laut.de-Kritik
Mit Zach Condon zwischen Alaska-Eis und New Mexico.
Review von Giuliano Benassi"When it's springtime in Alaska, it's forty below", erkannten bereits Johnny Cash und June Carter. Soll bedeuten: Selbst im Frühjahr ist es im nördlichsten Staat der USA, in der Nähe der Polarkreises, schweinekalt. Wie ist es dann wohl erst im Winter? Automotoren werden auf der Straße nicht abgestellt, weil sie sonst nicht mehr anspringen, die Garagen sind beheizt, die Batterien hängen an Ladegeräten. Das Leben spielt sich vor allem im Inneren ab.
So auch im Fall Brandon Bethancourts, der sich in Alaska mit seinem Notebook in einer Wohnung verschanzte und von der unwirtlichen Umgebung inspirieren ließ. Zumindest zum Bandnamen, denn mit Einsamkeit hat sein Debütalbum nicht viel zu tun. Mit dem Balkan übrigens genauso wenig.
Trompeten, Beats, ein Schlagzeug im 4/4-Takt und Klaviernoten bilden ein einfaches Gerüst, über das Bethancourt seine unsentimentale Stimme legt. Hinter den kryptischen Titeln verbergen sich Stücke, die selten eine Länge von drei Minuten erreichen. Eher Schnipsel als konventionelle Lieder also, die fast nahtlos ineinanderfließen.
Wäre das Album in Alaska fertig geworden, hätte es wohl kaum Interesse geweckt. Doch davor kehrte Bethancourt in seine Heimat Santa Fe in New Mexico zurück und lud verschiedene Freunde ein, um das Material zu veredeln. Unter ihnen befinden sich die Geigerin Heather Trost (von A Hawk And A Hacksaw) und Schulfreund Zach Condon alias Beirut, der hauptsächlich die Trompete beisteuert.
Den wichtigsten Beitrag liefern aber Stefanie Lamm und Hilary Bethancourt, die mit ihren hohen Organen wesentlich zur melancholischen, manchmal trostlosen Atmosphäre beitragen. Gerade im Spiel der teilweise elektronisch verfremdeten Stimmen liegt der größte Reiz, den auch das scheppernde und eher überflüssige Schlagzeug nicht mindert. Besonders intensiv fallen dabei "Horsey Horse" und das abschließende "Close Your Eyes – We Are Blind" aus, das einzige Stück, aus dem eine Single abzuleiten wäre.
"Das Album heißt so, weil ich es zu einem großen Teil am Tag nach meiner Rückkehr von einer fünf Wochen langen Danceparty in Osteuropa aufgenommen habe", erklärt Bethancourt in einem Interview. Auch wenn die Platte trotz des Titels wenig mit dem Balkan zu tun hat, ebenso wenig wie der Künstler hinter dem Bandnamen mit Alaska – von der Stimmung her stellt sie ein durchaus interessantes musikalisches Experiment dar.
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