laut.de-Biographie
257ers
"Wir haben Schwänze, wir haben Ninjas, wir haben Spinat." Nö, der Variantenreichtum der 257ers lässt wirklich kaum Wünsche offen. An der Einigkeit innerhalb der Crew können die rappenden Herren aus Essen dagegen noch arbeiten:
"Wir wollen nicht real sein", findet Keule. Shneezin: "Doch!" - "Aber real sein ist scheiße! Da könnt' ich ja nicht behaupten, dass ich fliegen kann." - "Ich KANN fliegen!"
Auf Wortwechsel dieser Art sollte sich besser einstellen, wer sich mit den 257ers befasst. Mit ihnen ein auch nur ansatzweise ernsthaftes Gespräch zu führen: ein echtes Kunststück. Bei rap.de haben sie es fast geschafft.
Dort entlockten sie Mike eine Einlassung, die das Werk seiner Combo halbwegs angemessen überschreibt: "Wenn man einen Funken Anstand hat, hört man eigentlich, dass ihn unseren Texten ALLES Ironie ist."
Wer diese Typen ernst nimmt, ist wirklich nicht mehr zu retten, finden sie selbst: "Unsere Musik fühlt man nicht. Wer die fühlt, ist voll das Opfer."
Als Selfmade Records 2012 die 257ers als nächstes Signing neben den Labelzugpferden Kollegah und Favorite und dem Neuzugang Genetikk aus dem Hut ziehen, hat die Crew bereits eine mehrjährige Geschichte im Rücken.
"Ich kenn' Keule, seit der auf dieser Scheißwelt ist", erinnert sich Mike. "Shneezin kenn' ich fast genau so lange. Bei uns muss nix gefestigt werden." Die drei teilen sich erst den Sandkasten, drücken später gemeinsam die Schulbank und entdecken noch später ein zumindest leises gemeinsames Interesse an Graffiti.
Die Postleitzahl ihres Heimatortes, 45257 Essen Kupferdreh, liefert der Writer-Crew, die sich um 1997 formiert, den Namen. Die Sprüher-Aktivitäten liegen bald wieder auf Eis, die Schwerpunkte verlagern sich von Spraydose und Marker hin zum Mic.
Um 2006 erwecken einige Mitglieder das Projekt 257ers zu neuem Leben. "Wir haben das quasi adoptiert", so Keule gegenüber rap.de. Er, Mikroleader, Slax und Shneezin sind dabei. Später zählt neben Keule, Shneezin und Mike auch "Ehrenmitglied" Jewlz da Hoodwatcher zum Line-Up.
"Akk!" Im Windschatten des Crew-eigenen Schlachtrufs bringen die 257ers fortan "völlig behinderte Texte auf Scheiß-Beats" unters Volk. Gleich das erste Mixtape mahnt: "Mit Essen Spielt Man Nicht".
Die 257ers hingegen spielen mit allem und jedem. "Einfach bisschen lustig sein", erklären sie ihre Philosophie - mit bierernster Miene, versteht sich. "Deepe Musik machen, macht keinen Spaß. Wir sind die lustigsten Typen der Welt."
Ihr schräger Humor trägt ihnen immer wieder Vergleiche mit K.I.Z. ein. "Das ist nicht fair. Schon, weil die vier sind und wir sind drei." Auch mit Favorite liegen die Essener auf einer Wellenlänge. Auf dem Mixtape "Scheiß Auf Rappen" von 2008 absolviert der Kollege bereits einen Gastauftritt.
Daraus entspinnt sich eine dauerhafte Zusammenarbeit: Wechselseitige Feature-Parts und gemeinsame Touren folgen, ehe die 257ers irgendwann ebenfalls bei Selfmade unterkommen. Zu diesem Zeitpunkt umfasst ihre Diskografie bereits mehrere Mixtapes und EPs sowie die in Eigenregie aufgenommenen und vertriebenen Alben "Hokus Pokus" und "Zwen".
Erstaunlich eigentlich, dass alle Beteiligten nebenbei bürgerliche Existenzen aufbauen: Mike arbeitet als Einzelhandelskaufmann, Shneezin und Keule lassen sich zu Verfahrensmechanikern für Kunststoff- und Kautschuktechnik ausbilden. Bitte, was? "Wir basteln mit Plastik und Plexiglas." Allsklar.
Nach "Boomshakkalakka" kommt Mike und Shneezin der Dritte im Bunde abhanden: Keule steigt aus. Er wolle sich künftig stärker seiner Familie widmen. 2016 lassen die 257ers als Duo das Album "Mikrokosmos" folgen, das sich nicht zuletzt dank der mit Platin veredelten Single "Holz" zu einem großen Erfolg entwickelt.
Während sie die Bühnen der Republik weiterhin bespielen, reduzieren sie ihre Studioarbeit auf Minimum. Wie ihr ehemaliger Bandkollege konzentrieren sich die beiden sonst anarchisch auftretenden Rapper verstärkt auf das bürgerliche Familienleben.
Erst 2019 veröffentlichen sie mit "Alpaka" neues Material. Das poppige und mit der einen oder anderen politischen Botschaft garnierte Album bleibt hinter dem Erfolg der Vorgänger ein wenig zurück. "Wir hatten einfach mal Bock, richtige Songs zu machen und auch mal zu zeigen, dass wir nicht nur die Pappnasen sind, die mit Fantasiewörtern um sich schmeißen und raptechnisch vollkommen ausflippen", erklärt Shneezin im Interview.
Zum zehnjährigen Jubiläum ihres Debüts "Hokus Pokus" planen die Essener eine stilistische Rückbesinnung auf ihre Anfänge: "Wir sitzen jetzt gerade im Studio am nächsten behinderten Mutantenalbum." "Alpaka" erscheint im Mai. Im November schieben Mike und Shneezin noch "Abrakadabra" hinterher.
Das für alle grausige Jahr 2020 trifft die 257ers, bis dahin eine rege tourende Live-Combo, besonders hart. Abgeschnitten von Festivals und Publikum, besinnen sie sich auf das, was bleibt: das Internet. In ihrer Homebase in Essen-Kupferdreh stampfen sie diverse YouTube- und Twitch-Formate aus dem Boden und quasseln, streamen und frittieren sich dabei fast um den Restverstand.
Ein neues Album kommt dabei sogar auch noch heraus: "Hömma!" erscheint im Dezember digital - eine physische Version gibt es nur in der Box samt Trinkspiel. So lässt sich der Lockdown zwar auch nicht schön- aber doch wenigstens ein bisschen erträglicher saufen. Prost.
Am Ende des Tages bleiben die Ingredienzen des 257er-Gebräus aber ohnehin immer gleich: "Text, Beat, Abgehen."
1 Kommentar mit einer Antwort
ich und mein holz holzi holzi holz
Lösch dich!