1. Oktober 2014

"Mein Sohn soll wissen, was sein Vater für ein Idiot war"

Interview geführt von

Die ersten drei Teile von "Mukke Aus Der Unterschicht" veröffentlichte Bizzy Montana bei Bushidos Label Ersguterjunge. Inzwischen gehört er ins Camp der Freunde von Niemand. Von dort aus setzt er seine Reihe fort - aber nicht mit "Tränendrüsen-Rap".

Am 3. Oktober erscheint "Mukke Aus Der Unterschicht 4". Bizzy Montana wagt einen Neustart, "Reboot" – allerdings unter altbekanntem Namen. Die gleichnamige Trilogie entstand einst unter Bushidos Fittichen beim Berliner Label Ersguterjunge.

2012 erfolgte der Wechsel nach Frankfurt ins Camp der Freunde von Niemand. Nachdem er dort mit "Gift" seinen Einstand gegeben und Beiträge zum Labelsampler beigesteuert hatte, war es still geworden um Bizzy. Was er in der Zeit gemacht hat, warum er an ein altes Kapitel seiner Karriere anknüpft und was "Unterschicht" für ihn bedeutet, verrät er uns im Interview.

Kommenden Freitag erscheint "Mukke Aus Der Unterschicht 4". Überwiegt im Moment Freude oder Nervosität?

Ehrlich gesagt, ist schon seit mehreren Wochen eine gewisse Aufregung da. Aber ich glaube, das ist eigentlich mehr Vorfreude. Es ist jetzt nicht so, dass ich Angst habe, wie vor meinem allerersten Release. Ich freu' mich auf jeden Fall auf die Reaktionen und die Resonanz, aber eine gewisse Aufregung ist immer im Spiel.

Die Resonanz ist bis jetzt ja ziemlich gut, die Juice hat vier Kronen vergeben.

Hätten auch fünf sein können (lacht). Nein, ich bin schon echt guter Dinge. Diesmal bin ich mit der Musik auch selbst sehr zufrieden. Das ganze Album ist wieder viel persönlicher und näher an Bizzy dran als zum Beispiel "Gift". Ich denke, das wollen die Leute hören, und deshalb habe ich so eine innere Unruhe in mir. Es muss jetzt einfach rauskommen.

Seit "Gift" sind zwei Jahre vergangen. Was hast du außer dem Labelsampler in der Zeit gemacht?

Ich habe gearbeitet, um Geld für meine Frau und meinen Sohn zu verdienen, und bin ein bisschen zum Familienmenschen geworden. Da musste ich aber erst mal reinkommen. Im Endeffekt habe ich in den letzten beiden Jahren die Brücke zwischen Rapper und Familienmensch gefunden, also so eine Art Selbstfindungsprozess durchlebt.

Du bist hauptberuflich Möbelpacker und wohnst in Freiburg. Wie gelingt der Spagat zwischen Beruf, Familie und Musik?

Dadurch, dass es ein Familienunternehmen ist und ich quasi selbstständig bin, habe ich zum Glück die Möglichkeit, mir Tage freizunehmen und die Termine so zu legen, dass alles passt. Wir versuchen schon, das möglichst gut auf meinen Arbeitsplan abzustimmen. Da stimmt einfach die Kommunikation sowohl mit dem Label als auch meiner Firma.

Die ersten drei Teile von "M.a.d.U." sind bei Ersguterjunge erschienen und liegen ein paar Jahre zurück. Warum wolltest du mit dem Titel an dieses ganz andere Kapitel deiner Karriere anknüpfen?

Genau deswegen. Ich bin nicht so ein krass erfolgsorientierter Mensch, der mit jedem Album einen Schritt weiter Richtung Thron gehen muss. Das ist natürlich schön, aber so bin ich nicht und so war ich nie. Die Fortsetzung gibt es einzig und allein aus dem Grund, dass mein Kopf wieder auf "Mukke Aus Der Unterschicht" eingestellt war. Ich habe die letzten zwei Jahre kaum Mukke gemacht, wie du schon gesagt hast. Aber wenn ich welche gemacht habe, dann hatte ich einfach dieses Feeling wieder: Kopf frei und abschalten, nur auf dem Beat sein. Über Dinge schreiben, die mich beschäftigen. Das Album ist wieder komplett real und einfach Bizzy. Ich hab' da gar nicht lange überlegt oder irgendwelche Konzeptsongs entwickelt. Der komplette Entstehungsprozess, auch wie ich die Beats gepickt und produziert habe, war wie damals in Berlin. Deshalb ist es für mich "Mukke Aus Der Unterschicht".

"Ich mache keinen Tränendrüsen-Rap"

Wirst du die Reihe weiter fortsetzen?

(Überlegt) Das Ding ist, ich hab' mich richtig krass mit dieser "M.a.d.U."-Sache identifiziert. Das ist einfach meins, das bin ich. Wenn ich mal im Internet bin und die Kommentare lese, schreien alle nach dem alten Bizzy. Aber ich muss ganz klar sagen, ich kann auf fünf Teilen nicht immer der Gleiche bleiben. Deshalb weiß ich nicht, was als nächstes kommen wird.

Wenn Fans so etwas schreiben wie "Mach' doch mal so Zeug wie bei "M.a.d.U. 2": Warum, denkst du, kommen die nicht mit deiner Weiterentwicklung klar?

Wahrscheinlich, weil die einfach ihre persönlichen Sachen so krass damit verbinden. Im Endeffekt gingen diese Diskussion ja dann los, als mit Ersguterjunge gebrochen wurde und eine komplett neue Labelsituation entstanden ist. Die Hälfte meiner Fans hatte dann keinen Bezug mehr zu mir, weil ich nicht mehr bei Bushido war. Dann habe ich zwar mit Chakuza weiterhin Mukke gemacht, aber zurzeit haben wir weniger Kontakt. Chak ist aber nach wie vor einer meiner besten Freunde, das muss ich ganz klar sagen. Ein Künstler zeichnet sich für mich dadurch aus, dass er sich verändert, egal wie. Bei mir war es eben so, dass ich wieder in dieses alte Raster gefallen bin. Von mir erwarten die Leute immer diese deepe Mukke, "Tränendrüsen-Rap", sag' ich immer. Ich selbst habe das aber nie so gesehen, für mich ist das einfach ehrliche Musik.

Fühlst du dich eigentlich wirklich der Unterschicht zugehörig? Ich habe deine Wohnung in der Cribs-Folge gesehen. Allgemein wirkt das auf mich wie klassische Mittelschicht.

Hör' mir mal zu (lacht): Ich sag' dir ganz ehrlich, warum das mein Leben ist: Ich lebe fernab von einem geregelten Einkommen, ob ich jetzt arbeite oder nicht. Mein Freundeskreis und meine ganze private Infrastruktur funktionieren nicht auf der Ebene einer gesicherten Mittelschicht. Ich kämpfe mit einem Gerichtsverfahren herum, mit der Krankenversicherung ... es gibt Sachen, die kann ich dir gar nicht erzählen. Unterschicht heißt für mich nicht, dass ich mit Aldi-Tüten auf 'ner Parkbank rumhänge, sondern das ist einfach mein komplettes Umfeld. Ich bin froh, dass mein Kind mittlerweile versichert ist. Alle drei Tage klingeln irgendwelche Gerichtsvollzieher an der Tür, aber die können bei mir nichts pfänden, weil nichts da ist. Wohnung hin oder her, wer sagt denn, dass ich die überhaupt bezahle? (lacht)

Nervt es dich, wenn man dich immer noch mit Ersguterjunge identifiziert und darauf anspricht?

Wenn man mich damit identifiziert, nervt mich das schon ein bisschen. Aber mich damit in Verbindung zu bringen, ist aber überhaupt kein Problem. Ohne Ersguterjunge gäbe es keinen Bizzy Montana in diesem Sinne und auch keine "Mukke Aus Der Unterschicht".

Du hast gesagt, dein Verhältnis zu Bushido war eher geschäftlich. Wie ist das jetzt mit Vega und warum gibt es kein Feature von euch beiden?

Vega ist Bruder. Freunde von Niemand allgemein funktioniert als Family-Business. Ein Feature gibt es nicht, weil er während der Aufnahmen gerade im Urlaub war. Aber generell habe ich auf keinem der drei Teile meinen Labelboss gefeaturet und wenn, dann muss man ja konsequent bleiben.

Du hast die Hälfte der Songs selbst produziert. Was zeichnet deine Produktionen aus?

Dass es Beste ist (lacht). Das sollen die Hörer für sich entscheiden. Mein Stil ist eher melodiös-melancholisch. Wenn ich Beats baue, dann brauche ich gute, stabile Drums, das ist eigentlich immer so. Und ich brauche eine gute Melodie. Es muss alles harmonisch klingen, sonst kriege ich keinen Draht dazu.

"Jetzt trink' ich mein Bier mit 'nem schlechten Gewissen"

"Fernbedienung" ist eine Kater-Hymne und in der Deluxe Version gibts einen Flachmann obendrauf. Jetzt, wo du Vater bist, welche Rolle spielt Alkohol noch?

Also, wenn wir Partys feiern, trinke ich Alkohol. Du kannst hier jeden aus dem Camp fragen, ich habe zwar öfters gut einen drinnen, aber abgestürzt bin ich noch nie. Ich bin auch nicht so ein behinderter Mallorca-Tourist, der mit Deutschlandflaggen über den Ballermann rennt und irgendwelche Hymnen grölt. Es ist kein Geheimnis, dass ich gerne trinke, aber bei Bier hört es eigentlich auf. Ich trink' auch mal einen Whiskey-Cola, aber wenn ich feiern gehe, nehme ich mein Kind ja nicht im Rucksack mit (lacht).

Wenn dein Sohn alt genug ist, welchen Song von dir würdest du ihm als Erstes vorspielen?

Alle, die ich für seine Mutter gemacht habe. Generell würde ich ihm aber alles zeigen. Er soll wissen, was sein Vater für ein Idiot war oder ist und welche Fehler er gemacht hat. Ich preise ja nicht an, was ich mache, aber es ist einfach ein Teil meines Lebens. Um es mal ganz bescheuert zu sagen, genau das feiern auch viele Leute an mir.

Du hast gesagt, du brauchst mittlerweile weniger Bestätigung von außen als früher. Warum ist das so?

Ich habe eine funktionierende Familie, auch abgesehen von meiner eigenen kleinen. Dazu noch einen sehr guten Freundeskreis. Bestätigung von außen brauche ich eigentlich nicht, aber nichtsdestotrotz bin ich immer gespannt, was die Leute über meine Musik sagen. Wenn sie es scheiße finden, finden sie es eben scheiße, damit komme ich relativ gut klar.

In "Is Nich" sagst du, dass du die Rap-Szene ignorierst, weil dich der "Scheiß" nicht interessiert. Verfolgst du das wirklich gar nicht?

Ganz, ganz wenig. Von der letzten Chartwoche und den Top-drei-Platzierungen (Majoe, Fler und Chakuza, Anm. d. Red.) habe ich kein einziges Video gesehen, obwohl einer meiner besten Freunde dabei ist (lacht). Es ist aber nicht so, dass ich einen militanten Ablehnungsdrang habe. Für solche Sachen bleibt mir bloß keine Zeit. Wie du schon sagtest, ich muss das alles unter einen Hut bekommen. Ich muss feiern, arbeiten, meine Mukke machen, Promo-Termine wahrnehmen und mich natürlich um die Familie kümmern. Vor allem jetzt, wenn ich mitten im Album-Prozess stecke, geht das gar nicht. Da bekomme ich keine Inspiration, sondern nur Kopf-Matsch.

Einer deiner Tracks heißt "Einfach Weg", zu dem deine Frau sogar die Hook beisteuert. Wohin würdest du flüchten, wenn du könntest?

Da gibt es ganz viele Orte. Ich weiß gerade nicht, wie diese karibische Inselkette heißt, wo sie Holländisch sprechen (überlegt). Du musst das doch wissen, du bist hier die Journalistin! Die heißt ganz komisch. Ach man, irgendwo in die Karibik auf jeden Fall.

Alles klar, das wärs von meiner Seite.

Jetzt trink' ich mein Bier mit 'nem schlechten Gewissen. Immer dieses laut.de!

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