laut.de-Kritik
Der passende Soundtrack zu Alices Reise ins Wunderland.
Review von Daniel StraubSich im New Yorker Nachtleben von der Masse abzuheben, wo hunderte extravaganter Formationen die Bühnen der Clubs bevölkern, ist nicht gerade einfach. Animal Collective haben das Kunststück geschafft, sich mit ihrem psychedelischen Akustik-Pop und den bizarren Outfits, die sie bei ihren Auftritten zumeist tragen, nachhaltig im Gedächtnis der New Yorker zu verankern. Mit dem aktuellen Album "Sung Tongs" wollen die Tier-Genossen auch diesseits des Atlantiks einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Die Chancen dafür stehen bestens, das ist nach dem ersten Hören der zwölf Songs auf "Sung Tongs" schnell klar. Für den neuen Longplayer wieder zum Kernduo um Panda Bear und Avey Tare geschrumpft, wagen sich Animal Collective mit ihren schräg-schönen Songs auf ein Terrain vor, auf dem sich auch Stereolab oder Lali Puna zuhause fühlen würden. Es ist dieser Hang zu autistischen Klangwelten, die Animal Collective in die Nähe der genannten Bands rückt, ohne dass direkte Parallelen zu identifizieren wären.
Für "Sung Tongs" haben sich Panda Bear und Avey Tare in ein Landhaus in ihrer Heimat Maryland zurückgezogen und jede Menge Mikrofone, Gitarren, Effektgeräte und Sampler aufgebaut. In der ländlichen Abgeschiedenheit entstanden die zwölf verstörend schönen Songs des Albums. Wie ein warmer Sommerregen ergießen sie sich über die Zuhörer, tragen ihn in einem angenehmen Meer aus vielschichtigen akustischen Gitarrenchords, hypnotischen Tribalrhythmen und lautmalerischen Gesängen davon.
Manches Mal fühlt man sich an die Beach Boys zu ihrer besten Zeit erinnert. "College" mit seinen lieblichen Vosalspuren beschwört die Erinnerung an Meisterwerke der Kalifornier wie "Pet Sounds" und "Smiley Smile" ganz direkt herauf. Im nächsten Moment spricht "We Tigers" mit seiner starken Rhythmik den Schamanen in uns an.
Als roter Faden zieht sich ein trance-ähnlicher Zustand durch alle Songs auf "Sung Tongs". So muss sich der Autor Lewis Carroll den passenden Soundtrack zur Reise von Alice durch das fantastische Wunderland vorgestellt haben. Alles ist in Bewegung, schrumpft und wächst zugleich, verliert seine Form und nimmt doch wieder Gestalt an. Musik, so organisch wie das Leben. Damit fällt man sogar im Big Apple auf.
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