laut.de-Kritik

Weiterentwicklung geglückt, ohne Synthesizer.

Review von

Von den 10.000 Ansichten zu "To Fix The Gash In Your Head", dem Großwerk von A Place To Bury Strangers der letzten 15 Jahre, stammen weiterhin ca. 8000 von mir. Nachdem ich "See Through You" vor zwei Jahren für ordentlich, aber etwas monoton befand, war die Freude ob der allseits begeisterten Live-Reviews auf das neue Album "Synthesizer" groß. Das liegt auch daran, dass das Trio in derselben Besetzung weitermacht und der von mir erwünschten Weiterentwicklung damit hoffentlich ein Boden gelegt ist.

Der Opener "Disgust" macht schon mal vieles richtig: Oliver Ackermanns beschränkte, sonore Stimme muss weiterhin damit leben, nicht mehr hinter Gitarrenwänden sprechen zu können, der Sound ist wie auf dem Vorgänger cleaner und strukturierter. Wie hier gleichberechtigt im Mix funktioniert sein Organ aber richtig gut. Der Song weist bandangemessene Lautstärke auf, Ackermann selbst treibt das Ding in Wellen voran mit einer Gitarre, die mehr an eine Kreissäge erinnert. Das Ehepaar Fedowitz, das an verschiedenen Stellen (v.a. John) Co-Songwriting-Credits bekommt, macht seinen Job, was im Ergebnis einen Industrial-Pop-Song ergibt.

"Don't Be Sorry" unterstreicht, wie gut die neuen Mittel dieser Band kombiniert mit Ackermanns altem Musikverständnis funktionieren. Das liegt an dessen Gespür für gute Riffs und Offenheit für Hooks. Heraus kommen The White Stripes auf böse mit weniger Theatralik im Gesang. Der namensgebende "Synthesizer" auf dem Cover ergibt ein funktionierendes DIY-Modell, in der Deluxe-Variante gar mit den dafür notwendigen Materialien, spielt auf dem Album jedoch eine viel untergeordnete Rolle als zu Vollkrach-Zeiten.

Erst auf "Fear Of Transformation" darf er den Boden bereiten, wird dann aber schnell beiseite gewischt von einem lange zu routinierten Track, der in der ersten Hälfte nicht Fahrt aufnimmt und sie dann kurzzeitig sogar wieder verliert. Wenn auf "Synthesizer" nichts los ist - was fast immer heißt, dass Ackermann nicht spricht oder seine Gitarre keifen lässt - dann ist meist tatsächlich nicht so viel los, denn ein magnetischer Sog gelingt dem Rhythmus-Paar selten, es beschränkt sich auf eine Zubringer-Rolle.

Auf "Join The Crowd" verbindet die gute Produktion Ackermanns Stimme mit einer stoischen Gitarre zu solch einem Sog; das Ergebnis ist ein zeitloser Post-Wave-Hit, den John Lydon richtig gut fände. Dann kommen die Albumhighlights der Mitte, denn wo "Bad Idea" ein Feuerwerk abzündet, das hochkompetent an alte Bandzeiten erinnert, ist "You Got Me" eine herzerwärmende Ode an Sandra, die erst durch ihre besoffene Liebestaumelei ihr volles Potenzial entfaltet.

"It's Too Much" ist genau das, da der windschiefe Aspekt von "You Got Me" so überdreht wird, dass sich das Ergebnis wie Probekeller anhört. Das überzeugt genau so wenig wie das fade "Plastic Future", auf dem schlicht zu wenig passiert, was die oben erwähnte Leere entblößt. "Have You Ever Been In Love" macht es wieder besser und nähert sich im Sound dem Beginn des Albums an, ohne dessen Niveau ganz zu erreichen, dafür fehlt dem relaxten Donnerwetter mit ganz leichtem Crescendo ein wenig die Souveränität.

Die bietet schlussendlich "Comfort Never Comes" mit einem feinen achtminütigen, meist instrumentalen Noise-Art-Pop, der gut zu diesem vielfältigen, fast immer unterhaltenden und manchmal brillierenden Album passt. A Place To Bury Strangers täten gleichwohl gut an einem vierten Bandmitglied, das Ackermann etwas Kontra und Anspielfläche bietet - vielleicht ja am "Synthesizer"?

Trackliste

  1. 1. Disgust
  2. 2. Don't Be Sorry
  3. 3. Fear Of Transformation
  4. 4. Join The Crowd
  5. 5. Bad Idea
  6. 6. You Got Me
  7. 7. It's Too Much
  8. 8. Plastic Future
  9. 9. Have You Ever Been In Love
  10. 10. Comfort Never Comes

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1 Kommentar

  • Vor einem Monat

    Vor paar Monaten noch im P8/KA gesehen und haben ma wieder in 60 Minuten alles in Flammen gesetzt, was andere mit der doppelten Live-Spielzeit nicht mal richtig angesengt bekommen. Auch einer der wenigen Acts, die deutlich mehr selbst gebaute Effekt-Geräte als Shirts am Merch-Stand zu haben schienen.

    Lohnt sich aufgrund des traditionell ins Publikum verlagerte Geschehen nach dem ersten Konzertdrittel jedes Mal - wer weiß, wie lange die das noch so durchziehen können.