laut.de-Biographie
Baauer
Wie schwierig es für Künstler*innen ist, wenn der gesamte Erfolg auf original einem Track oder Song basiert, wurde in der Musikgeschichte schon zur Genüge ausexerziert. Sämtliche Casting-Bands, die fröhlichen Rumänen O-Zone mit "Dragostea Din Tei", Acts aus den Neunzigern, die reihenweise nach gigantischen Eurodance-Hits den bitteren Gang in die Versenkung antreten mussten.
Harry Bauer Rodrigues – sein Künstler-Alias ist eine marginale Abwandlung seines Mittelnamens – erwischte es da weitaus besser. Das als bloßes Glück abzutun, würde dem Bass Music- und Trap-Aficionado aus Brooklyn, der sich in seiner Karriere als vielseitiger wie innovativer Producer auszeichnete, nicht gerecht.
Es ist 2012, YouTube die Plattform, die die erfolgreichsten musikalischen Phänomene – man denke nur an "Gangnam Style" – gebiert. Die schmerzhaft anglifizierte Formulierung viral gehen wird immer stärker mit Bedeutung aufgeladen, fräst sich unaufhaltsam in den alltäglichen Sprachgebrauch, das Internet etabliert sich in einer überwältigenden Qualität als musikalisches Hauptmedium, die vor einem Jahrzehnt noch nicht vorstellbar gewesen wäre.
Sämtliche dieser Parameter kommen Baauer zugute, als er mit "Harlem Shake" auf spektakuläre Weise ein weltweites Phänomen initiiert – natürlich ohne das zu ahnen, als er den Track zusammenbastelt. Unzählige Videos von zappelnden Menschen, die sich während der hyperaktiven bassmusikalischen Kapriolen von "Harlem Shake" zu verkleideten Deppen machen, finden ihren Weg auf YouTube. Insbesondere das genial-nervige Intro mit dem anschließenden ersten Drop wird sich nie wieder aus dem musikalischen Kollektivgedächtnis tilgen lassen.
Der Essential Mix, Coolness- und Geschmacks-Seismograph der BBC, was Dance Music anbetrifft, tut sein Übriges. Das Glasgower Wunderkind Rustie packt im April 2012 zwei Baauer-Stücke in die Tracklist: "Harlem Shake", logisch, und seine zweite Single "Dum Dum". Von da an läuft es beim damals erst 22-Jährigen.
2016 veröffentlicht er sein Debütalbum "Aa", 2020 den Nachfolger "Planet's Mad". Auch abseits der Longplayer, für einen umtriebigen, modernen Producer ohnehin keine unverzichtbare Visitenkarte mehr, hat Baauer Erfolg. Remixe für The Prodigy oder No Doubt, Features mit Jay-Z, M.I.A. oder Rae Sremmurd sprechen entschieden dafür, dass Rodrigues mehr ist als eine mit Glück überhäufte Eintagsfliege.
Oder zumindest eine sehr langlebige Eintagsfliege, die mit Cleverness und Kreativität nach neuen Sounds sucht und diese sorgsam zwischen Kommerz und Underground austariert. Vor allem dieses intuitive Gespür ist es, das ihn fortwährend als Solokünstler und Kollaborationspartner interessant macht.