durchschnittliche Vita. Zur Paradis passen Adjektive wie unprätentiös und geerdet trotzdem besser - zumindest was den musikalischen Output angeht.

Vielleicht liegt es daran, dass es im Studio keine "Egoprobleme gab, sondern die Musik im Mittelpunkt stand", wie es in der Presseinformation heißt. Der Platte hört man das durchaus an. Obwohl nicht wenige Musiker ihre Finger im Spiel hatten, klingt das Resultat erstaunlich homogen.

Sanfte Melancholie ("Les Revenants") durchzieht viele Nummern, doch rockige Stücke wie die Single "Divine Idylle" oder die im Plattenkontext tanzbaren "Dés Que J'Te Vois" und "La Bataille" bewahren vor der Überdosis Romantik. Und kommt dann doch eine Ballade, klingt diese nicht kitschig, sondern nach behutsam arrangiertem Tiefgang ("Jackadi" und "Junior Suite"). Karibisches Feeling fügt sich ebenfalls nahtlos ein ("La Mélodie").

"Eigentlich bin ich eine Schande für meinen Berufsstand. Ich bin faul, ich habe nie Unterricht genommen, ich habe mich nie darum gekümmert, meine Talente in geordnete Bahnen zu leiten", meinte Paradis kürzlich im SZ-Interview. Angesichts des neuen Longplayers kann man da nur sagen: geringer Aufwand, großer Effekt.

Trackliste

  1. 1. Divine Idylle
  2. 2. Chet Baker
  3. 3. Les Piles
  4. 4. Dés Que J'Te Vois
  5. 5. Les Revenants
  6. 6. Junior Suite
  7. 7. L'Incendie
  8. 8. Irrstiblement
  9. 9. La Bataille
  10. 10. La Mdie
  11. 11. Jackadi

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