laut.de-Biographie
A Place To Bury Strangers
Ein Ort, um Fremde zu begraben ... Was für ein Name! Der klingt allein schon nach wuchtigem Hammerschlag mitten ins Gesicht. Es gibt ein Meer zahlloser Combos, die viel versprechen, um nichts zu halten. Nicht so der New Yorker Bandchef Oliver Ackermann. So medienscheu der Komponist, Gitarrist und Sänger mitunter auch ist, so brachial gewittern seine Konzerte und Platten mit A Place To Bury Strangers.
Das für ihn und seine Fans Angenehme: Er muss sich keiner kommerziellen Vorgabe von Labels beugen. Niemand pfuscht ihm in seinen Sound, denn finanziell ist er absolut unabhängig. Als Gründer der weltweit angesehenen Effektpedalfirma Death By Audio beliefert der Soundmagier den Rockzirkus - unter anderem U2s The Edge - mit Effektpedalen. Die hier gewonnene Freiheit hört man seiner 2003 gegründeten Formation deutlich an.
Hemmungslos wildert Ackermann als Axeman und Songwriter in guten alten Indie-Gewässern der längst verblichenen 80er. Echter Krach über der Tinnitus-Grenze? Gern! Psychedelische Klänge mit Hall und Delay? Aber immer! Fette, wavige Bassläufe? Nur her damit! Wer jetzt spontan an Helden wie The Jesus And Mary Chain denken muss, irrt nicht. Wer Epigonentum vermutet, täuscht sich indes gründlich. A Place klingen weder anachronistisch noch lassen sie Eigenständigkeit vermissen.
Die ersten Shows der New Yorker geraten 2004 vor heimischem Publikum zu chaotischen Klang-Eskapaden. Sehr schnell gründet und festigt das Trio seinen Ruf als "the most ear-shatteringly loud garage/shoegaze band you'll ever hear" (Washington Post). Das selbstbetitelte Debüt schlägt 2007 in US-Alternative-Kreisen wie eine akustische Bombe ein.
Mit solch öffentlichem Wohlwollen im Rücken fällt es nicht schwer, von einem Big Player der Szene wie Black Rebel Motorcycle Club zu einer gemeinsamen Tour geladen zu werden. Diese Konzerte markieren einen Triumphzug von Ackermanns Truppe. Mit ihren typisch eruptiven Auftritten spielen sie BRMC glatt an die Wand.
Das bleibt nicht unbemerkt. Exzentriker Trent Reznor zeigt sich beeindruckt und holt die Band im Frühjahr 2008 für ein paar gemeinsame infernalische Gigs auf seine Nine Inch Nails-Tour. Im Herbst 2009 erscheint das ersehnte zweite Album "Exploding Head". Die Tracks zeigen sich gereifter, aber noch immer ungezähmt wie eh und je. Auf die Frage nach der Inspirationsquelle verrät Ackermann der Welt sein Geheimnis: "Naja, ich hab' einfach gedacht, was wir machen, ist cool."
Diese Coolness ist beileibe keine Eintagsfliege. Diverse EPs folgen. Doch erst der nächste reguläre Longplayer zeigt, wo es künftig entlang geht. "Worship" heißt der Knaller, den die Brooklyner Soundschmiede im Sommer 2012 auf die Welt los lässt. Ein knappes Dutzend etwas eingängigerer Gothnoise-Klopper, dabei nicht ohne die gewohnte Brutalität.
Statt Klasse dank Annäherung an markttauglichere Sounds folgen aber neben zig Bandmemberwechseln, die Releases von "Transfixation" und 2018 "Pinned" (2018). Ackermann läuft hier mit verschiedensten Musikerkonstellationen aber gefühlt nur dem Sound von "Exploding Head" nach, ohne ihn zu finden.
Erst 2021 gelingt ihm mit seiner Frau an den Drums und deren Bruder am Bass die EP "Holograms" - ein von der Kritik wärmstens aufgenommenes, kleines Comeback. "See Through You" gibt die Variabilität von "Holograms" 2022 schon wieder auf für einen ungewohnten, neuen Goth-Sound, der gleichwohl ankommt. Zwei Jahre später liefert das Trio 2024 "Synthesizer" aus: Der nächste Schritt in Richtung Noise-Pop ist vollbracht.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Einfach nur fuckin' WOW!
Komnme gerade eben ausm P8/KA zurück und war högschdwahrscheinlich Zeuge eines transzendalen Konzerterlebnisses mit Maquina aus Portugal zum Support und A Place To Bury Strangers als Hauptact.
Die junge portugiesische Band kommt wie der Main Act als Dreierpack mit einem quirligen Lefty am Bass. Wobei quirlig nur sein wird, was der Herr der vier Saiten von APTBS an dem Abend z.T. spielen wird am inbstrument, aber dazu später mehr. Maquina existieren seit ca. zwei Jahren und saind momentan so etwas wie die Idealbesetzung eines minimalistischen, rein auf Saiteninstrumenten und (E-)Drums performtem Electro-Punk. Immer straight nach vorne auf alle vier. Der Bassist hat mich echt in seiner beinahe stoischen Two- or Threetone-Riffs auf die simplen Beats überrascht. Wie hat der sich gemerkt, wo all die winzigen Verschiebungen, Wechsel zu kaum wahrnehmbaren Variationen und Fills am Ende seiner irgendwie alle sehr ähnlich, aber doch wieder anders klingenden Läufe hingehören? Der Drummer atmet Disco Elysium, hält es aber Heartbeat-simpel - er bedient zusätzlich zu den E-Drums einen Vocoder, der teilweise durch Pads getriggert oder wird oder Filter hinzugefügt bekommt. Er wird an dem Abend vor allem den Eindruck eines progressiveren, in der Einfachheit seiner Messages sowie würdevoll dargebotenen Selbstironie aber durchaus vergleichbaren HP Baxxter-Enkels im Geiste und als Entsprechung innerhalb Maquinas eigenem Genremix hinterlassen, zudem mit Bumm-Tschack-Fimmel und Wacklern im Timing bei sehr komplex geschichteten Vocodereffekten... Der Gitarrist fährt den genreüblich verdächtigen Effektgerätefuhrpark nicht nur voll auf sondern reizt ihn in Sachen Ringmodulation, Filter und Delays/Reverbs so sehr aus wie selten abseits eines Showroom-Gigs und noch dazu passend in einer Band verwebt aus. Er kann sich durch das einfache und zumindest im Bezug aufeinander arsch-auf-eimer-tighte Spiel der Rhythmus-Sektion völlig frei austoben innerhalb seines Gerätefuhrparks. Überhaupt wirkte er nicht nur rein optisch, sondern auch mit seinen flirrenden, höhenlastigen Melodien und dem wilden Charme der Performance nicht wie ein jüngerer, noch schlacksigerer Bruder von Omar Rodriguez-Lopez...
Vielleicht zumindest bei mir nix für regelmäßige Durchläufe auf dem heimischen Sofa, aber selbst gewählter Aufpeitscher im Support-Slot: Schon auch mutige Wahl.
Schwierig für den Headliner, das Stimmungsbarometer (gerade auch durch Maquinas Straight Forward-Attitüde und dem spürebaren Hunger in JEDEM. FUCKING. SONG!) und Energielevel konstant hoch zu halten nach so ner Vorlage. Aber was APTBS danach dann abziehen, das darf gut und gerne als außergewöhnliche subkulturelle Konzerterfahrung von der Häufigkeit von "ca. 1x pro Jahrzehnt" bezeichnet werden kann - selbst wenn sie ggf. Elemente dieser Show azf jedem Gig dieser Tour einzuflechten versuchen.
Als jemand, der sie vong ihren Platten her gar nicht so gut kennt wie bspw. die immer wieder genannten Vorbilder "The Jesus & Mary Chain", die wiederum als zu häufig und zu unpassend genannte Referenz z.B. auch der Grund waren, warum meine beste Freundin den Konzertabend fatal fehleinschätzend mit "zu beliebig Indie!" ausschlug, wurde ich geradezu von ihrer Darbietung überrollt. Der zu Beginn schon ein wenig posend anmutende Weirdo-Krach von Ackermann an der gleich zu Beginn eh schon nicht so heilen Gitarre, die gleich während des Openers mehrfach auf den Boden geschlagen und mit Drumsticks bearbeitet werden - ganz wie in Gedenken an die NYC-Noise-Übereltern Sonic Youth - entpuppt sich alsbald als zugellösees Multi-Tasking-Genie weit über die Grenze zum Wahnsinn hinaus unterwegs. Die Gitarre, die er sich nach dem Zerkloppen der ersten für den Rest des Konzerts Umhängen wird, sieht eigentlich noch fertiger aus als die frisch zerkloppte: Sie war wohl mal irgendwas fender-mäßiges, aber ihr feht fast der gesamte Korpus unterhalb des Halses, die somit freistehende Buchse ist mit bissl Tape am Gitarrengurt mit befestigt - damit es nicht so viel mehr fiept als von der Band geplant.
Bei Song Nr. 3 oder 4 so - ganz wird das durch die noisigen Feedback-Schleifen vor und nach Songs für mich nicht immer so deutlich - stürmt der Getriebene Ackermann plötzlich ins Publikum und performt, umringt von Fans, in der Mitte des Saals neben dem Mischpult weiter. Seine Frau/ die Schlagzeugerin tut es ihm alsbald gleich, schnappt sich mikrofonierte Standtom aus ihrem Set und findet sich in der Mitte des Raums ein. Und auch der Brudi Fedowitz - der mich den ganzen Abend optisch sowie in Gestus und Performance an ein Live Action-Casting des Gorillaz-Bassisten erinnert - kommt dazu. Die nächsten Songs performen die drei umringt aus tanzenden Scharen ihrer Fans, wie eine Schamanin spieltSchwester Fedowitz dazu Märsche und repetitive Rhythmen auf ihrer Standtom. Das ganze wirkt absolut ungekünsterlt, spontan und absolut magisch. Nach einigen Songs zieht es alle drei recht zügig nacheinander auf die Bühne zurück. Die Schlagzeugerin hält es nicht am im hinteren Teil der Bühne und hinter ihrem Set, sie nimmt sich eine Snare zu ihrer Standtom nach vorne, der gesamte Rest der Show wirkt beinahe wie ein luzider Traum, hypnotisch, improvisiert. Brudi Fedowiotz am Bass zeigt noch eine wahnsinnig atmoisphärisch nuancierte Paöette zwisschen Doom- und Drone-Sounds sowie Feedback-Schlefen. So schnell wie der Orkan losbrach sind sie dann irgendwann nach ca. 65 Minuten ohne Zugaben durch, verzeihbar, was muss eine solche Darbietung den Beteiligten allein körperlich jeden Abend abverangen, wenn es wirklich eine (z.T.) fest choreografierte Tour sein sollte...
...somit bleibt wie erwähnt als Einziges zu betrauern, dass nach diesem phänomenalen Feier-Warm Up sonntag abends im Ländle (oder zumindest im Industriegebiet der Fächerstadt) ganz klar spontan keine vernünftige Afterhour aufzutreiben war - und es war vielleicht auch besser so, wenn ich morgen ausnahgmsweise schon mal vor 12:30 Patient*innen empfangen werde.
*transzendental, sollte klar sein.
Mahlzeit und danke für den schönen Bericht, hatte direkt Motivation mir die neuen Songs reinzuschieben und hab mir jetzt noch die Liveplatte aus dem letzten Jahr angeschmissen, die bisher sehr gut gefällt.