laut.de-Kritik
Im Gitarrenhagel der tiefen 80er Jahre.
Review von Jasmin LützZur Zeit macht der Schreiberin das ihr eigene Hirnchaos schwer zu schaffen. Und dann kommt auch noch der Bob Mould mal eben mit seinem neuesten Soloding vorbei und dehnt die Graue Zellen-Verwirrung um einiges weiter aus. Soll ich jetzt brechen oder an die gute alte 80er Hüsker Dü-Hardcore-Zeit denken? Was macht Mr. Mould denn bitte 2005? "Body Of Song" ist eine schleppende Alt-Männer-Rock-Partitur, dessen Opener schon mal mehr als nötig an die Höllenrocker Marillion erinnert. Mit "(Shine Your) Light Love Hope" versucht er es dann auch noch mit dumpfem Kirmes-Techno und nervigen Vocoder-Spielereien. Bei aller Hochachtung Mr. Mould, aber hier sitzen sie in einem altersschwachen Indie-Karussell, das sich ganz dicht über dem dunklen Schafott-Rockabgrund dreht.
Was ist passiert? Nachdem sich 1987 eine der einflussreichsten amerikanischen Rockbands auflöste und Bob Mould als Punk-Pionier bei Hüsker Dü eh schon immer im Vordergrund stand, genießt er nach der Trennung erst mal die Ruhe auf einem einsamen Bauernhof, bevor er seine melodische Seite im Solodebüt "Workbook" verwirklicht. Dieses Werk mit Geigen und Akustikgitarren bezeichnen heute noch viele Fans als eine Art Auferstehung des Post-Gitarrengotts.
Während er sich mit "Modulate" mehr und mehr dem elektronischen Sound widmete und dabei mit allerlei Samples herum experimentierte, soll "Body Of Song" wohl da anknüpfen, wo die ganze Mucker-Sause begann: Im Gitarrenhagel der tiefen 80er Jahre. 2005 bekommt er dabei harte Alt-Rocker-Unterstützung von Brendan Canty (Fugazi, immerhin ein Segen am Schlagzeug, vor allem bei "Beating Heart The Prize"), David Barbe (Sugar) und Matt Hammon (Bob Mould Band).
Liest man einige Interviews mit der älter gewordenen Punksau, erkennt man nicht nur zwischen den Zeilen, dass der Gute mit den Jahren doch immer frustrierter wird und der Hüsker-Alternative-Party-Ära mächtig hinterher heult. Die Verzweiflung hört man auch auf "Body Of Song". Zum Glück wird es einigermaßen erträglicher, wenn "Paralyzed" die Saiten wetzt. Da zuckt endlich noch mal das Mosh-Ärmchen und die Gesichtsmaske rockt im amtlichen Lederoutfit. Die Lautstärke hält er dann auch einige Songs durch und das halb gefüllte Stadion schüttelt unermüdlich die Mähne ("Underneath Days"). Natürlich darf DAS Gitarrensoli nicht fehlen. Und immer wieder diese synthetischen Gesangseffekte. Hallo? Wohl 'nen Voice-Coder unterm Weihnachtsbaum gefunden, was Bobby Boy?
Etwas angenehmer und sogar etwas psychedelisch gerät es zur Mitte hin und die Schreiberin kann das erste Mal die Sauerstoffmaske abnehmen. Vor allem wegen dem wohl klingenden Bassgetöse in "Always Tomorrow". Das prickelt so schön in meine Bauchnabel, denkt sie. Voll auf die Sentimentalglocke gibt es dann "Days Of Rain", wie der Titel schon alleine läuten lässt. Hier darf sich Mr. Mould als sanfter Dr. Kuschelrock gerieren und zieht das schweißgetränkte Rockerhemd aus, um sich in seinen duftenden Wohlfühlmantel zu mümmeln. Die olle Hüsker Dü-Kutte wird dann mit "Best Thing" wieder übergestülpt und man erinnert sich an die gute alte Zeit.
Den kurzen Trip in die Vergangenheit unterbricht allerdings "High Fidelity" abrupt. Was für eine nervige Schlummerland-Ballade? So was müsste verboten werden. Nee, einige Harmonien und romantische Augenblicke hat der Mann ja schon gehabt, aber von einer gereiften Punklegende sollte man mehr erwarten können. Gitarre gut, Gesang scheiße. Da hätte er neben dem Fugazi-Schlagzeuger auch gleich den stinkigen Fish einladen können. Drei äußerst wackelige Gnadenpunkte, Mr. Mould. Der alten Zeiten wegen. Sonst vielleicht doch lieber an die Rockerrente denken. Live könnte der Mann allerdings noch so einiges ausbügeln.
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