laut.de-Kritik
Apokalyptisch rockender Coutrygoth von unserem Lieblingsprediger.
Review von Ulf KubankeDas aktuelle Opus des Ex-16 Horsepower-Masterminds David Eugene Edwards "Ten Stones" wirkt auf den ersten Blick wie eine weitere Ansammlung seiner typischen gottesfürchtigen Feuer-und-Schwefel-Predigten. Der Titel steht im Englischen für die Steintafeln mit den zehn Geboten. Es bleibt grundsätzlich bei der bewährten Mixtur aus Alternative-Country und wüstenstaubtrockenem gothischen Rock. Keine großen Überraschungen, sollte man meinen. Doch der Teufel steckt hier im Detail.
Rau gelingt der Einstieg in das Album mit dem spröden Kracher "The Beautiful Axe". Die Gitarren klingen härter als früher. Die Vocals erklingen im Refrain eher laut gerufen als gesungen. Das folgende "Horsetail" behält die Gangart bei, fällt aber deutlich eingängiger aus.
Der erste Höhepunkt gelingt mit dem Outlaw-Song "Not One Stone", eine Geschichte über die Gesetz- und Gottlosen des Wilden Westens. Treibend und schroff galoppieren die Gitarrenriffs durch eine kakteengesäumte Prärie. Hier ist kein einziges alttestamentarisches Gebot der mosaischen Steintafeln gültig; "Not One Stone" eben. Der manisch anklagende Gesang Edwards vermischt sich zu einer Hymne, die klingt, als hätten Joy Division und Ennio Morricone einen Song gemeinsam aufgenommen. Diese Spaghettiwestern-Atmosphäre bleibt auf dem folgenden "Cowhawkin Road" erhalten.
Auf "Iron Feather" beklagt Woven Hand die Traurigkeit einer Welt ohne Gott. Wie eine Zombieversion von Nick Caves Bad Seeds intoniert die Band den Track mit einem untoten Klavier, psychedelischen Gitarren und einer unheilverkündenden Orgel. Edwards predigt derweil die unvermeidliche Apokalypse herbei As dead men do, do not find their way. Alles zusammen hypnotisiert den Hörer spätestens nach dem zweiten Genuss des Liedes. "White Knuckle Grip" ist fast schon purer Noise. Verzerrte Instrumente und Rückkopplungen zerlegen den Track. Die rudimentären Folkelemente heben die zerklüftete Stimmung sogar noch hervor und klingt wie der 16 Horsepower-Kultsong "American Wheeze" in einer markerschütterten Erdbebenversion.
Die große Überraschung des Albums ist sicherlich die Coverversion von Antonio Carlos Jobims Bossa Nova-Klassiker "Quiet Nights Of Quiet Stars" aus dem Jahr 1963. Das flockige Easy Listening-Stück verliert in Edwards Händen erwartungsgemäß jede Leichtigkeit. Er singt das Stück so traurig und dramatisch wie Scott Walker es täte. "Kicking Bird" bildet ein nur zweiminütiges Stadionrockintermezzo inklusive Hey-hey-Chören und Yeah-Yeahs.
"Kingdom Of Ice" ist ein Wahnsinnssong. Und zwar im wörtlichen Sinne. Woven Hand preisen Gott hier als archaisch erhabenen Warlord. Der Gesang klingt fiebrig übergeschnappt. Es entstehen Bilder im Kopf mit Edwards irre glühenden Augen und seinem tollwütigen Zucken. Ein leichtes Schaudern stellt sich ein. Weiß man doch, dass zumindest ein Teil dieser Getriebenheit echt sein dürfte.
Das Album klingt mit "His Loyal Love" und dem darin übergehenden Instrumental "Ten Stones Drone" aus. Ein leicht federnder Westernrhythmus ergänzt den choralen Gesang. Die letzten Minuten bieten eine Art Wüsten-Ambient aus Gitarren und kreieren so einen schwebend elegischen Ausklang.
"Ten Stones" bedeutet eine Zäsur im Schaffen von David Eugene Edwards. Der musikalische Bruch mit der alten 16 Horsepower-Zeit ist überwunden. Woven Hand klingen endlich wie eine homogene Band und nicht länger wie ein Soloprojekt. Das gekonnte Einbauen neuer Elemente wie Italo-Western-Sounds, Noiserock, Bossa und Psychedelic rundet den Gesamteindruck ab. Diese Veröffentlichung kann man getrost als den legitimen Nachfolger für die legendäre "Secret South"-CD von 16 HP bezeichnen. Wer songwriterisch derartig überzeugend und konsequent seinen eigenen künstlerischen Weg geht und dabei die Lust an neuen Wegen nicht verliert, hat die Höchstwertung hier tatsächlich verdient.
24 Kommentare
Kann das nachvollziehen, DEE ist ja ein Kritikerliebling, empfinde "Ten Stones" allerdings als sein schlechtestes Album unter Wovenhand. Schoen und gut, dass er jetzt zu den "haerteren" Gitarren zurueckgefunden hat, aber mir waere es dann lieber, es klaenge nach 16HP.
Ulf, erstmal: Danke!
Endlich auf laut.de eine Bio und dazu jetzt eine sehr gute Rezension einer sehr guten Platte eines sehr guten Künstlers, verdient hat er's allemal.
Hast die Songs sehr schön beschrieben. Der erste Höhepunkt ist für mich allerdings schon Horsetail. Die knorzige Country-Gitarre, und dann diese Steigerung und Harmoniewechsel am Ende reisst mich irgendwie absolut mit: "he bring the whirlwind to scatter your fire, you cannot reach him, no, not from your tallest fire!"...ganz großes Kino.
Die Ähnlichkeit zu American Wheeze mit diesem shuffligen Akkordeon im Kracher White Knuckle Grip ist mir auch aufgefallen. Obwohl ich AW doch noch einen Tick besser finde, es ist noch etwas schneller und flockiger gespielt, weniger "noisig" als WNG. Aber der "Noise"-Stil hat auch was für sich. Sein Gesang bei diesem Lied erinnert mich irgenwie dabei an Springsteen, weiß nicht warum, aber ist so, wahrscheinlich weil es doch sehr "heiser" rüberkommt. Aber Bruce ist ja auch keine schlechte Referenz.
Mit dem dramatischsten Song, dem nahezu "gepredigten" Kingdom Of Ice seh ich genauso wie du.
Da kommt der "Wahnsinn" wirklich rüber. Aber Genie und Wahnsinn (in positiven Sinne) liegen ja auch nahe beieinander.
Denn genial ist es, auch experimentell gewagt mit den Tempowechseln. Es wundert mich nicht, dass es Progressive-Rock Seiten gibt die sogar Wovenhand listen (als "Prog Folk")
Iron Feather find ich auch zu traurig schön um wahr zu sein. Allerdings gibt es schon sehr ähnliche Lieder auf früheren Cds, so dass es mich nicht unbedingt überrascht hat. Es ist dann eher der erwartete (hohe) Standard.
Als ich Kicking Bird auf der MySpace-Seite hörte, dachte ich 100ig das würde der Opener. Absoluter Hammersong, leider zu kurz - aber vielleicht auch gerade deswegen so gut. Erst wird man richtig weggeblasen und dann ist schon wieder Schluß. ..Und was für eine Hammer-Perkussion. Sehr guter Drummer.
Ich hör den Song gern im Auto und drück dann nochmal extra aufs Gas.
Da können sich an Dynamik und "Noise" auch die ein oder andere Metalband noch was abgucken
Interessant ist, dass es (laut booklet) ein alter "Indianersong" ist. Es zeigt mal wieder, dass Edwards aus sehr vielen traditionellen musikalischen Bereichen seine Einflüsse bezieht (man denke nur an "Winter Shaker", ein weiterer Song mit Native American Thematik).
In früheren Alben schlägt er ja auch ja mal mittelalterliche Töne an. Vielleicht felht mir das noch etwas auf der neuen CD. Ist aber auch nicht so schlimm.
Mit Quiet Nights.. hatte ich erst meine Probleme. Sehe es jetzt aber mittlerweile so, dass es einen wunderbaren Kontrast darstellt, gerade weil der Rest der LP so "noisy" ausfällt.
So jetzt habe ich wieder Lust bekommen, ich glaub ich leg die Platte gleich mal wieder ein.
hi feary,
"prog folk"?
das ist ja knuffig.
mal ne echt originelle schublade. hab ich nie vorher gehört.
@matze73 (« Du stellst denn Anspruch da zu hoch.
Ich sehe es eher als Verschnaufpause.
Luft holen!
Hidden inside him
Music in the dark
Dein easy listening Vergleich verstehe ich nicht wirklich.
Der Song tut nicht weh. Eher eine Atempause.
Und die braucht man ja auch! »):
okay, wenn du den Song im Kontext des Albums siehst, versteh ich das
Aber was ist mit dem Song für sich allein genommen? Ein Song muss meineserachtens auch außerhalb der chronologischen Setlist des Albums als Einzelwerk Bestand haben können.
(ich nehme reine progressive/artrockige Konzeptalben mal aus, finde auch nicht dass Ten Stones ein reines Konzeptalbum ist)
versteh dich gar nicht feary,
für mich ein geiler cocktail auf italowesterncountry und staubigem preacherman gestus.
wenn er in der 2. hälfte mit seinem eigenen backing-vocal geheule ins duett steigt, geht das intensiv rein.
klar mehr ein 3p song als ein 5p song.
und wie matze schon sagt. ideale verschnaufpause zwischen dem meilensteinen "not one stone" und "iron feather".
das lockert den spannungsbogen so schön auf.
@dein_boeser_Anwalt («
klar mehr ein 3p song als ein 5p song. »):
das meinte ich ja, ist ja auch eher jammern auf hohem niveau