18. August 2014

"Tommy und Eric sind nur Marionetten"

Interview geführt von

Nach Jahren in der Versenkung steht Kiss-Ur-Gitarrero Ace Frehley dieser Tage plötzlich wieder im Rampenlicht. Die Gründe dafür sind die Aufnahme in die Rock And Roll Hall Of Fame sowie der im Anschluss ausgetragene mediale Infight mit den letzten beiden verbliebenen Kiss-Gründungsmitgliedern Paul Stanley und Gene Simmons. Der perfekte Zeitpunkt also, um ein neues Studioalbum ("Space Invader") auf den Markt zu bringen.

Ace Frehley ist eine Legende. Der Mann hat vor 40 Jahren nicht nur eines der wohl bekanntesten Bandlogos der Rockgeschichte entworfen und im Laufe der Jahre Alltime-Klassiker wie "Shock Me", "Rip It Out" oder "Cold Gin" geschrieben, sondern vor allem hat Ace Frehley eine Vielzahl von talentierten Jüngern (Tom Morello, Eddie Van Halen, Slash, Dimebag Darrell) dazu inspiriert, seinem eigenen Schaffen noch eine ganze Menge weiterer Klang-Kronen aufzusetzen.

Ace Frehley war aber auch ein Lebemann, ein begnadeter Techniker, der das Rockstar-Dasein liebte und der während der erfolgreichen Kiss-Jahre in den Siebzigern nahezu jeden Tag feierte, als wäre es der letzte. Das brachte ihm zwar jede Menge Kniefälle aus den Reihen der Live-for-the-moment-Anhänger ein, sorgte aber auch dafür, dass er, im Gegensatz zu seinen weitaus weitsichtigeren ehemaligen Bandkollegen Gene Simmons und Paul Stanley, im Laufe der Jahre auch diverse persönliche und berufliche Täler durchschreiten musste. Das Jahr 2014 scheint es wieder gut zu meinen mit dem Spaceman. Nach der Aufnahme in die Rock And Roll Hall Of Fame folgt dieser Tage die Veröffentlichung seines neuen Studioalbums "Space Invader". Wir verabredeten uns mit dem ehemaligen Maskenrocker und plauderten über wiedererlangte Lebensgeister und musikalische Marionetten.

Hi Ace, in den letzten Jahren hat man hier in Deutschland nicht viel Neues von dir in Erfahrung bringen können. Zwar sorgte die Veröffentlichung deiner Autobiografie "No Regrets" im Sommer 2012 für kurzzeitiges Aufsehen, doch kurz danach verschwand der Name Ace Frehley auch schnell wieder im Archiv. Seit Anfang dieses Jahres hat sich das Blatt jedoch wieder gewendet. Die Aufnahme in die Rock And Roll Hall Of Fame sowie die Ankündigung deines neuen Studioalbums sorgten für einen medialen Rummel, der fast schon mit dem des Jahres 1996 vergleichbar ist, als du gemeinsam mit deinen ehemaligen Kollegen auf den Reunion-Button gedrückt hast. Wie fühlt es sich an, wieder ein gefragter Mann zu sein?

Ace: Großartig. Es fühlt sich toll an. Vor allem ist es schön, den ganzen Rummel auch mal bewusst zu erleben, ohne dass mir Leute bei wichtigen Erinnerungen auf die Sprünge helfen müssen (lacht).

So wie beim Verfassen deiner Autobiografie?

Ja, genau. Das mag für Außenstehende lustig klingen, aber für mich war es damals alles anderes als einfach. Ich meine, ich brauchte oftmals andere Leute, um mich an Phasen und Momente meines eigenen Lebens zu erinnern. Das ist schon ziemlich traurig. Drogen und Alkohol haben viele Jahre meines Lebens bestimmt. Sie haben mich betäubt, benebelt und geknebelt. Glücklicherweise habe ich vor ein paar Jahren noch die Kurve gekriegt. Und ich kann dir sagen: Es gibt nichts Schöneres als morgens ohne Kater und mit Energie in den Knochen aufzuwachen. Dem Herr sei Dank!

Hast du Angst davor, in punkto Drogen und Alkohol noch einmal rückfällig zu werden?

Die Angst ist immer da, keine Frage. Ich versuche aber, mich möglichst wenig damit zu beschäftigen. Ich habe in den letzten fünf Jahren bestimmt mehr gearbeitet als in den kompletten zwanzig davor. Zu arbeiten hilft mir dabei, mich und mein Leben weiter auf Kurs zu halten. Ich habe noch jede Menge Pläne und noch lange keine Lust, mein Dasein als kreativer Kopf an den Nagel zu hängen. Ich bin Musiker. Ich bin Künstler. Ich kann ohne Arbeit nicht leben.

"So läuft das Kiss-Business nun mal"

Du sprichst von Plänen. Meinst du jetzt den gängigen Promo- und Live-Apparat im Anschluss an die Veröffentlichung eines neuen Albums? Oder hast du schon fertige Skizzen für die Zeit danach im Kopf?

Natürlich dreht sich momentan alles um mein neues Album. Das ist ja ganz klar und auch gut so. Inwieweit wir es schaffen werden, das Album auch auf die Bühnen außerhalb der Staaten zu bringen, steht momentan aber leider noch in den Sternen. Ich hoffe aber, dass es klappen wird, denn ich würde Europa gerne mal wieder einen Besuch abstatten. Meine Gedanken sind aber schon viel weiter. Es gibt viele Projekte und Engagements, die bereits in meinem Kopf herum spuken.

Zum Beispiel?

Ich arbeite beispielsweise momentan an einem Cover-Album, auf dem auch einige Remixe zu hören sein werden.

Wow!

Ja, das wird ein spannendes Album. Weißt du, die Zeit ist knapp. Ich bin nicht mehr der Jüngste. In meinem Kopf schwirren aber noch tausend Ideen rum.

Was gibt es noch für Pläne?

Nun, ich würde auch unheimlich gerne mal einen Soundtrack in Angriff nehmen. Ich habe dahingehend auch schon zu einigen Produzenten Kontakt aufgenommen. Außerdem reizt mich die Produktion eines komplett animierten Films. Das habe ich auch noch auf dem Schirm. Was noch? Lass mich überlegen ... Oh, ich würde natürlich auch gerne mein Wissen an jüngere Kollegen weitergeben. Das Arbeiten und Produzieren von talentierten neuen Bands ist eine Sache, die ich in naher Zukunft angehen werde. Du siehst, es geht mir gut. Ich stecke voller Energie und freue mich auf jede Menge neue Aufgaben.

Wie steht es um den Wunsch einer neuerlichen Kiss-Reunion? Gene und Paul wehren sich momentan ja auffallend vehement, wenn es um dieses Thema geht. Wie stehst du dazu?

Ich bin kein nachtragender Mensch. Die Jungs können mich noch sooft durch den Dreck ziehen. Für mich sind und bleiben sie meine Brüder. Momentan beschäftige ich mich aber nicht mit solchen Dingen. Dieser Tage zählt nur mein neues Album. Alles andere kommt, wie es nun mal kommt. Ich meine, ich kenne meinen Stellenwert als Spaceman. Ich weiß aber auch, dass bei Kiss am Ende immer nur zwei Menschen entscheiden und das sind Gene und Paul. Aber glaube mir: Die Vehemenz, mit der sie gerade zu Werke gehen, hat nur so lange Bestand, bis die momentane Konstellation keinen Gewinn mehr abwirft. So läuft das Kiss-Business nun mal.

"Jeder hat sein Päckchen zu tragen"

Zurzeit sind die Jungs ja ziemlich erfolgreich mit den Kollegen von Def Leppard auf Tour.

Naja ...

Du hast andere Infos?

Die Konzerte sind nicht ausverkauft.

Auf der Kiss-Homepage werden aber tagtäglich Fotos von randvollen Arenen veröffentlicht.

Mag sein, aber die Tour ist NICHT ausverkauft.

Müsste sie das deiner Meinung nach denn sein, um sie als erfolgreich zu bezeichnen?

Wir reden hier von Kiss und Def Leppard, zwei Bands, die alleine schon Stadien füllen müssten.

Glaubst du denn, dass die Arenen komplett voll wären, wenn statt Tommy und Eric du und Peter auf der Bühne stehen würden?

Es würde zumindest die Band Kiss auf der Bühne stehen und keine halbe Tribute-Band. Versteh mich nicht falsch, ich mag Eric und Tommy. Beide sind nette Kerle und gute Musiker. Aber sie sind auch Marionetten, die nur das tun, was von Gene und Paul befohlen wird.

In Bezug auf Eric sehe ich das etwas anders. Meiner Meinung nach wurde die Band seit dem Verlust von Eric Carr nicht mehr so von hinten angetrieben wie unter der Regie von Herrn Singer. Bei Tommy gebe ich dir allerdings Recht. Da ist in punkto "Style-Befreiung" noch ziemlich viel Luft nach oben vorhanden.

Eric macht seine Sache gut, keine Frage. Allerdings hat sein Spiel nicht diesen simplen urbanen Vibe, den ich auf den ersten Kiss-Alben so liebe. Das ist nun mal eine Tatsache. Viel schlimmer finde ich aber Tommys Auftreten. Da geht es wirklich nur um eine möglichst detailgetreue Kopie meiner Trademarks. Ich finde, Tommy sollte sich so langsam mal einen eigenen Stil aneignen. Da kommen dann aber wieder Gene und Paul ins Spiel. (lacht)

Nervt es dich eigentlich, immer wieder auf das Thema Kiss angesprochen zu werden? Ich hatte mir eigentlich vorgenommen etwas ausgewogener zu Werke zu gehen. Sprich: Eine Halbzeit "Space Invader" und eine Halbzeit Kiss. Nun tickt die Uhr erbarmungslos runter und wir haben noch kein Wort über dein neues Album verloren. Schlimm?

Haha, nein. Ich bin nun mal der Spaceman. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Das ist meins.

Gibt es Tage, an denen du den Spaceman-Schatten auch mal gerne abschütteln würdest?

Nein, meine Biografie heißt ja nicht umsonst "No Regrets". Abgesehen von den Drogen bin ich auf jeden einzelnen Kiss-Tag, den ich bisher erleben durfte, stolz. So wie Peter auf ewig der Catman bleiben wird, so werde ich immer der Spaceman sein. In dieser Band bin ich gewachsen und die Anfangstage gehören zu den Schönsten meiner bisherigen Karriere.

Jetzt sind wir schon wieder beim Thema Kiss.

(lacht) Stimmt. Ich ziehe jetzt mal einen Strich und sage: Leute, Ace Frehley hat ein neues Studioalbum am Start. Es heißt "Space Invader" und rockt wie Hölle. Hört rein und genießt es. Ich glaube nicht, dass es an dem Album irgendetwas auszusetzen gibt.

Sehr schön. Hast du Gene und Paul schon ein Exemplar geschickt?

Nein, aber ich bin gespannt, was sie sagen werden, wenn es soweit ist.

Ich auch. Ace, hab Dank für die Zeit und alles Gute für die Zukunft.

Ich habe zu danken.

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