laut.de-Kritik
Bielefelder Ü-60-Salsakurse werden frohlocken.
Review von Kai ButterweckEin Aufnahmestudio mitten in Havanna, mehr als ein Dutzend Ausnahmemusiker aus der Karibik und reichlich qualmende Zigarren: in diesem Jahr erfüllte sich der italienische Würfelzucker-Baron Zucchero endlich einen lang gehegten Jugendtraum. Mit "La Sesion Cubana" verneigt sich der italienische Räucherbarde vor seiner zweiten, schon seit Jahrzehnten lodernden Liebesflamme: der Musik aus der lateinamerikanischen Ferne.
"Dieses Projekt ist ein Trip von New Orleans nach Kuba, mit Zwischenstopps in Mexicali. Eine tanzende Verschmelzung von Latin-, Kuba- & Tex-Mex Sounds und Rhythmen. Hasta l'asta siempre", so der kantige Joe Cocker aus Roncocesi.
Man merkt ihm die Begeisterung bereits beim Opener "Nena" an, auch wenn die Latin-Belegschaft im Hintergrund eher an die Abschiedsvorstellung des James Last-Orchesters erinnert, als an eine verqualmte Horde kauziger Musikschaffender aus dem Herzen Kubas.
Das anschließende "Baila (Sexy Thing)" bewirbt sich mit poppigen Bläsern und stoischer Struktur ebenfalls eher für die Hintergrundbeschallung eines Bielefelder Ü-60-Salsakurses.
Erst mit "Un Kilo" schließt sich der Background in punkto Leidenschaft und Feuer dem Treiben des Mannes an vorderster Front an. Der erste Anflug von rhythmischen Bewegungsspielen unterhalb der Hüfte wird jedoch auf "Never Is A Moment" jäh wieder gestoppt. Urplötzlich quillt massenhaft Honig aus den Boxen. Völlig überzuckert verlassen die alteingesessenen Kuba-Stars das Studio und lassen Zucchero allein zurück. Dem fällt nichts Besseres ein, als schmachtenden Powerpop in den Äther zu jagen, für den hierzulande gerne Leute wie Nino De Angelo und Howard Carpendale quer über die Straßen gejagt werden.
Und dann auch noch die hundertste Version von "Guantanamera"? Doch der Schrecken hält sich in Grenzen, denn Zucchero verpasst der antiquierten Guajira-Melodie einen verblüffend neuen Anstrich, ohne sich allzu weit von der Basis des Originals zu entfernen. Das war's dann aber auch schon, denn trotz flächendeckender Bingo Bongos, reichlich gezupfter Latin-Gitarren und furiosem Trompetengetöse finden die Beteiligten des Projektes nicht so recht zueinander.
Das liegt zum einen am oft ins Poppige abdriftenden Geschunkel hinter dem Mikrofon, zum anderen an dem gegen Ende immer lebloser werdenden Hauptdarsteller. Das fast schon operettenhafte "Ave Maria No Morro" schlägt dem Fass kurz vor Schluss endgültig den Boden aus.
Ob eigenes Material oder Fremdeigentum: Zuccheros Karibik-Ausflug mangelt es vor allem an basisorientierter Authentizität. Zu einstudiert und maßgeschneidert klingt das Gesamtpaket. Manchmal ist es im Leben für alle Beteiligten besser, wenn nicht jeder Wunsch in Erfüllung geht.
Noch keine Kommentare