laut.de-Kritik

Postrock, der sich in fließenden Klängen auflöst.

Review von

"Words don't come easy", wusste schon der große Poet F.R. David 1982, bevor er in den Annalen der Musikgeschichte verschwand. Seinen Verbleib konnten sechzehn Jahre später nicht mal die aufgeweckten Hobby-Detektive von Fischmob klären. Aber das soll nicht unser Thema sein, sondern die Abwesenheit eben jener Worte. Für viele Songwriter stellen sie eine lästige Notwendigkeit dar, einige jedoch heben eine musikalische Stimmung mit dem passenden Wortgewand auf ein neues Level.

Brontide stammen aus England und verzichten bewusst auf Texte. Sie spielen instrumentale Rockmusik. Manche Menschen würden vermutlich Postrock dazu sagen, wenn diese Kategorie nicht so furchtbar schwammig wäre und in den letzten Jahren nicht so inflationär die Musiklandschaft geflutet hätte. Der Hype scheint sich erledigt zu haben, und so kann man sich dieser Art von Musik wieder unbelasteter nähern.

Mit "Artery" erscheint nun das zweite Album des Trios. Genretypisch tropfen zunächst ein paar gezupfte E-Gitarren ins Ohr des Hörers. Verstärkt, aber unverzerrt - so weit, so erwartbar. Dann plöztlich Verzerrung und ein erstes Aufhorchen. Und so wird aus der Eröffnungsnummer "Tonitro" zum Schluss hin noch ein richtiger Rocksong. Dass es hier keine Strophe-Refrain-Strophe-Methodik geben würde, war vorher klar.

Wie die besten ihrer Zunft verstehen es die drei Musiker perfekt, mit Dynamiken herumzuspielen und Stimmungen aufzubauen. Atmosphäre ist alles, Struktur ist nichts. Und so geht es einem wie beim Hören jeder guten Instrumental-Platte: die Gedanken schweben davon, lösen sich in fließenden Klängen auf und ermöglichen einen unverstellten Zugang zum Kern der Musik. Herbstlich klingen die Stücke, geradezu passend zum verkorksten Sommer da draußen.

Dabei agieren Brontide durchaus unterschiedlich. Von ruhigen, karg instrumentierten Nummern wie "Still Life" über Funk-Einflüsse ("Cabin") bis hin zum Einsatz breiter Gitarrenriffs ("Knives") und kleiner Elektroniksprengsel reicht die Palette der Engländer. "Bare My Bones" verfügt sogar über eine Sequenz, die an eine Band wie The Fall Of Troy denken lässt. Unterm Strich sind Brontide etwas weniger säuselig unterwegs als viele Kollegen und liefern eine schöne Platte ab.

Trackliste

  1. 1. Tonitro
  2. 2. Bare My Bones
  3. 3. Kith And Kin
  4. 4. Cabin
  5. 5. Knives
  6. 6. Still Life
  7. 7. Caramel
  8. 8. Red Gold

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LAUT.DE-PORTRÄT Brontide

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4 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    Bisher eine meiner Lieblingsplatten dieses Jahr. Für mich braucht Postrock einfach diese gewisse Härte, dieses Wechselspiel zwischen laut und leise. Sonst wird es mir irgendwann zu eintönig. Hier stimmt die Mischung!

  • Vor 9 Jahren

    Hatte mir leider ein bisschen zu viel erwartet. Solide Scheibe für ihr Genre! 3/5, aber da hör ich mir lieber die neue SLEEPMAKESWAVES an.

  • Vor 9 Jahren

    Nach sicher 20 Durchläufen kann ich inzwischen sagen, dass diese Platte meiner Meinung nach mit zu den dynamischsten und spannendsten Alben im so unscharfen Genre "Postrock" gehört. Wo andere Bands nur der Atmosphäre frönen und daher nicht selten an der Langeweile entlangschrammen, schaffen es Brontide, legen Brontide mit diese Album viel mehr wert auf Temerament. Ständiger Wechsel von ruhigeren Sequenzen und richtigen Abräumer-Riffs machen einfach unglaublich viel Laune im Gehörgang.

    Alle 8 Songs machen im Laufe ihrer knapp 4 bis fast 8 Minuten eine musikalische Entwicklung durch, die anderen Postrock-Werken nicht einmal in 60 Minuten gelingt. Darüber hinaus gehen die einzelnen Titel mehr oder weniger in einander über und wenn man das Album einmal komplett durchhört, wirkt es trotz seiner Vielschichtigkeit wie eine in sich geschlossene Komposition.

    Meiner Meinung das beste Postrock-Album seit Mogwais "Hardcore will never die but you will" und damit neben allen anderen Genres wohl eines der besten Alben dieses Jahres.

    In diesem Sinne 5 Sterne!!!