laut.de-Kritik
Heidelbergs Next Generation tritt das Erbe an.
Review von Dani Fromm"Stadt am Neckar, du warst immer Hip Hops Mekka." Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Satz exakt so unterschreiben würde. Dass Heidelberg für den deutschen Hip Hop eine bedeutende, richtungweisende Rolle spielt, kann, wer sich auch nur oberflächlich mit der hiesigen Rap-Historie befasst, jedoch keineswegs abstreiten.
Die Frage, wo wir ohne Wegbereiter wie Advanced Chemistry, Boulevard Bou, die Stiebers und wie sie alle heißen heute stünden, bleibt spekulativ. "Heidelberg Cypher" zeigt, in welcher Form die Saat aufging, die in den 80ern ausgebracht wurde. Um es mit Kollegen aus dem hohen Norden zu sagen: Da geht einiges!
Einschränkend vorausgeschickt: Wir bekommen es mit 20 Tracks verschiedener Acts zu tun. Eine gewisse Durchwachsenheit lässt sich so kaum umgehen. Vieles bewegt sich raptechnisch nicht auf der Höhe der Zeit. Zu oft ereilt mich der Eindruck, den Jungs von Fettes Brot zu Zeiten von "Jein" zu lauschen.
Zudem erreichen die wenigsten Produktionen eine Qualität, wie man sie inzwischen schlicht gewohnt ist. "Oldschool", dachte ich hin und wieder, "altmodisch" leider häufiger. Trotzdem: "Heidelberg Cypher" lohnt sich, denn eines wird auf ganzer Länge deutlich: Am Neckar hat man sich in Zeiten, in denen Ghetto- und Gangsterrap boomen, bewahrt, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: den Spaß an der Sache.
Umrahmt von den beiden großen alten Männern der Szene zeigt deren heutige Besetzung, woran man gerade werkelt. La Differance tönen mit Slogans der Sorte "Arbeiten lohnt sich immer" zwar sehr nach dem Sozialarbeiter im Jugendhaus umme Ecke, servieren ihr "Wörk" aber dennoch in einer Weise gut gelaunt, dass man den erhobenen Zeigefinger gerne übersieht.
Geradezu minimalistisch erscheint Muso & Mr. Mars "Ein Blick". Die Inhalte, deren durchaus überzeugender Flow stellenweise an Kinderzimmers Textor erinnert, stehen hier absolut im Rampenlicht. Gleich im Anschluss fährt Censor mit "Drive To Write" einen Storytelling-Track auf, bei dem ich mich frage, wann ich das letzte Mal derart gespannt dem Verlauf einer Handlung gefolgt bin. Coole Story, cool umgesetzt. Bitte mehr davon.
Ebenfalls großes Kino bietet Toni L, der mit den Irie Révoltés mit "Ready" für erstklassige Unterhaltung sorgt. Ob ratterndes Französisch oder deutsche Zeilen: Eingebettet in den handgemachten, Dancehall-geschwängerten Funk-Sound der Truppe ein echtes Highlight.
"Heidelberg, du vereinst so viele Länder, viele Sprachen". Den Beweis tritt mehr als ein halbes Dutzend MCs in "Heidelberg International" an, indem man sich nicht nur deutscher und vertrauter englischer Zeilen, sondern einer geradezu babylonischen Sprachenvielfalt bedient. Obacht: Die Herren machen auch vor den Auswüchsen der Schweiz nicht Halt.
Begleitet von hübsch pumpendem Bass wandert Anael rastlos "Durch Die Stadt". Einen originellen, satten, dicht gepackten Synthiebeat setzt Chillbert unter sein "Zu Viele Reden", das zudem ordentliches Handwerk eines DJ Olb an den Plattentellern zeigt. Aus dem Hause Burbeats stammt ein entspanntes instrumentales "Zwischenspiel".
Am deutlichsten bringen Mitchman und First Son in "H&D" die aktuelle Misere, in der Hip Hop zuweilen zu versinken droht, auf den Punkt: "Von der Kultur bleiben nur traurige Ruinen, wenn die Stars auf dem Bravo-Cover Gangster mimen." Energisch und wütend beschwört man hier in exzellentem Zusammenspiel "the resurrection of an underground dynasty". "Bring it back to the day when MCs had something to say." Ja, bitte.
So findet sich zwischen allerlei Durchschnittlichem doch sehr viel Schönes. Am besten behagt mir allerdings die Erkenntnis: Es gibt sie noch, die Jungs, die die vier Elemente feiern und Hip Hop als Kultur und nicht als Modetrend oder Einkommensquelle betrachten. Oldschool? Mag sein. True School? Auf jeden Fall. Wenn Torch in abschließenden Worten verkündet, Elvis habe das Gebäude verlassen, "Ihr tretet das Erbe an. Ich zähl' auf euch!", braucht ihm nicht bange zu sein.
6 Kommentare
Hab mir die Platte bei Amazon gekauft, geiles Teil. Einige Ausfälle aber doch geil wenn man auf Trueschool Hip Hop steht. Review ist sehr gut geschrieben, Hammer!
Gruß
David
naja, nicht gerade top, geht klar, aber mehr nicht.
Ein ganz einfaches "Meiner Ansicht nach" und deine Posts in diesem Bereich hätten nicht ständig so einen selbstgefälligen Touch.
@Freako («
Ein ganz einfaches "Meiner Ansicht nach" und deine Posts in diesem Bereich hätten nicht ständig so einen selbstgefälligen Touch. »):
stimmt, danke schön!
meiner ansicht nach ist die platte durcschnitt, einzele highlights sind vorhanden, dennoch sollten sich keine absoluten liebhaber die cd davor anhaben.
Bin durch Zufall hier gelandet: Freut mich das Laut.de eine Review geschrieben hat. Heidelberg macht immer noch den ehrlichsten Hip Hop. Mutterstadt!!!!
Peace
noch ne Rezi zum Cypher: http://taki183.wordpress.com/2007/11/22/he…