laut.de-Kritik
Der Ellenbogenscratcher und die Weltstars.
Review von Martin TenschertMaximilian Lenz hat in seiner mittlerweile 30 Jahre andauernden Karriere viel erlebt: Trends gesetzt, Schlachtrufe erfunden ("Raving Society", "We'll never stop living this way") und sich mit allem auch immer kritisch auseinandergesetzt. Von Africa Islam wurde Westbam nicht umsonst, als "father of techno, pope of electro" bezeichnet.
Als eine Art Resümee des bisherigen Schaffens kann man nun sein neues Album "Götterstrasse" bezeichnen. Der eigenartig anmutende, aber durchaus charismatische Titel ist typisch für den ehemaligen Punk-Bassisten, der sich da Franx Xerox nannte. Genauso wie das Cover - Ist Westbam ein Erleuchter? Ein Neurotransmitter? Oder sieht das einfach nur cool aus? Viele unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten bleiben ebenfalls Markenzeichen des gebürtigen Münsteraners.
Eine beeindruckende Anzahl von Weltstars arbeitet mit dem Ellenbogenscratcher auf "Götterstrasse" zusammen: Ob Brian Molko, Iggy Pop, Lil' Wayne oder Kanye West - man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Und interessanterweise bilden diese gegensätzlichen Paarungen großartige Symbiosen und Kombinationen aus. Bernard Sumner von New Order überzeugt auf "She Wants" genauso wie 2Raumbewohnerin Inga Humpe beim Titelstück "Götterstrasse Nr.1", einem psychedelisch verhallten Ravetrip in schöner Melancholie.
Diese könnte man auch als Grundtenor der Platte beschreiben: getragen und schwebend. Bach und Händel, die alten Raver, wären stolz. "Radio Siberia", gleichsam Hommage an Kraftwerk und von Kanye West mit lässig gedehnten Vocals veredelt: Daft Punk samplet man, mit Westbam macht man einen gemeinsamen Track, wird er sich gedacht haben.
Auch Punkfossil Iggy ("Iron Music") bringt das Stück mit getragen erhabener Pose zur Vollendung: große Harmonien über einem allernötigsten Beatkonstrukt. Das kommt gut. Selbst der sonst etwas nervige Lil Wayne macht bei "Kick It Like A Sensei" überzeugend den Zeremonienmeister. Ausgereift, durchdacht, aber trotzdem mit ordentlicher Menge Punk-Spurenelementen versehen.
Eine lebendige Musikgeschichtsvorlesung quasi, zu der man auch tanzen kann. Und dennoch gewinnt man den Eindruck, dass "Götterstrasse" in die Zukunft gerichtet ist, die aufgesetzte Trauer um die gute alte Rave-Zeit, das ist Westbams Sache nicht. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Oder eben: "We'll never stop living this way". He just can't stop!
14 Kommentare
definitiv mal reinhören
Klingt recht interessant, werde dem auch eine Chance geben.
EDIT: Zündet nicht, aber wenigstens kein Totalausfall. Nichts für mich.
War das nicht immer so ein Techno-Durchschnitts-Bernd mit Nähe zu Viva/MTV und Mainstream-Raver-Publikum?
Neun Wochen nach VÖ wieder auf der Titelseite? Ja wat is dann hier los!?
@soulburn (« Neun Wochen nach VÖ wieder auf der Titelseite? Ja wat is dann hier los!? »):
Vielleicht ein neuer Meilenstein?
Gruß
Skywise
oder einfach dicke finger?