laut.de-Kritik

Heute Tonka, morgen Charts.

Review von

Es ist wieder so weit: Eine neue neue Rapgeneration steht in den Startlöchern. Kids, die mit 12 Future gehört haben, die mit Soundcloud 2016 keine neue Generation, sondern nur den Mittelstufen-Sommer ihres Lebens verbinden und für die Lil Uzi Vert oder Lil Yachty legendäre Veteranen darstellen. Rage hat man ihren Sound getauft, der seit dem Release "Whole Lotta Red" von Playboi Cartis von Leuten wie Trippie Redd, Young Kayo oder Ken Car$on weitergesponnen wurde. Gerade führt aber Yeat die ganze Bewegung an. Schon mit dem dritten Album über eine Stunde verteidigt er seinen Sound, der ihm Cosigns von Drake und The Weeknd eingebracht hat.

Im Grunde ist das nichts, was nicht schon einmal dagewesen wäre. Yeats Stimmlage wird oft mit Young Thug verglichen, und auch wenn es stimmt, dass sie zumindest auf philosophischer Ebene ähnlich mit Beats umgehen – die Stimme als Instrument, der Fokus auf die Adlibs, die tausend Flow-Switches – klingt das Endprodukt doch fundamental anders. Erstmal: Aufs erste Hören klingt Yeat fürchterlich. Unharmonisch klotzt seine Autotune-ertränkte Stimme über die Produktion, aber mindestens ebenso bescheuert klingt der Blödsinn, der er erzählt. Thugger war ja immerhin als Lil Wayne-Kind irgendwo immer bemüht, clever zu sein, Yeat schielt von vornherein einfach nur auf die Memes.

Deswegen wird uns hier auf gefühlt jedem Song nähergebracht, dass er Tonka fährt (eine Art sehr großer Mercedes-Truck), dass er mit den Taliban chillt, dass er twizzy ist und überhaupt sehr viele Drogen nimmt. Vielleicht haben wir Deutschen es hier sogar etwas einfacher, denn zufällig kommt er mit seinem Ansatz recht nah an das, was wir 2015 mangels besseren Wissens Cloud Rap genannt haben. Irgendetwas von der mehr-oder-weniger-ironischen Rapstar-Fantasia von unseren Trap-Pionieren spiegelt sich auch in diesem Gernegroß-Weißbrot, das wirklich mit aller Gewalt versucht, seine Ästhetik und sein Vokabular an den Mann zu bringen.

Aber trotzdem wirkt er nicht wie direkt aus dem Seminar für Viral-Marketing gestolpert. Das hier ist kein Oliver Tree und auch kein Major-Produkt. Denn selbst, wenn dieses Tape eine Stunde lang relativ gleich klingt, wird es doch irgendwie im Hinterkopf bleiben. Denn trotz aller unbeholfener Vergleichspunkte, muss man am Ende doch eingestehen: Das hier hat man noch nie gehört. Je mehr man es zu vergleichen versucht, desto mehr merkt man, wie schwer das ist. Ja, in vielerlei Hinsicht mag er schlechter als seine Vorbilder sein. Aber doch gleichzeitig auch sehr dezidiert anders. Seine Stimme, sein Flow, sein Humor - er hat das ganze Paket und seine ganz eigene Welle. Und die Geschichte ist diesen Weirdos im Nachhinein oft günstig.

Wir müssen an der Stelle auch über Rage reden. Das Subgenre identifiziert man eigentlich ja eher mit Post-Travis Scott und Post-Playboi Carti-Trap-Beats, die Elemente von Pi'erre Bourne, F1lthy und Mexico Dro für einen besonders verstrahlten, synthetischen Soundcloud-Sound auf die Spitze treiben. Was aber erfahrungsgemäß eher als Moshpit-Starter gedacht wird, klingt hier vor allem erschöpft. Das Tempo liegt niedrig, fast alle Beats greifen auf ähnliche Sound-Pools zurück. Chiptune-Synthesizer, Free-VST-Glocken, digitale Bässe. Die Grooves klingen zurückhaltender als auf einem Trap-Album. Vielmehr fühlt das ganze Tape sich geometrisch und repetitiv an.

Wir haben es also mit Xanax-Gedöse zu tun, eine Stimmung, die man auch bei Leuten wie Gunna oder Nav so antreffen würde, aber Generation Yeat hat alle Samples und alle organischen Sounds aus der Klangkulisse verbannt. Songs und Vocals klingen technisch steril und clean – und doch erzeugt Yeats Präsenz eine Rawness, die man nicht unterschätzen sollte. Es fällt auch schwer, einzelne Songs hervorzuheben. Die Erfahrung dieses Albums scheint wirklich eher auf das Erschlagenwerden von der einen Stunde Synthetik-Rausch festzulegen. Hervorstechen wollen nur die triumphale Synth-Melodie und das Thugger-Feature auf "Outside" und der explizite Banger "Still Countin", auf dem die Carti-esken Adlibs und der "Stop Breathin"-Flow die Einflüsse klarer betonen und ein härterer Bass den Song aus dem Rage-Koma aufschreckt.

Um ehrlich zu sein: Ich habe keine Ahnung ob es gut oder schlecht ist. Die meiste Zeit habe ich es nicht so richtig gefühlt. Aber trotzdem krieg ich dieses ganze Tape und diesen ultra-komischen Typen nicht aus dem Kopf. Und immer mal wieder erscheint mir dieser Moment, in dem alle Elemente sich zusammenfügen und ich komplett verstehe, was das alles soll. Ich glaube nicht, dass "2 Alive" ein zukünftiger Klassiker sein wird, aber ich glaube, es ist ein verdammt interessanter Blueprint. Außerdem: Die Erfahrung zeigt, dass wenn man exzessiv die Frage stellen musste, ob etwas jetzt gut oder schlecht ist, man es wahrscheinlich nicht so bald los wird. Wenn dieses Weißbrot seinen viel zu großen Tonka morgen in die Charts crasht, dann sollten wir uns wohl besser heute schon daran gewöhnen.

Trackliste

  1. 1. Poppin
  2. 2. Outside (feat. Young Thug)
  3. 3. Real Six
  4. 4. Nvr Again
  5. 5. Luh Geek
  6. 6. Rackz Got Me (feat. Gunna)
  7. 7. Double
  8. 8. On Tha Line
  9. 9. Jus Better
  10. 10. Jump
  11. 11. Dnt Lie
  12. 12. Rollin
  13. 13. Taliban
  14. 14. Narcoticz (feat. Young Kayo)
  15. 15. Call Me
  16. 16. Cant Die
  17. 17. Geek High (feat. Ken Car$on)
  18. 18. Luh M (feat. SeptembersRich)
  19. 19. Smooktober
  20. 20. Still Coutin

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LAUT.DE-PORTRÄT Yeat

Dass 2015 oder 2016 in den großen Soundcloud-Weiten ein Typ mit dem Namen Lil Yeat auftaucht, entspricht ungefähr einem Moskito in einem Bombenhagel.

2 Kommentare

  • Vor 2 Jahren

    Sehe ihn gar nicht mal so als Meme Rapper. Klar manche Lines gehen schon stark in die Richtung was vermutlich auch daran liegt dass er fast alles freestylt. Find das Tape und den Vorgänger aber eigentlich ziemlich dope. Und er hat schon einige Banger. Es ist halt das Phänomen wie mit Carti. Die banalen Lyrics über Drogen mit seiner monotonen und teils abstrakten Vocal Performance zieht einen einfach in den Bann. Das Tape ist wie ein 1stündiger Rausch und schwer definierbar. Gibt trotzdem nur 3/5 weil es für diese Länge doch zum Ende hin etwas sehr monoton wird.

  • Vor 2 Jahren

    Danke und nun als nächstes Uno the Activist bitte, zurzeit mein Liebling im Rage-Sound-Subgenre.