laut.de-Kritik

Ein roher, erdrückender Zwischenschritt.

Review von

Es ist schwer einzuordnen, wo Yung Lean derzeit in der Hip Hop-Landschaft steht. Einerseits hat er ihn so maßgeblich beeinflusst, dass an einen Juice WRLD oder XXXTentacion in dieser Form ohne "Hurt" oder "Yoshi City" gar nicht zu denken wäre. Zum anderen hat er sich mit dem Verlust seines Meme-Faktors und der damit eingeschlossenen Aufmerksamkeit der Massen zunehmend zu einem einzigartigen, handfesten Künstler gewandelt, der mehr als nur einen eingängigen, absurden Cloud Rap-Hitsong vorweisen kann.

Wie zum Beispiel sein letztjähriges Album "Stranger", das psychedelischen, verwaschenen Hip Hop um Referenzen auf japanischen Horror oder Lovecraft-Dystopien konstruiert hat. "Stranger" war kein kommerzieller Treffer, aber ein Achtungserfolg, mit dem er zumindest die Musikpresse positiv stimmen konnte. Ein Ergebnis, das er mit "Poison Ivy" wieder umkehren zu wollen scheint, immerhin klingt das acht Tracks starke Projekt deutlich roher und undefinierter als sein Vorgänger.

Weg sind die etwas ambitionierteren Trackkonzepte, weg sind die höher gegriffenen Referenzpunkte. Auf seinem neuen Mixtape klingen die Lyrics wieder einen guten Schlag formloser und generischer, dafür der Sound generell aber noch einen Tick abgefahrener. Schon der Einstieg "Happy Feet" scheint an die "Stranger"-Standout-Single "Agony" anzuknüpfen und mit schlammigen Piano-Samples tiefschwarze, taube Melancholie auszudrücken.

Es ist ein anstrengendes, fast taubes Projekt, aber in dieser Hinsicht erfrischend konsequent. Songs wie "French Hotel" oder "Trashy" setzen komplett auf die Dichte einer modernen Trap-Wall-Of-Sound, die Samples und Soundkulissen bleiben dabei originell und vielseitig. Zwischendurch tauchen mit "Silicon Wings" oder "Sauron" klangliche Elemente auf, die fast ein bisschen an die MIDI-Ästhetik des Witch House-Genres erinnern.

Die klanglichen Experimente liegen also bei Weitem nicht fern von Leans bekannter Komfortzone, entfalten durch die Rohheit und Spontanität der Produktion eine erdrückende, packende Wirkung. Es wäre gelogen zu sagen, das Projekt würde deshalb nicht trotz zwanzig Minuten Spielzeit eine gewisse Länge entwickeln, aber gerade das sorgt für die gewisse Spannung, die "Poison Ivy" unterliegt.

Vielleicht ist gerade diese Verweigerung, seine Musik zugänglicher zu machen, mit der Yung Lean hier seine Treue zu seinen Internet-Wurzeln ausdrückt. Betrachtet man Singles wie "Ropeman" oder "Happy Feet" vereinzelt, bleibt besonders im Kopf, wie verloren die Vocals im schlammigen Mix der Songs schweben. Unangepasst, nur bedingt harmonisch, der passendste Referenzpunkt in seinem Katalog wäre wohl ein Song wie "Hoover". Aber die Kombination aus Leans eigenbrödlerischen Ausstrahlung und den Untergrund-affinen Trap-Trips der Instrumentals überzeugt in der Kombination überraschend deutlich.

Natürlich sollte dieses Projekt nicht unbedingt den Einstieg in den Katalog des schwedischen Rappers darstellen. Weder hat es die Hits wie "Unknown Death", noch die musikalische Raffinesse von "Stranger". Es ist ein Projekt irgendwo dazwischen, das sich wieder deutlicher zu seinen Verflechtungen mit der Sad Boys-Crew bekennt und dennoch nicht ganz vom angedeuteten Pfad auf "Stranger" abweicht. Es ist ein vignettenhaftes, erdrückendes Projekt, das in einem kurzen, schwarzen Schwall in Ästhetik und Stimmung von Yung Lean einlädt, aber durch diese Formlosigkeit auch schwer zu greifen fällt. Für Fans des Rappers deshalb definitiv empfehlenswertes Backenfutter vor dem nächsten großen Schritt nach vorne.

Trackliste

  1. 1. happy feet
  2. 2. friday the 13th
  3. 3. french hotel
  4. 4. silicon wings
  5. 5. ropeman
  6. 6. trashy
  7. 7. sauron
  8. 8. bender++girlfriend

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