laut.de-Kritik
High Fives und Umarmungen.
Review von Josephine Maria BayerGrillen zirpen im Hintergrund, Jubeln und Klatschen nach jedem Song. Fast spürt man die Wärme des Lagerfeuers. Es ist, als wäre das TV-Publikum selbst ein Teil jener Runde, die wie ein eingeschworener Freundeskreis wirkt. Dieses Gefühl, den Pop-Stars ganz nahe zu kommen, ist ein wichtiger Teil des Erfolgskonzepts der Vox-Sendung "Sing Meinen Song - Das Tauschkonzert", bei der mehr oder weniger bekannte Gesichter der deutschen Musikindustrie die Hits ihrer Kolleginnen und Kollegen interpretieren. Dabei geben sie den Liedern ihre ganz eigene Färbung, teilweise sind sie kaum wiederzuerkennen. Jede Sendung ist den Songs eines anderen Künstlers gewidmet. Anders als bei den meisten Musikshows im deutschen Fernsehen, werden die Auftritte nicht kritisiert. Stattdessen gibt es viele High Fives und Umarmungen, das Feedback bleibt stets positiv.
Die wertschätzende Kultur des TV-Formats hat sich bewährt: Die quotenstabile Sendung feiert in diesem Jahr Zehnjähriges. In der Jubiläumsstaffel, die in alter Tradition im Grootbos Private Nature Reserve in der Nähe von Kapstadt gefilmt wurde, gaben sich Clueso, Stefanie Kloß (Silbermond), Johannes Oerding, LEA, Nico Santos, Alli Neumann und Montez die Ehre. Der eigentliche Star der Show war jedoch wieder einmal die elfköpfige Hausband "Grosch's Eleven", ohne die die Show eine reine Karaokeshow geblieben wäre. Von Lagerfeuer-Balladen ("Barfuss") und Jazz ("Mutprobe"), über Rap ("Schwarz") bis Rock ("Engel") liefert die Band ein unglaublich breites Spektrum an Genres und haucht damit den ursprünglich recht unspektakulären Pop-Songs neues Leben ein.
Die gesanglichen Beiträge des Dreifachalbums bieten hingegen wenig Abwechslung: LEA haucht jeden Track auf die gleiche, säuselnde Weise, Johannes Oerding belehrt stets Prediger-Stil, und Stefanie Kloß klingt so, wie Silbermond eben klingt. Alli Neumann und Nico Santos sorgen für frischen Wind, indem sie einige Zeilen in ihren zweiten Muttersprachen singen. Silbermonds "Mein Osten" bekommt mit Neumanns polnischer Interpretation etwa eine völlig neue Bedeutung. Montez' rockige Version von Alli Neumanns "Merlot, Macht und Muse" stellt eine gelungene Ausnahme inmitten der ruhigen Klavierballaden dar, die er in der Sendung bevorzugt zum Besten gibt. Clueso sticht mit einer Mischung aus Rap-, Pop- und Rockeinlagen als vielseitigster Interpret aus der Gruppe hervor.
Während der gesamten Sendung ließen die Sängerinnen und Sänger ihren Gefühlen wie gewohnt freien Lauf: Lachen ("Paris") und Weinen ("Fluss") lagen dicht bei einander. Die Emotionen sind auch deutlich hörbar. Warum jedoch gerade diese Songs so starke Reaktionen hervorrufen, erschließt sich beim bloßen Zuhören nicht. Um die Zusammenhänge zu verstehen, muss man schon die Sendung gesehen haben. Und so wirken diese intensiven Darbietungen auf CD etwas aus dem Kontext gerissen.
Aus der achten und letzten Folge der Sendung stammen die fünf abschließenden Duette des Albums, die jedoch etwas angestrengt begeistert wirken. Zum Schluss singen Stefanie Kloß und Montez: "So schön, wie wir sitzen, hier in Südafrika im Abendlicht. Weißt du, ich lieb' den Gedanken, dass das seit zehn Jahren schon genauso ist." Auch wenn sich alle Mühe geben, noch einmal Partystimmung aufkommen zu lassen, ist nach acht Folgen gegenseitiger Lobhudelei irgendwie die Luft raus.
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