laut.de-Kritik
Deep House in seiner dunkel-verzerrten Ausprägung.
Review von Johannes JimenoTeilnahme am erlauchten Cercle-Stream im Skigebiet "Hakuba Iwatake" im japanischen Nagano, neue Merchandise-Linie, eigene Fashionshow "I Admit It Experience" mit selbst entworfener Kleidung: es könnte definitiv schlechter laufen für Zhu. Der mysteriöse DJ, dessen Gesicht mittlerweile bekannt ist, schaut auf ein erfolgreiches Jahr zurück und ist derzeit sogar in aller Munde aufgrund der zum Meme mutierten Club-Szene in der Folge "Power Broker" der Marvel-Serie "The Falcon And The Winter Soldier", weil Daniel Brühl zu Zhus zwei Jahre alten Song "Came For The Low" wie ein steifer Zinnsoldat tanzt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis aus all dem eine neue LP entsteht. Mit "Dreamland 2021" führt er uns in seine Klangwelt, die er bedrückender als sonst fortsetzt.
Zhu steht nach wie vor für eleganten, opaken Deep House mit Falsett-artigen Vocals, der sich anschmiegt und sowohl im Club als auch in einer noblen Cocktail Lounge funktioniert. Mit verdammt lässigen E-Gitarren-Einspielern, Piano-Klängen und unverkennbaren Synthies verziert er seine in Dunkelblau gehaltenen Tracks und sticht aus der Masse hervor. Steven Zhu dreht dieses Mal gewaltig an den Reglern und fügt seinem Kosmos eine unfriedliche Ebene hinzu.
Sofort hörbar im Eröffnungstrio "Lost It", "Distant Lights" und "Blue Dream", die mit schweren Bässen bratzig und düster daherkommen, flankiert von schrägen Melodien. Ein bedrohliches Szenario, das er mit gewohnter Coolness am Mikrophon heraufbeschwört. Apropos cool: "How Does It Feel" mit Compton-Rapper Channel Tres ballert als astreiner Clubhit durch die Boxen, Zhu entzündet abwechslungsreiche Spielereien und variiert das Tempo.
Generell bleibt die Wahl der Feature-Gäste traditionell unprätentiös, nur selten kooperiert er mit bekannteren Künstlern wie etwa Tame Impala oder 24kGoldn. Auf "Dreamland 2021" tummeln sich mit Yuna, Arctic Lake, Tinashe, Partywithray und Kota The Friend weitere mehr oder minder Unbekannte, die sich dem DJ weitestgehend anpassen und nicht weiter auffallen. Sie geben dem Ganzen jedoch eine zusätzliche Note.
Musikalisch clever stellt der US-Amerikaner aus San Francisco diametral liegende Elemente nebeneinander, so dass er stets interessant bleibt. Dem anfänglich als Piano-Ballade getarnten "Sweet Like Honey" widerfährt ein pulsierender Beat samt schrillen Sounds, und Zhu singt tatsächlich einmal in normaler Stimmlage. In "Yours" spielt er melancholische Klaviernoten über einen gnadenlos peitschenden Beat, während er im letzten Drittel den Song anschwellen lässt inklusive E-Gitarre. Im staubtrockenen "Zhudio54" fräsen sich herunter gepitchte Vocals hindurch und skandieren "Fashion on the floor tonight". Das heimliche Highlight "Soco" toppt hingegen alles: Ein verschrobenes Innehalten inmitten des Tanzveranstaltung, hallende Versatzstücke plus Drone-Sounds und eine gen Ende in düsterer Atmosphäre erklingende, absolut geile Bassline.
Ausfälle gibt es nicht zu beklagen, allenfalls drei Schwachstellen. Die Vorab-Singles "Sky Is Crying" und "Only", bei der Zhu viel zu sehr im eigenen Standard bleibt und Dienst nach Vorschrift leistet. Das softe "Good4U" bricht zwar nach zwei Minuten noch lautstark aus, kaschiert aber nicht den drögen Rest des Songs.
Mit dem Distortion-Biest "I Need That", bei dem dissonante Synthies die Gehörgänge zersägen, beendet Zhu sein dunkles "Dreamland 2021". Ein stringent und durchdacht produziertes Machwerk, das sich von seinen Vorgängern gekonnt abhebt. Auf seinen EPs tobt er sich gerne aus, auf Albumlänge folgt er einem klaren Motto. Das diesjährige Traumland erweist sich als ein schwarzes, verzerrtes, von grellem Stroboskop-Licht durchzogenes Land, in der man gerne verweilt.
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