laut.de-Kritik
Gothrock-Grusical weit jenseits der Kitschgrenze.
Review von Ulf KubankeASP nehmen schon lange Zeit eine Ausnahmestellung in Deutschlands schwarzer Szene ein. Weit jenseits der Kitschgrenze servieren sie mit "Verfallen - Folge 1: Astoria" ein Grusical, das wahlweise als Fortsetzungsgeschichte oder einfach als Gothrock-Platte fungiert. Es ist ihr bislang reifstes Werk.
Asps Artwork im Gothic Novel-Stil umschließt die Silberscheibe als echtes Hardcover-Buch und ästhetischer Sidekick. Die Musik pendelt - je nach Erfordernis der Storyline - vielschichtig zwischen diversen, auch szeneuntypischen Stilen. Und die Zeilen (basierend auf "Das Fleisch Der Vielen" von Fantasy-Autor Kai Meyer) zeigen die notwendige Sprachgewandtheit und einen großen Wortschatz.
Ihre Handlung spielt im Leipzig des Jahres 1915 und erzählt die Schauermär des dortigen Astoria-Hotels, das ein bösartig-untotes Eigenleben führt. Es klingt alles ein wenig nach einem nahen Verwandten von Kings legendärem Overlook-Hotel und Lovecrafts morbiden Landhäusern. ASP verzichten auf ein gestelztes Abziehbild des Lovecraftschen Sprachstils, an Stelle pubertärer Todessehnsucht und Herzschmerz im Mondlicht setzen sie starke Bilder. Vom "Wagenmeister" bis zu "fein herausgeputzten Damen" ist alles am Start, was ein authentisches Einfühlen ins frühe 20. Jahrhundert ermöglicht.
Die Musik ist stark genug, die transportierten Sätze angemessen zu illustrieren. Gleichwohl verfügen die einzelnen Songs über ein hohes Maß unterhaltender Eigenständigkeit. Wer keine Lust auf den ganzen Storyballast hat, kann die Klänge auch vollkommen zusammenhanglos genießen. Besonders ASPs Gitarrenarbeit zeigt sich deutlich vielseitiger und stimmungsvoller als der gängige Baukastenrock vieler heimischer Schwarzwurzel-Kombos.
Auch die Arrangements spiegeln abwechslungsreichen Ideenreichtum. Neben schnellem Metal und hartem Rock glänzen ASP unter anderem mit chansoneskem Kaffeehaus-Tango ("Zwichentöne: Lift") oder wavigen 80er Keyboards ("Astoria Verfallen"). Sogar angedeute Drone/Doom-Passagen halten Einzug und würzen das Büffet schmackhaft ("Dro[eh]nen Aus Dem Rostigen Kellerherzen"). Schönes Grimoire Of Sound!
Die einzige Schwäche leistet sich das Album beim Bonusmaterial, die dortigen Lesungen des Vorlagengebers Meyer holen keine Hexe vom Scheiterhaufen. Sie bleiben Fremdkörper. Besonders der über 20-minütige Ausschnitt seiner "Arkadien" - einer Art "Romeo & Julia treffen 'Twilight'" rockt nicht, weil sich Meyer sprachlich leider an letzterem orientiert. Er führt unfreiwillig vor Augen: Hier überholt die musikalische Umsetzung ASPs auch das Original um Längen.
2 Kommentare mit 4 Antworten
ASP weit jenseits der Kitschgrenze? Seit wann?
Schon fast immer
Ich würde eher sagen: Noch nie.
ich verstehe, was du meinst. aber besonders im vergleich zu gängigem output a la umbra/blutengel/mono-inc (oder aktuell die neue von spielbann") etc, kann man hier doch eine echte entwicklung im bereich texte/musik (wie obig beschrieben) verzeichnen. die gehören nicht in denselben topf.
Dann werde ich mir das mal anhören müssen. ASP war für mich eher immer 2-3 gute Songs und der Rest dann kitschiges Grufti Einerlei.
es spielt 1919! (siehe "mach's gut berlin")
...just sayin'