laut.de-Kritik

Diese Art Popmusik könnte auch von Justin Timberlake stammen.

Review von

"Ich hasse die Black Eyed Peas dafür, dass sie damals den Schwenk in Richtung Pop gemacht haben." Selten sprach Kollege Möller gelassener vergleichbar wahre Worte aus. Gegen eine durchwegs ordentlich produzierte Pop-Platte ist zwar wenig einzuwenden, und doch: Mancher Schuster Stärken liegen eigentlich auf anderem Terrain. Sehr schade, wenn diese dann nicht bei ihrem Leisten bleiben.

Dass es Will.I.Am nach Jahren als Strippenzieher hinter seiner Crew und als Produzent im Schatten verschiedener Künstler von Sergio Mendes bis hin zu Kollegin Fergie juckt, einen Alleingang durchzuziehen, erscheint mir mehr als nachvollziehbar. Warum dabei ein Album heraus kommen muss, das in dieser Form problemlos auch von einem Justin Timberlake stammen könnte, entzieht sich meinem Verständnis allerdings gründlich.

Hip Hop-Heads sollten von "Songs About Girls" tunlichst die Finger lassen: Sie werden anderenfalls bitter enttäuscht. Dabei gerät der Auftakt ganz wunderbar: Übersteht man die ekelhaft schmalzigen Streicher, serviert Will.I.Am mit "Over" eine Einstiegsnummer, deren schier grenzenlose Funkyness die Beziehungsende-Dramatik schlicht vergessen lässt.

Das war's dann auch weitgehend mit den Highlights, und wir sind mittendrin im größten Schwachpunkt des Albums. Klar, was erwartet man schon groß bei "Songs About Girls", aber bitte: Ein wenig gehaltvoller hätte ich mir die Texte schon gewünscht. "I'm so sorry, I didn't mean to break your heart": Eine Phrase, deren Einfallslosigkeit nur vom Titel des Tracks überboten wird. Die Nummer heißt ... na? "Heartbreaker". Hundert Punkte für den Kandidaten, einen dicken Strich für den Verfasser.

Ähnlich seichte Lyrics fahren "She's A Star", "Impatient" oder der vom hochwillkommenen einzigen Featuregast Snoop Dogg gepimpte "The Donque Song" auf. Über "I like the way she's dancing" wäre ich noch hinweg gekommen, aber nicht, wenn mir unmittelbar darauf ein "You're looking wonderful, I'm so lucky to be here dancing with you" an den Kopf geworfen wird. "I don't want nobody but you, babe." Dermaßen uninspiriert angeschmachtet sollte jedes "Fly Girl", das noch alle Tassen im Schrank hat, schleunigst die Flucht ergreifen.

Gesungen wird eine ganze Menge, gerappt weit weniger. Dünne Textzeilen werden dabei aber auch durch die hundertste Wiederholung nicht besser. Mit dergleichen nerven beispielsweise die Singleauskopplung "I Got It From My Mama", "Invisible" oder "Fantastic". "I'm alright, I'm alright, I'm alright, I'm fantastic, I'm fantastic, I'm fantastic." Ich habe verstanden und genug.

Dabei bietet Will.I.Am eine Menge, was ich unter anderen Umständen (und möglicherweise auf einem Justin Timberlake-Album) durchaus goutiert hätte. Einen Cee-Lo, der Background-Vocals zu (wuäh!) "Heartbreaker" beisteuert, höre ich schließlich jederzeit gerne. Der sich über weite Strecken ausbreitende 80er-Jahre-Synthie-Touch stört mich in aller Regel nicht, im Gegenteil. Ganz so dick wie in "Get Your Money" muss man mir die Disco-Versatzstücke inklusive Klischee-Claps dann aber doch auch wieder nicht aufs Brot schmieren.

Wenn man schon überdeutlich zitiert, hätte man die Vorlagen ruhig mal erwähnen können. Sollte "The Donque Song" tatsächlich nichts mit "What Time Is LOVE" von KLF zu tun haben und die Drums aus "S.O.S." wirklich nicht bei Paul Simons "50 Ways To Leave Your Lover" geborgt sein, dann fress' ich das Booklet. Ohne Salz.

Vielleicht habe ich dahingehende Anmerkungen auch bloß übersehen. Sämtliche Informationen in weißer Schrift auf goldenem Hintergrund ins Rückencover zu quetschen, um dafür ein neunseitiges Booklet mit netzhautzerfetzenden Schwarzweißspielereien zu füllen: nicht gerade eine Hommage an die Lesefreundlichkeit. Wenn da mal nicht die Optiker-Lobby ihre Hand im Spiel hatte ...

Im Vergleich zur Vorlage der Jackson 5 erscheint "Fantastic" geradezu lahm. Die durchaus originellen Bläser in "Make It Funky" ändern nichts daran, dass der Track seinem Titel in keiner Weise gerecht wird, und wenn ich Jamiroquai hören möchte, höre ich lieber Jamiroquai als "Impatient". Ein guter Track, ein amtlicher Part des Doggfathers und ein mittels abgefahrener Gitarren Star Trek-Nostalgie weckendes Zwischenspiel ("Dynamite Interlude"): Tut mir leid, für eine Kaufempfehlung meinerseits genügt das nicht.

Trackliste

  1. 1. Over
  2. 2. Heartbreaker
  3. 3. I Got It From My Mama
  4. 4. She's A Star
  5. 5. Get Your Sunday
  6. 6. The Donque Song
  7. 7. Impatient
  8. 8. One More Chance
  9. 9. Invisible
  10. 10. Fantastic
  11. 11. Fly Girl
  12. 12. Dynamite Interlude
  13. 13. Ain't It Pretty
  14. 14. Make It Funky
  15. 15. S.O.S. (Mother Nature)
  16. 16. Spending Money

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Black Eyed Peas

Hip Hop mit den unterschiedlichsten musikalischen Einflüssen - dafür stehen die Black Eyed Peas nun schon seit 1998. Im Sommer desselben Jahres erscheint …

LAUT.DE-PORTRÄT Will.I.Am

Als Frontmann der Black Eyed Peas gilt Will.I.Am im internationalen Rap-Geschäft als eine Größe, mit der man rechnen sollte. Über das Engagement in …

21 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Schade, hab gleich nochmal reingehört, als ich dein review gelesen habe, nachdem ich das erste mal nach 3 Tracks abgebrochen habe, aber Paul Simons "50 ways" liebe ich schon sehr, also kriegt er noch n Chance.

    S.O.S. bei Will.I.Am ist aber leider genauso belanglos wie der Rest des Albums. Vielleicht gehört er sogar noch zu den stärkeren Exemplaren, aber wenn ich solche Musik (wie dieser Track, nicht das Album) hören will greif ich doch lieber zum aktuellen Common album, der macht das deutlich besser. Und da müssen "50 Ways" auch mal herhalten für Forever begins glaube ich.

  • Vor 16 Jahren

    @Dani Fromm (« Warum dabei ein Album heraus kommen muss, das in dieser Form problemlos auch von einem Justin Timberlake stammen könnte, entzieht sich meinem Verständnis allerdings gründlich. »):

    muss sagen, dass der justin timberlake-bezug mir gar nicht einleuchtet. justins letztes album wurde von timbo produziert und ich finde im übrigen, nicht schlecht (man denke nur an "what goes around") - will i.am hat einen ganz anderen stil und das gleichzusetzen ist alles andere als sinnvoll. überhaupt finde ich will i.am als Produzenten völlig überbewertet.

  • Vor 16 Jahren

    Warum macht jmd, der so ein enormes Potenzial wie Will.I.Am hat so ein Album?
    Das was die BEP in letzter Zeit gebracht haben war schon nicht gerade toll, aber ab und zu kam eben dann doch noch ein kleiner Funken einer genialen Idee bei durch.
    Das vermisse ich auf diesem Album vollkommen.
    Okay, um es beim Arbeiten nebenher zu hören ist die CD ganz nett, aber von jemand wie Will.I.Am kann man doch eigtl mehr erwarten, oder nicht?!
    Naja, hoffentlich kommt in seinem Leben ziemlich bald mal eine Phase, in der er sich etwas "zurückbesinnt" (oder was auch immer).
    Hab gerade nochmal "Weekends" im Player, das waren noch Zeiten....
    Ansonsten kann ich Screwball nur zustimmen, der Verglich zu Justin hinkt.
    Aber ich kann nachvollziehen, was damit gemeint ist.
    MfG