laut.de-Kritik
74 Jahre alt und frisch wie Morgentau.
Review von Philipp Kause"Out Of The Blues" ist Teil einer Trilogie, der Alben mit Soul/R&B und Rock'n'Roll vorausgingen. Auf einen Stil festlegen wollte sich Boz Scaggs nie. Leute wie er machten immer 'ihr Ding', es hatte am Rande mit Blues zu tun und war doch etwas ganz Anderes und Moderneres.
Immer noch sehr gut oder sogar besser denn je bei Stimme, ist Boz Scaggs' Gesang auf "Out Of The Blues" wieder sehr überzeugend und direkt am Ohr der Hörer/innen. Boz beherrscht hohe Lagen nahe dem Falsett ("Rock & Stick"), Blues-Tenor ("I've Got To Forget You"), Spoken Word mit Schmirgelstimme ("Radiator") und Kopfstimme mit der Inbrunst eines Rockers ("Those Lies").
Herz-Gefühl-Crooner-Style wie auf "I've Just Got To Know" ist dagegen noch nie seine Stärke gewesen. Die flirtende Seite, die zum Blues ganz extrem gehören kann (siehe B. B. King), ist hier wohl der Vollständigkeit halber mit drauf - um die Vielfalt der Blues-, Blues-Soul- und Bluesrock-Spielarten und all ihre Stimmungen abzubilden. Denn das ist das erklärte Konzept der Scheibe. Sie sollte wohl besser "Into The Blues" heißen, wenn es um die Musikzuordnung geht.
Der saubere, straighte Sound verdankt sich u.a. Jim Keltner an den Drums, einem der besten Schlagzeuger der USA. Ihn holten sich z.B. auch die Traveling Wilburys. Dennoch wäre da noch Platz, für ein Wagnis, einen neuen Akzent.
Dagegen ist es ein großer Pluspunkt, dass Boz Scaggs nie mit der Zeit geht. Seine zeitlosen Werke reflektieren die Musikgeschichte, und "Out Of The Blues" schlägt eine Brücke von den 50er Jahren bis heute. Während man dem Blues thematisch gerne Tristesse, Trennungen, Schicksalsschläge, kurz den Dreiklang 'Job grauenvoll, Partner weg, Geld knapp' nachsagt, geht's hier quasi aus allen Tiefen heraus. "Out Of The Blues" verfolgt einen optimistischen Ansatz, mit gelungenen Uptempo-Titeln. Das Schlusslied "The Feeling is Gone" (Original: Bobby 'Blue' Bland) ist zwar schon wieder textlich typisch, musikalisch aber hier in der Coverversion eher wie ein Musical-Beitrag arrangiert, statt dass es nur Blues wäre.
Boz Scaggs spielt die Gelassenheit eines 74-Jährigen aus und klingt doch stimmlich fit und halb so alt. Er bleibt gerne in der Position des nüchternen Beobachters, wie auf "Radiator" oder des klassischen Storytellers ("Down In Virginia"), wobei letzteres dann schnell langweilig gerät. Handwerklich ist dieses Virginia-Lied aber der perfekte Song. Und da liegt eben der innere Widerspruch dieses Künstlers. Je länger ein Track dauert - das kann man wohl zur Regel erheben - desto interessanter wird Scaggs, denn desto schwieriger wird es perfekt zu sein. Und er neigt sonst dazu, perfekt, vollendet, komplett durchdacht, glatt und x Mal geprobt zu klingen.
Klassiker in dieser Hinsicht sind das 13-minütige "Loan Me A Dime" aus seinem zweiten Album 1969, "Lowdown" aus dem Jahr 1976, damals mit dem Grammy als Bester R'n'B-Song gewürdigt, und zarte Songs wie "Miss Riddle" und "Vanishing Point" (2001, aus dem überdurchschnittlich schönen Album "Dig"). Wem dürfte nun das neue Album gefallen?
Ans Herz gelegt sei es Fans von John Fogerty (vor allem solo), dem Mann von Creedence Clearwater Revival. Ich denke auch, wer das Gerüst von "Ten New Songs" von Leonard Cohen mit einer sehr stark präsenten, ausdrucksstarken Stimme mag, könnte der Scaggs-CD einiges abgewinnen. Wer Phil Lynott/Thin Lizzy mochte, könnte sympathisieren. Fans von Kris Kristofferson finden hier einen gleichwertig guten Geschichtenerzähler mit Liebe zum Detail, nur eben nicht im Country tätig.
Wer an Bruce Springsteen oder an Bill Withers den Vortragsstil mag, kann Scaggs gut mal ausprobieren. Tom Waits-Interessierte und Leute, die k. D. Lang oder Rickie Lee Jones folgen, sollten's versuchen.
Erster Anspieltipp für alle ist "Those Lies". Hier entsteht ein schöner Kontrast zwischen dem Gesang, den eleganten Bläsern und einer wilden Passage der orgeligen Keyboards. Die zweite Empfehlung gilt "On The Beach". Neil Young so zu covern, ist schon originell und macht Spaß.
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Gelungene Coverversionen eines Blues-Veteranen