laut.de-Kritik
Wie ein Massengottesdienst samt Gehirnwäsche.
Review von Kerstin KratochwillSeit wann hat es sich eigentlich eingebürgert, dass Comedians bei riesigen Freiluft-Konzerten für's Vorprogramm oder als Ansager engagiert werden? Im Falle von Soul-Pop-Deutschpoet Adel Tawil besorgt diesen Job Grimme-Preisträger Kurt Krömer, der in dem großspurig (und falsch geschriebenen) "Prèlude" bezeichneten Intro verkündet, dass der Hauptact wegen Erkrankung leider ausfallen müsse und stattdessen die Hauptversammlung von Scientology folge.
Dummerweise entspricht dies natürlich nicht der Wahrheit, Ironie ist der Markenkern Krömers und so beginnt das Konzert unter johlendem Applaus der rund 17.000 Gäste. Unwillkürlich denkt man dann doch an den Scientology-Hinweis, denn das nun Folgende erinnert irgendwie ziemlich stark an einen Massengottesdienst samt Gehirnwäsche.
Songtitel wie "Gott Steh Mir Bei", "Wo Die Liebe Hinfällt", "Vom Selben Stern" oder "Der Himmel Soll Warten" ließen sich sehr gut in Predigten einbauen und die dazu gehörige musikalische Dauerberieselung inklusive Tawils samtweicher Stimme beschwichtigt besser als jeder Weihnachtsgottesdienst. Zudem lässt der penetrante Hit "Ist Da Jemand" auch den hartgesottenen Atheisten glauben, dass Gott wirklich existiert und uns mit dieser Live-Doppel-CD provozieren will bis man erschöpft zugibt: Ja, da ist jemand! Jemand, der leidet unter den immer gleichen Metaphern von Sternen und Stränden oder dem Besingen von Herzen und Schmerzen.
Eine CD reichte dafür natürlich nicht aus, denn Adel Tawil präsentiert in diesem Mega-Event-Konzert, das im Juni 2018 in der ausverkauften Parkbühne Wuhlheide stattfand, nicht nur Solo-Songs, sondern auch Lieder aus seiner Zeit in der Formation Ich + Ich mit Annette Humpe. Nicht zu vergessen: Überraschungsgäste! Frau Humpe war leider nicht dabei, dafür Sido, SDP, KC Rebell, Summer Cem und Alina. Alle Zutaten für ein perfektes Event sind also gegeben: Harmlose Befindlichkeitstexte treffen auf handwerklich gut gemachte Musik, im Angebot reichlich gefühlsschwangere und gefällige Lieder getarnt als frische Popmusik.
Doch was wir hier wirklich hören, ist der biedere Soundtrack der zeitgenössischen Deutschpop-Poeten-Sekte, die sich von ihren Anhängern dank perfekter Sekten-Show verzückt feiern lässt. Dieser auf zwei Rohlinge ausgegossene Kitsch macht sich in letzter Konsequenz dann auch perfekt unter dem Weihnachtsbaum all jener, denen Musik nur Berieselung und Betäubung ist, denn eine wirklich stille Nacht erträgt kaum mehr jemand. Aber vielleicht ist das ja wirklich alles nur eine Frage des Glaubens.
6 Kommentare
Richtiges Minstrel-Opfa, der Typ!
Forster/Giesinger-Last Level-Shit.
"Sido, SDP, KC Rebell, Summer Cem und Alina" alles in etwa die gleiche Liga. Mir läuft es direkt kalt den Rücken runter wenn ich daran denke, wie ich "Mein Block" damals gepumpt hab. Siggi is mittlerweile der Mark Forster des Raps .. ach ja Samy Deluxe is auch Scheiße!
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Wenn man sein schwülstiges Timbre, seine gefühlsduseligen IKEA-Stuhlkreis-Weisheiten und Gäste wie Sido mehr als eine Minute über sich ergehen lassen muss, ist das keine Frage des Glaubens, sondern Lärmbelästigung vom Feinsten.
Bei "Musik" von Adel Tawil werden meine Hirnsynapsen gelähmt und ich werde inkontinent. Bei Naidoo auch. Ob da eine Schmerzensgeldklage Erfolg hätte?
"Adel Tawil & Friends" klingt schon wie die Mischung aus Kriegserklärung und Todesdrohung. Wird allmählich Zeit, dass auch im Bereich Musik Aktivisten erwachen, die rigoros gegen derartige Verunstaltungen unschuldiger Tonträger vorgehen.