Porträt

laut.de-Biographie

Yung Lean

Seit Mitte der 2010er Jahre tauchen zusehends sehr junge Künstler in diversen Musikszenen auf, die nicht nur über das Internet bekannt werden, sondern deren Hauptinspiration das Internet an sich darstellt. Die Allverfügbarkeit von Information, globalen Sounds, Beats und Melodien prägt eine Generation von Digital Natives so nachhaltig, dass man von einem Paradigmenwechsel innerhalb des Popsujets selbst sprechen kann.

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Diese Digital Natives verabschieden sich von der Idee des Authentischen und suchen ihre künstlerische Stimme im hypereklektischen Ideenpuzzle des Netzes. Über den Rückgriff auf Symbole bestimmter Stile, über Mode, Accessoires, Gesten und Jargon suchen sie die Annäherung an den substanziellen Kern.

Während sich innerhalb der elektronischen Spielarten Künstler wie Daniel Lopatin auf diese (häufig nostalgisch geprägte) Metaebene begeben, spielen semidadaistische Cloud Rap-Künstler wie Lil B innerhalb des Hip Hop-Genres eine zentrale Rolle. Junge deutschsprachige Cloud Rap-Importeure wie Hustensaft Jüngling werfen spannende Fragen zur Übertragbarkeit von kulturellen Phänomenen und zu globalisierter Urheberschaft auf.

"Bei Hip Hop ging es bisher immer darum, real zu sein, indem man angeblich die Realität wiedergibt", beschreibt Yung Lean-Produzent Yung Gud im Interview. "Bei Metal zum Beispiel ist es dagegen völlig legitim, über etwas zu singen, das du nie erlebt hast. Wir wollen als Hip Hop-Act aber auch einfach eine Fantasiewelt aufbauen."

Yung Lean aus Stockholm gehört mit seiner Posse Sad Boys seit etwa 2010 zu den Pionieren dieser Cyberculture-Bewegung. 50 Cent bringt Lean, der bürgerlich Jonatan Leandoer Håstad heißt, zum Hip Hop. Lean schließt sich mit den Produzenten Yung Sherman und Yung Gud zu den Hasch Boys zusammen.

Aus jener Formation geht etwa zwei Jahre später die Gruppe Sad Boys hervor. Ganz im Sinne von Musikern im Informationszeitalter referiert nicht nur den Bandname auf die Boygroup-Phänomene der 1990er, auch der Faktor Nostalgie kommt bei den "traurigen Jungs" aus Schweden nicht zu kurz. Stichwort: Ennui.

So fokussiert die Post-Rap-Gruppe, die 2013 mit dem Track "Ginseng Strip 2002" viral geht, auf kulturelle Ikonen einer Zeit, die die gebürtigen Mittneunziger selbst teils gar nicht bewusst durchlebt haben. Neben Drogen und Konsumgütern prägen insbesondere asiatische Einflüsse aus Spielzeug- und Videospielkultur wie Digimons oder die Nintendo64-Konsole das Vokabular. Jener Wortschatz dient wiederum zur Vermittlung eines Gefühls des Unverortetseins.

Yung Lean - Starz
Yung Lean Starz
Sadboy, gefangen in der Dauerschleife.
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Wie Chillwave und Vaporwave macht auch der Cloud Rap das Aufwachsen innerhalb der ahistorischen Parameter des Digital Age zum Hauptthema. So nennt MC Yung Lean sein Debüt-Mixtape in 2013 "Unknown Death 2002" - mit der Begründung, dass "die Jahre 2001, 2002 und 2003 vermutlich die weltgeschichtlich betrachtet emotionalsten Jahre" gewesen seien.

Stilistisch setzt Yung Lean konsequent auf die Mixtur aus Autotune, unheilschwanger verlangsamten Bässen und Synthieflächen, die DJ Screw, Lil B und Clams Casino bereits einige Jahre zuvor zu Ruhm verholfen haben. Mit den Sad Boys tourt der Schwede durch nordamerikanische und europäische Städte, bevor er im Herbst 2014 sein reguläres Debütalbum "Unknown Memory" über den Indie Sky Team veröffentlicht.

Håstad selbst listet neben Internetmemes die Hip Hopper Future, Gang Starr und J Dilla als Inspiration. "Ich habe aber eigentlich keine Idole, weil ich nie bei einem Ding hängenbleiben kann ..." Bald weist Yung Lean selbst Features mit US-Rappern wie SpaceGhostPurrp, Travis Scott und Denzel Curry vor.

Mit den Alben "Stranger", (2017) und "Poison Ivy" (2018) wandelt sich Yung Lean in den folgenden Jahren vom Rap-Meme zum Meme-Rapper zum Genre-Vorzeigekind, mit "Starz" erstarrt er 2020 schießlich in seiner eigenen Pose.

News

Alben

Yung Lean - Starz: Album-Cover
  • Leserwertung: 3 Punkt
  • Redaktionswertung: 2 Punkte

2020 Starz

Kritik von Kay Schier

Sadboy, gefangen in der Dauerschleife. (0 Kommentare)

Yung Lean - Stranger: Album-Cover
  • Leserwertung: 5 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2017 Stranger

Kritik von Yannik Gölz

Vom Rap-Meme zum Meme-Rapper zum Genre-Vorzeigekind. (0 Kommentare)

Surftipps

1 Kommentar mit 5 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Cloudrap Legende.

    Hatte mir so gewünscht, dass sein letztes Album ein Meilenstein wird.

    Aber seit seinem Absturz und Fast-Tod spricht mich seine Musik nicht mehr so durchgehend an, wie das vor ein paar Jahren noch der Fall war. Ob das eine mit dem anderen zusammenhängt? Keine Ahnung. :(

    • Vor 6 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 6 Jahren

      Ich hatte glaube ich nur den Leak gehört und war zu dem Zeitpunkt enttäuscht. Die Singles gefielen mir auch alle nicht so, aber hatte womöglich zu hohe bzw. unpassende Erwartungen.
      Habe mir das Ding bereits im Zuge meines letzten Posts nochmal in den Player geschoben und werde es mir die Tage nochmal in Ruhe geben.

    • Vor 6 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 6 Jahren

      Ja, kenne ich, sehr informativ und größtenteils auch gut, der Artikel, nur an manchen Stellen stört mich die Haltung, die durchschimmert, enorm. Dieser Feuilletonhabitus bzgl. seines Frühwerks z.B., zum Kotzen, noch schlimmer dann das komische Weltbild, man müsse anno 20xx noch irgendwie dunkelhäutig sein oder noch besser: aus Amerika kommen, um HipHop "Insider" zu sein und sich als weißer Europäer selbstverständlich dafür rechtfertigen. Für sowas habe ich absolut kein Verständnis.

      Und ach, danke für den Tipp mit der Drain Gang, auch wenn ich dahingehend erstmal nichts erwarte, bevor ich es gehört habe. :D

    • Vor 6 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.