laut.de-Kritik
Nachtclub und Abfuck.
Review von Yannik GölzBerliner Newcomer mit elektronischen Beats und authentisch-entspannten Geschichten aus dem Kiez? Ohne es herunterzuspielen, davon gab es schon ein paar. Aber Wa22ermann gehört definitiv zu den besseren neuen Stimmen, die die Hauptstadt gerade an den Start bringt: Mit einer soliden Flexibilität im Sound, ordentlich Micskill und einer gesunden Fuck-Off-Attitüde setzt sie sich von der Welle an Polaroid-Filter-Zoomer-Rappern ab, die gerade Ähnliches fabrizieren.
Mit ihrer ersten EP "7:30" zeigt sie vor allem, dass sie Stimmung und Hooks kann. Der Opener "Dracula" bringt hypnotische Synths gegen einen einen nokturnalen Midtempo-Stampfer. Das klingt cool und fashionable, mehr als ein paar Mal wirkt die Mucke von Wa22ermann wie Runway-Musik, das stolz zur Schau gestellte Resting Bitch Face sowas wie das Markenzeichen. Der Folgesong "Bienennest" baut den EDM-Bezug weiter aus und gibt allein durch den fantastischen Berlin-Techno-Dungeon-Sound den wahrscheinlich besten Song ihrer bisherigen Karriere her.
Trotz der verschiedenen Facetten, die die Newcomerin auf der EP zeigt, tritt sie allerdings manchmal ein bisschen zu cool auf. Vor allem, wenn die halbe EP eigentlich sehr auf Party getrimmt ist. Ihre Attitüde, ihr Abgefucktsein über Dudes auf Drogen und fragwürdige Plugs und die wuseligen Bars wirkt eher antisozial. Dafür, dass Wa22ermann gefühlt ihren ganzen bisherigen Musikkatalog im Club oder an der Bar verbringt, lässt sich bisher nicht so richtig festhalten, ob sie überhaupt gerne da ist oder nicht.
Der EP-Titel gibt in der Hinsicht aber vielleicht auch Sinn. "7:30" ist keine Musik für den Turn-Up, sondern eher Musik für den Heimweg. Ein bisschen psychedelisch, ein bisschen berauscht, wie zum Beispiel die wirklich fertigen Electronica vom Sirin-Feature "Distanz" schrammeln. Auch das Feature mit Stadt- und Vibe-Genosse Apsilon hat vor allem eine dominierende Mood: Der Song klingt irgendwie müde. Ein luzider Moment kommt am Ende vom Closer "Glück", der ebenfalls wieder in den In-Between-Spaces von Berlin spielt. Da beschreibt sie, wie ein Typ sich in der Bahn übergriffig verhält, und sie sagt nur: "Zu müde zum reden und so / Aber mein Blick zeigt was ich von ihm halt".
Ey, diese Frau hat etwas. Etwas Lakonisches, Scharfsinniges, ein Gefühl für Atmosphäre und eine Menge Ausdruck in ihrer Stimme. Man könnte fast mutmaßen, dass die bisherigen Trapbeats und die hier auftauchende Electro-Untermalung eigentlich nur ein trojanisches Pferd für einen viel komplexeren Artist sind: Die fünf Songs enden im sumpfigen, trüben Morgen von Berlin, zwischen den letzten Partygängern und den Menschen auf dem Weg zur Arbeit, und für eine so Club-lastige EP endet sie schwermütig, erschöpft und ein bisschen abgefuckt. Im modernen Berlin zwischen Geflexe und Rausch hat das etwas Erfrischendes – und man kann sich nur darauf freuen, was Wa22ermann auf einem ganzen Album-Statement so zu bieten haben könnte.
3 Kommentare mit einer Antwort
Mir ist das Video nicht luzid genug.
Würde die Review so unterschreiben. Musikalisch ist das teilweise ziemlich fett und sie hat ein gutes Gefühl fürs Songwriting. Stimmung passt auch. Lyrics könnten teilweise noch ausgefeilter / phrasenärmer sein und dieses Apsilon Feature hat leider Chaker Qualität.
Die meist gehörte Platte der letzten Wochen. Finde Wa22ermann richtig gut. Die Review trifft es gut.
@hrvorragend Deine Kritik an Apsilon kann ich gar nicht nachvollziehen. Der rappt wirklich sehr gut, der Flow und die Technik sind eher ungewöhnlich, aber gerade deshalb so geil. Apsilon ist einfach der beste Deutschrap Newcomer seit Keemo.
Ich hab mir jetzt extra nochmal seine Ep angehört, um mein Urteil zu validieren oder zu entkräften. Der Typ wandelt leider fernab von meinem Geschmack. Mit diesem Schlaftablettenvortrag kann ich nichts anfangen und die Intonation klingt leider immer viel derer als der Text jemals sein könnte.
Ich muss jetzt nicht in den Krieg ziehen, weil es den gibt und so viele Newcomer kamen nach Keemo ja nicht nach, aber geben tut mir das nichts.