laut.de-Kritik
You shall not pass!
Review von Manuel BergerVier Tracks, über eine Stunde Spielzeit: Nicht schlecht, Herr Specht. Doomgewalze vom Feinsten, also. Dass YOB mit Eingängigkeit auch auf ihrem siebten Longplayer nichts am Hut haben, dürften sie bereits damit ausreichend klargestellt haben.
"I'm to wake up", verkündet Religionsphilosoph Alan Watts. Dann beginnen schwebende Akkorde die Traumwelt aufzulösen, in der er sich zu Beginn des Albums noch befindet. "Clearing The Path To Ascend": den Weg freiräumen, um aufzusteigen, frei übersetzt. Nichts anderes tun YOB im Folgenden.
Ein anfänglich noch schlafendes Wesen erhebt sich träge und bahnt sich seinen Pfad durch die Dunkelheit. Es klammert sich an den schwachen Schimmer eines in der Ferne zu erahnenden Lichts. Ein Dämon in der Unterwelt, der mit jedem Schritt Richtung Freiheit tiefer in seiner eigenen Hoffnungslosigkeit versinkt.
Über geschlagene siebzehn Minuten erstreckt sich das erste Monument der Finsternis namens "In Our Blood". Massive Doomwälle ragen aus felsigen Gebirgsketten, in deren Schatten sich gebrochene Kreaturen voranschleppen, auf der Suche nach der Wirklichkeit. Im Ohr die allgegenwärtige Stimme Watts', der über deren Ungewissheit philosophiert.
Sänger Mike Scheidt wechselt die Position zwischen niedergeschmettertem Glaubenszweifler und zornerfülltem Titan. Von verzweifeltem, fast femininem Klargesang bis hin zu erschütternden Growls ist alles dabei. Seine Gitarre zeigt dieselbe Variabilität: Im einen Moment schafft sie mit spartanischem Noteneinsatz und jeder Menge Hall die düstere Grundatmosphäre. Dann bricht das Riff in Form eines tonnenschweren Felsens vom Gipfel eines Berges, donnert ins Tal und walzt alles und jeden nieder.
Zwischenzeitlich blitzt das Licht in Gestalt vager Harmonien auf, im nächsten Augenblick schiebt sich eine farblose Wolke vor dessen Quelle. Doch eigentlich will man gar nicht zur Helligkeit durchdringen. Hervorragend lässt es sich in YOBs Irrealitätsentwurf aus Depression, Gottlosigkeit, vollkommener Ödnis und Nichts schmoren. Vielleicht erlaubt die Akzeptanz dessen den Aufstieg zur wahren Erleuchtung.
Mit dieser Erkenntnis schwingt sich der Neunzehnminüter "Marrow" zur abschließenden Hymne auf. Ungefähr die Hälfte der Komposition widmen YOB der Ausarbeitung eines einzigen Themas, das stellenweise nahezu euphorisiert anmutet. Nach dieser Offenbarung erfolgt im zweiten Teil die wohlverdiente Himmelfahrt, und die Sonne kriecht langsam unter schwindenden Nebelwänden hervor.
YOB legen mit "Clearing The Path To Ascend" ein Opus vor. Besonders Vordenker Mike Scheidt glänzt mit seiner stimmlichen Bandbreite. Die Instrumente strotzen vor unbändiger Kraft und innerer Zerrissenheit gleichermaßen. Trotz ausufernder Länge vermeiden die Stücke jegliche Langeweile. Die Straße ist nicht mehr versperrt. Aber, verehrte Doomliebhaber: You shall not pass YOB!
3 Kommentare mit einer Antwort
Das Album ist gewohnte YOB-Qualität. DAS Album der letzen Zeit haben für mich allerdings Keeper mit MMXIV rausgehauen, absolut überkrank.
Das letzte YOB Album hatte solch einen heftigen Sound, solch eine schier undurchdringliche Wall of Noise, dass selbst ich als Metalhead 'ne gute Weile brauchte, um mich daran zu gewöhnen. Hier wird definitiv mal reingehört.
Ok, ich muss sagen, Tracks 2 und 3 sind solch absolute Bretter mit epischen Melodien, Album wird gekauft.
Ich kann dir noch das Lumbar-Album "The First And Last Days Of Unwelcome" ans Herz legen, einem Nebenprojekt von Scheidt aus diesem Jahr.