laut.de-Kritik

Groovy Mixtape für Freunde oder Glücksmomente.

Review von

Spätestens seit Petze Nick Hornby in "High Fidelty" alles ausgeplaudert hat, wissen wir, dass hinter einem Mixtape mehr als eine mal eben schnell zusammen geschusterte Abfolge von Songs steckt. Kassette, CD und sogar schnöde Playlist entscheiden über Glücksmomente, Freundschaften und Beziehungen. "Es gibt eine Menge Regeln. Sei vorsichtig. Es ist schwierig, mit den Worten anderer zu sagen, was du fühlst."

Der Swing-Sampler von Caro Emerald ist im Grunde auch nichts anderes als ein Mixtape. "Drum Rolls & Heartbreaks" verbindet Klassiker verschiedener Epochen zu einer Aussage. Auf der noch anhaltenden Welle von "Deleted Scenes From The Cutting Room Floor" soll er uns, unter Beitrag eines kleinen Scherfleins, über "Live From Amsterdam" zum Nachfolger des Debüts reiten.

Wobei leider völlig offen bleibt, in wie weit Emerald überhaupt beim Zusammenfinden der einzelnen Gassenhauer involviert war. Schließlich präsentiert sie "Drum Roll & Heartbreaks" nur. Das kann so einiges heißen. Aber mit ihrer "Dream A Little Dream Of Me" Cover-Version hat sie immerhin einen Fingerabdruck hinterlassen.

Zu diesem Stelldichein des Swings findet zusammen, was Rang und Namen hat. Von Billie Holiday, Shirley Bassey, Ella Fitzgerald, Doris Day bis hin zu Bing Crosby. Dieser darf aber nur an der Seite der gleich dreimal vertretenen 'America's Wartime Sweethearts' antanzen. Die Andrew Sisters sind mit "Aurora", "Toolie Oolie Doolie (The Yodel Polka)" und "Pistol Packin' Mama" gleich dreimal vertreten. Natürlich nippt auch Dean Martin an der Bar an seinem Gin Martini, während er mal wieder sein "Sway" zum Besten gibt. Hat der in seiner Karriere eigentlich kein anderes Lied aufgenommen?

Zu oft hält sich der Sampler an die Standards. Doch wenn Anita O'Day mit dem Stan Kenton Orchester wieder einmal "And Her Tears Flowed Like Wine" trällert, zeigt sich, dass die ewige Wiederholung diesen Liedern selbst nach über siebzig Jahren nichts anhaben kann. Der Charme und der oft schräge Humor, der sich allerorts aus den Texten schält, geht vielen heutigen Musikproduktionen vollends ab. "I hate you / 'Cause your feets too big", kann nur Fats Weller so süffisant von sich geben.

So schleichen sich die Tacks immer wieder heimlich in unsere recycelnde Pop-Kultur. Das von Lou Bega geschlachtete "Mambo No. 5" ist in der cleveren Live-Version der mexikanischen Legende Perez Prado, einst König des Mambo, vertreten. "Adios" von Les Baxter, nachhaltig für sein "Unchained Melody" bekannt, findet sich 1999 in "The Mambo Craze" von De-Phazz wieder. Neben Jessica Rabbit, sexy Eheweib von Roger, darf wohl nur noch Della Reese "Why Don't You Do Right" singen.

Das energiegeladene Spiel und die harten Beats von Gene Krupa beeinflussten viele ihm folgende Schlagzeuger. Er war der erste, der ein komplettes Drumset nutzte und machte zudem lange Schlagzeug-Soli populär. Sein "Drum Boogie" strotzt vor Big Band-Power. "It Really Is A Killer!"

Sarah Vaughan haucht sich verrucht und surreal durch "Whatever Lola Wants (Lola Gets)". Gleich zweimal kommt Eartha Kitt zum Zuge. Gerade der Cole Porter-Song "My Heart Belongs To Daddy" scheint der bissigen Catwoman aufs Leib geschneidert und überragt "Mambo De Paree" um Längen.

Etwas aus der Reihe fallen Martin Denny mit seinen imitierten Vogelstimmen auf dem von Congas getragenem nächtlichem Instrumental "Martinique" und Tex Williams mit dem Country-Swing "Smoke! Smoke! Smoke! (That Cigarette)". Der im Talking Blues-Stil vorgetragene Titel wurde zuletzt wieder durch den Film "Thank You For Smoking" hochgespült. "Smoke, smoke, smoke that cigarette / Puff, puff, puff and if you smoke yourself to death."

Lässt man sich auf diese nostalgische Welt, voll gespickt mit raffinierten Arrangements, ein, gerät zur Nebensache, wer sie zusammengestellt hat. Um es mit den Worten von Jimmy Dorseys Opener zu sagen: "Man, that's groovy."

Trackliste

CD 1

  1. 1. Jimmy Dorsey & His Orchestra With Helen O'Connell – Man That's Groovy
  2. 2. Gene Krupa – Drum Boogie
  3. 3. Stan Kenton & Anita O'Day – And Her Tears Flowed Like Wine
  4. 4. Xavier Cugat – Green Eyes
  5. 5. Edmundo Ros & His Orchestra – Sorta On The Border
  6. 6. Enric Madriguera – One Night In Brazil
  7. 7. The Andrews Sisters With Bing Crosby – Pistol Packin' Mama
  8. 8. The De Castro Sisters – Teach Me Tonight Cha Cha
  9. 9. Dean Martin – Sway
  10. 10. Shirley Bassey – Kiss Me Honey Honey (Kiss Me)
  11. 11. Della Reese – Why Don't You Do Right
  12. 12. Jack Costanzo – I Love Paris
  13. 13. Perez Prado – Mambo No. 5 (Live)
  14. 14. Les Brown And His Orchestra – I've Got The Sun In The Morning
  15. 15. Tex Williams – Smoke! Smoke! Smoke! (That Cigarette)
  16. 16. Eartha Kitt – Mambo De Paree
  17. 17. The Andrews Sisters – Aurora

CD 2

  1. 1. June Christy – It's Been A Long, Long Time
  2. 2. Sarah Vaughan – Whatever Lola Wants (Lola Gets)
  3. 3. Doris Day & Les Brown – Sooner Or Later
  4. 4. Fats Waller – Your Feet's Too Big
  5. 5. Billie Holiday – Pennies From Heaven
  6. 6. Django Reinhardt & Jean Sablon – Darling, Je Vous Aime Beaucoup
  7. 7. Luis Arcaraz – Viajera
  8. 8. Martin Denny – Martinique
  9. 9. The Boswell Sisters – Heebie Jeebies
  10. 10. Xavier Cugat & Dinah Shore – The Breeze And I
  11. 11. The Andrews Sisters – Toolie Oolie Doolie (The Yodel Polka)
  12. 12. Eartha Kitt – My Heart Belongs To Daddy
  13. 13. The Dinning Sisters – You're A Character, Dear
  14. 14. Lina Romay – Don't Get Around Much Anymore
  15. 15. Les Baxter – Adios
  16. 16. Chick Webb & Ella Fitzgerald – You're Gonna Lose Your Gal
  17. 17. Caro Emerald – Dream A Little Dream Of Me

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