laut.de-Kritik
Aggrocalypse Now!
Review von Yan VogelDer Weltraum - trostlose Ödnis und meist lebensfeindlich, selbst die mächtigsten Menschen erscheinen vor der Unendlichkeit schmächtig - bildet die Projektionsfläche für das franko-kanadische Abrisskommando Voivod. Krach und Kunst gehen bei dem Quartett Hand in Hand. Es gibt wohl kaum eine Band, die mehr Dissonanzen in ihre Akkorde streut als die 1983 in Jonquière/Quebec gegründete Formation.
Die Kumpels in Kutten formen aus der aufkeimenden New Wave Of British Heavy Metal, der Hardcore Punk-Bewegung sowie dem Prog Rock der Siebziger ihr unverkennbares Klanggemisch. Bei Voivod gibt mal die die progressive Perspektive von Alben wie "Nothingface" und "The Outer Limits" den Ton an. Mal regieren kompakte Knalleffekte der Marke "Dimension Hatröss".
"Forgotten In Space - The Noise Record Years" gibt nun Zeugnis von der räudig-rumpeligen Frühphase, die in Sachen Kultfaktor das Fundament gelegt hat für alles, was noch folgen sollte. Insbesondere die Gitarrenarbeit des 2005 an Darmkrebs verstorbenen Denis "Piggy" D'Amour in Form von Avantgarde Riffing, abgedrehten Sounds und Klangclustern fräst sich tief in die Gehörgänge. Die zeitlosen Klangkonstruktionen passen sowohl in die Cold War-Ästhetik der Achtziger als auch in die Krisen-gebeutelte heutige Zeit.
"The Noise Record Years" zeichnet die Entwicklung der drei Alben "Rrröööaaarrr", "Killing Technology" und "Dimension Hatröss" nach. Voivod widerstreben auf der inhaltlichen Ebene dem Primat des Primatendenkens, sie spielen mit der Dialektik der Aufklärung und beschreiben die Tücken der Technik. Dabei geht die teils dadaistisch anmutende und auf Wortneuschöpfung basierende Textarbeit eine faszinierende Liaison mit der Musik ein.
Die remasterten Alben lassen einige Nuancen deutlicher erkennen. Trotz der Kosmetik behält man den Charme des Originals bei. Als besondere Schmankerl gibt es ein 40-seitiges Buch, in dem Michel "Away" Langewin die Anfangsphase Revue passieren lässt. Von der Namensfindung aus dem Horror/Sci Fi-Kontext der Siebziger über die musikalischen Einflusssphären bis hin zur Speerspitze der Avantgarde Metal-Szene zeichnet der Drummer und Lyriker den Werdegang seiner Band nach.
Korgüll The Exterminator kommt in Form eines USB-Sticks zu Ehren, auf der das gesamte Material in digitaler und komprimierter Form zu finden ist. Auf der beiliegenden DVD "Chaosmongers" gibt es eine Mini Dokumentation mit Interviews, Live Auftritten, behind the scenes & Promotion Videos von 1985 bis 1989 zu bestaunen. Dazu bekommt man ein bis jetzt unveröffentlichtes Konzert-Video, "Live In Chicago '88" und ein Audio-Konzert vom World War III Festival 1985.
Was die vier Kumpels aus der Krachmacherstraße bei allem Lärm an Details präsentieren, zeigt sich in der Aufmachung des Boxsets. Müßig zu erwähnen, dass hierfür ein gewisser Preis fällig wird, der sowohl für Sammler als auch Detail-Liebende nicht zu hoch sein dürfte.
3 Kommentare mit 4 Antworten
Eine in den Szenen aufgrund ihrer Wandelbarkeit stets übersehene Band. Für mehr als eine Erinnerung daran reicht so ein Boxset allein schon wegen des typischen Preises nicht.
Outer Limits ist eines meiner Lieblingsalben, gute Band. Also im Studio, live sind sie eine Katastrophe. Glaube habe sie in den letzten 30 Jahren so 7 oder 8 mal gesehen und kann somit objektiv sagen, dass sie die schlechteste Live-Band sind die ich kenne
Woran liegts?
vielleicht dass sie im Studio 128 Takes für eine Spur haben, aber Live das nicht hinbekommen?
sounds great to me...
https://youtu.be/Nv6ko1JQ8y4
https://youtu.be/4jq74g5CyBE
Nothingface fehlt, warum?
So wie es aussieht war das Label Mechanic/MCA Records. Noise war wohl nur für den Vertrieb in Europa zuständig.