laut.de-Kritik

Durchgeknallte bolivianische Metal-Heads auf Speed?

Review von

Ganze neun Jahre liegt die letzte Veröffentlichung der Bolivianer von Alcoholika La Christo zurück. Damals rotierte das Video zu "Witches And Wampires" auf dem südamerikanischen Ableger von MTV. Dann verschwand die Band um Gründer Viko Paredes wieder in der Versenkung, um anno 2006 mit einem fetten Album zurück zu kehren, das aus zwei Teilen besteht.

"Toxicnology Part 1 & 2" nennt sich das aktuelle Teil. An einer ziemlichen Abgedrehtheit mangelt es den Südamerikanern dabei nicht. Die vier Musiker stilistisch einzuordnen gestaltet sich schwierig. Nach einem verstörenden Intro mit dem klingenden Titel "Gamours Day Of Suicide" beginnt "Toxicnology" mit fetten Riffs der Marke Sepultura. Der nächste Song "Etienne" hingegen erweist sich als Industrial-Pop-Song. Mit dem spanischen Gesang klingt er nach der idealen Beschallung einer Strandbar im Cluburlaub. Wo ist mein Long Island Ice Tea, verdammt? Dieses Lied halt ich sonst nicht aus. Aber der Ausrutscher ist verzeihlich. Spätestens ab dem nächsten Song, der wie eine Marilyn Manson/Deathstars-Fusion klingt, ist ohnehin klar, dass es so etwas wie den sprichwörtlichen roten Faden hier definitiv nicht gibt.

"Mi Sangre" ist ein verquerer Industrial-Song mit Trillerpfeifen, Chören und einem hallend brüllendem Sänger, auf den mit "Desolation" die traurige Stimme einer französisch singenden Dame folgt. Nicht nur musikalisch, auch sprachlich sind Alcoholika La Christo sehr offen. Denn nach dem Interlude der Sängerin geht’s dann munter mit englischer Reibeisenstimme weiter.

Lyrisch dominiert ein dunkelbunter Mix aus seelischen Abgründen, Sex, Tod und Teufel. Auch verflossene Lieben oder das Biest im Menschen, wie auf "La Bestia", sind allesamt willkommen. Darüber hinaus scheinen diese Bolivier eine Vorliebe für Geräuschkulissen jeglicher Art zu haben. Trillerpfeifen etwa kommen wieder auf "Crimelinks" zum Einsatz und begleiten neben Babygeschrei das hysterische Gebrülle des Sängers. Spätestens hier ließe sich, der Spruch, dass alle Skandinavier einen an der Waffel haben, auch bedenkenlos auf die Bolivianer übertragen. Ich fühle mich bestätigt, als auch noch eine Kirchenorgel und -glocke einsetzen.

Auf "Dunkel Heit" betet uns die Sängerin auf Deutsch das "Vater Unser" vor. In der Originalversion kommen jedoch keine abgefuckten Junkies vor. Oder hat sich seit meinem letzten Kirchenbesuch im Jahre Schnee so viel getan in diesem innovativen Verein? Als eine Polizeisirene ertönt, weiß ich, es sind nicht nur Trillerpfeifen, die es Alcoholika angetan haben. Der letzte Song auf Part 1, "Depression", könnte wieder vom Fürsten der Finsternis stammen. Diese Mischung aus Sepultura-Riffs im einen Song, elektronischem Getüte, diversen Nebengeräuschen und traditionellen bolivischen Elementen muss man erst einmal auf die Reihe bekommen. Dann steht dem Genuss von "Toxicnology Part 1 & 2" jedoch nicht mehr viel im Wege. Denn ein gewisser, wenn auch ambivalent zwischen Faszination und Ratlosigkeit schwankender, Reiz ist dem Album nicht abzusprechen.

Part 2. Ein Klavier leitet des Sängers Geröchel ein, die Akkorde werden immer fatalistischer, dann gleitet "Tristezza" wieder in einen melancholischen Industrial-Song ab. Es geht um eine verstorbene Liebe, die sich bald mit ihrem Gesang aus dem Jenseits meldet. "Trance La Mort" huldigt in düsterer, metallisch-industrieller Weise dem Tode. "Raza De Bronce" lässt die bolivianische Tradition wieder aufleben. Beinahe ist man versucht, mitzuschunkeln. Dazwischen meldet sich des Sängers raubeiniges Organ wieder zu Wort. Mehr Dominanz auf schweren Gitarren, ähnlich wie zu Beginn des Albums, hat wieder "Desolate". Noch heftiger und irrer zur Sache geht es auf "Nazischweine", eine musikalisch und textlich kompromisslose Abrechnung mit Rassisten. Nachdem sie die Nazis ficken, wenden sich Alcoholika La Christo auf "Pene Tration" den Damen zu.

Da mag die Spieluhr am Anfang von "Matador" noch so lieblich klingen, wenn "Kill You" ertönt, weiß man, was Sache ist. Nämlich, dass Alcoholika La Christo so lieblich nicht sind und alles andere als berechenbar. Es lassen sich Referenzen von Depeche Mode über Pantera bis zu Rammstein ausmachen. Keine Frage: Das, was uns die Bolivianer hier abliefern, muss man erst einmal kauen. Obwohl schwer verdaulich, einzigartig ist es allemal.

Trackliste

Part 1

  1. 1. Glamours Day Of Suicide
  2. 2. Toxicnology
  3. 3. Etienne
  4. 4. Indoustral Messiah
  5. 5. Mi Sangre
  6. 6. Desolation
  7. 7. La Bestia
  8. 8. Souffrir
  9. 9. Crimelinks
  10. 10. Dunkel Heit
  11. 11. Depression

Part 2

  1. 12. Tristezza
  2. 13. Trance La Mort
  3. 14. Raza De Bronce
  4. 15. Desolate
  5. 16. Nazischwein
  6. 17. Pene Tration
  7. 18. Kannibal
  8. 19. Suenos
  9. 20. Witchcraft
  10. 21. Matador
  11. 22. Hidden Track

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