laut.de-Kritik
Die heimlichsten Stars der Musikbranche.
Review von Gordon BuschleSie sind die vielleicht heimlichsten Stars der deutschen Musikbranche. Trotzdem erschleichen sich die Wise Guys, auf einem weniger bekannten Label zuhause und stets ohne Schlagzeilen, immer wieder Spitzenpositionen in den Charts.
Das letzte Album "Radio" schaffte es gar auf Platz drei. Die Wise Guys sind seit 14 Jahren Deutschlands zumindest beständigste A Capella-Band. Mit "Frei!" erscheint nun das mittlerweile zehnte Studioalbum.
Bereits im September des vergangenen Jahres performten das Quintett viele der neuen Songs im TV mit dem Hinweis, dass diese aber erst im Februar auf CD erhältlich sein werden. Und die Marketingstrategie scheint aufzugehen.
Denn pünktlich zur Album-VÖ erscheint das erste Buch über die Band. Die anschließende Promotour von Flensburg bis Ulm ist zudem so gut wie ausverkauft. "Ja, wir sind wieder da" heißt es im ersten Song, der "Am Anfang" heißt.
Er beginnt ungewohnt rhythmisch und versprüht etwas afrikanischen Flair. Nach ein paar Sekunden klart der Titel allerdings auf und es geht gewohnter Wise Guys-Manier weiter: dumm, di dumm, duuubiduubi dap duaaaah – dazu eine Solomelodie. So vergeht Titel um Titel. Fast so, als wäre nichts gewesen. Weder eine zweijährige Pause noch das Plattenjubiläum.
Na gut, möchte man sagen, die Stärke der Wise Guys war noch deren Solosänger. Der wirkt, wie auf den früheren Alben auch, etwas schwach auf der Brust. Zwar ist der Satzgesang makellos, aber auch hier würde ab und zu etwas Polyphonie, eingebettet in Sprache zur Bekämpfung der Einöde, nicht schaden.
Aber nach zehn Alben braucht man auch nicht mehr beständig auf den alten Schwächen herumzureiten. Denn eigentlich sind es viel mehr die Texte, die die Musik der Wise Guys ausmachen. Und Dän Dickopfs Ergüsse können sich sehen lassen.
"Es ist nicht immer leicht" ist eine kleine Hommage an Brad Pitt. "Der arme Brad muss parieren, während Angelina lenkt, muss dauernd Kinder adoptieren. Ich bin sicher, dass auch er oft denkt: It isn't always easy …"
Auch Michael Jackson bekommt die Ehre: "Schiller" – eine Coverversion von "Thriller": "Vielleicht macht mir Lesen etwas Mut, denn Lesen tut gut. Doch es ist Schiller! Schiller schreibt so schrecklich kompliziert". Alleine die knarrende Türe und das Wolfsheulen im Intro sowie die originalgetreuen Synthesizerläufe - natürlich a capella produziert - sind es wert, sich den Song anzuhören.
Anstelle des im Original gesprochenen Outros "Darkness falls across the land", spricht der Basssänger: "Was wolltest du mit dem Dolche? Sprich! Entgegnet ihm finster der Wüterich". Beeindruckend, in welcher Perfektion und Liebe zum Detail die Wise Guys diesen Song umsetzen. Einziger Wermutstropfen: Den dazu einstudierten Tanz gibts nur live zu sehen, lässt sich allerdings auch auf Youtube auftreiben.
"Paris" ist ebenfalls ein Schmankerl. Dickopf verreimt geschickt französische mit deutschen Wörtern: "Pariii ist ein Paradiii, denn wie es aussieht hat l'amour tous les jours Hochkonjunktur". Die Musik ist ein Tango und der Solosänger wird von Akkordeonsound begleitet. Und als ob das noch nicht reicht, kommt schließlich die lang ersehnte, in Sprache eingebettete Polyphonie. Das geht fast schon als Kleinkunst durch!
Weil sich die Wise Guys ihr Pausenbrot mittlerweile von der Musik kaufen können, können sie es sich auch leisten, "Paris" mit den Bremer Philharmonikern aufzunehmen. Diese Version gibts dann als Zugabe am Ende des Albums noch drauf.
Die Platte beinhaltet insgesamt 21 Songs und könnte für all diejenigen interessant sein, die auf gehobene deutsche Texte stehen. Allerdings überzeugen die Wise Guys nach wie vor live doch am besten.
12 Kommentare
Endlich werden die Wise Guys auch mal hier erwähnt! Höre sie seit dem zweiten Studioalbum und habe sie auch schon auf zahlreichen Konzerten sehen können. Und wie der Autor auch sagt: Live sind sie immer noch am besten! Mit einem Ärztekonzert können sie, von der Unterhaltung her, locker mithalten.
sie sind vllt relativ unbekannt aber trotz allem eine verdammt geile live-band - ich erinnere an das konzert auf dem kirchentag letztes jahr. da waren immerhin 70.000 leute da ^^
Aber natürlich ist die Stimmung nicht da wie bei Konzerte von den Ärzten, da - wie schon gesagt - die Wise Guys eine ziemlich unbekannte Band sind. Die Ärzte kennt ja jeder.
Ich habe die mal in der Kulturbrauerei gesehen.
Es war einer der furchtbarsten Sachen die ich mir jemals angetan habe. Das war mehr ein "We are family" Happening. Mir ging die Musik recht schnell auf die Nerven, aber dieses Publikum hat mich geradezu aggressiv gemacht. Nach einer halben Stunde bin ich geflohen. Draußen habe ich mich dann gefragt: "Was zur Hölle war das?"
Und jeder, wirklich jeder hatte so ein bescheuertes Tour T-Shirt an. Das sah aus, als wäre ich auf einer FDJ Veranstaltung gewesen.
SSSLLLLAAAAAYYYYYEEEEERRRR!!!!!!!
@Kukuruz (« @jaja.wunderbar (« Ich halte die Wise Guys für mit das Grauenhafteste in der deutschen Musiklandschaft. Selten eine Veranstaltung erlebt, die so klar den Charme einer kleinkarierten, bornierten Versammlung von angehenden Erziehungswissenschaftlern versprüht. »):
Zustimmung. Hab' gerade zufällig eine TV-Reportage über die Suche eines Nachfolgers für ein ausscheidendes Band-Mitglied per Massen-Casting gesehen. Auch den Vergleich mit den Ärzten weiter oben in dieser Diskussion ist für mich ziemlich nachvollziehbar. Dieses "Sie tun alles für ihre Fans". Ich habe noch nie verstanden, was es mir bringen soll, eine Fan-gesteuerte Band zu verfolgen. Wie ein Fussballverein. Ich will provoziert werden. »):
Früher haben sie auch noch provoziert, aber mit "Radio" oder spätestens diesem Album haben sie einfach jede Individualität verloren. Die frühere Idee war: "Stellen wir uns da doch mal in einer Reihe auf, machen lustige Texte und coole Geräusche". Die heutige Idee ist: "Stellen wir uns doch mal da in einer Reihe auf, imitieren Instrumente und machen Schlagertexte."
Schade, dass eine Band, die "Tekkno" oder "Der letzte Martini" gemacht hat, jetzt diesen Pop/Schlager-Mist verzapft.