laut.de-Kritik
Spiels noch einmal, Sam!
Review von Sven KabelitzWir hatten die Achtziger lange genug am Hals. Mittlerweile dauert deren Revival schon länger, als das eigentliche Jahrzehnt. Doch mehr und mehr stehen die Zeichen auf Veränderung. Während mit Mando Diao (mit "Aelita") wohl nun auch noch die letzte Indierock-Kapelle in Richtung A Flock Of Seagulls-Pop stolpert, weisen die Zeichen zunehmend in Richtung der Neunziger. Ladys, packt eure Buffalo-Plateauschuhe aus. In diesem Kontext eigentlich kein Wunder, dass sich die Cherry Poppin' Daddies nun wieder auf die Klänge besinnen, die sie einst berühmt und berüchtigt machten.
Mit dem Eurodance, der viele oft fälschlicherweise als alleinigen Sound der Neunziger betrachten, haben die Amerikaner freilich nichts am Hut. Sie stehen zusammen mit Big Bad Voodoo Daddy, Squirrel Nut Zippers und dem Brian Setzer Orchestra für den Neo-Swing, der Mitte des Jahrzehnts einen kurzen kommerziellen Höhepunkt erlebte und uns gepeinigten Deutschen über den Robbie Williams-Umweg solch lauwarme Abziehbildchen wie Roger Cicero und Tom Gaebel bescherte. Von der Punk-Attitüde und den politischen Aussagen, die manche der ersten Bands des Genres auszeichnete, blieb bei den deutschen Ausgaben nichts mehr übrig. Unwahrscheinlich, dass Feministen je zum Kampf gegen Cicero aufrufen.
Das große Bohei um Neo-Swing liegt jedoch bald zwanzig Jahre zurück. Die Cherry Poppin' Daddies widmeten sich nach unzähligen Umbesetzungen zuletzt mehr dem Ska und dem Punk. Mit "White Teeth, Black Toughts" kehren sie nun erstmals seit dem 1997 erschienenen "Zoot Suit Riot"-Album zum Swing und Jazz zurück. "Play it again, Sam / I want American music." ("I Love American Music")
Über dem ganzen Longplayer steht der leichtfüßige Opener "The Babooch". Als hätten die Cherry Poppin' Daddies die letzten Jahre nichts anderes gemacht, kreuzen sie mit einem hochgradig ansteckenden Ohrwurm wieder auf. Eingängig bedienen sie mit Big Band und viel Verve jedes Klischee des Genres. Wer hier nicht nach den ersten Takten das Verlangen verspürt, seinen Tanz-Partner im Jitterbug-Stil in die Luft zu heben und bis zur Erschöpfung herumzuschleudern, muss tot sein.
Von hier an lässt "White Teeth, Black Thoughts" nicht mehr locker. Munter und selbstverständlich verbinden die Mannen rund um Sänger, Gitarrist, Songwriter und Produzent Steve Perry die manchmal düsteren Texte hinter einer frechen Maske aus ungebändigtem Spaß. Gewitzt nutzt der Schalk seine Narrenfreiheit aus, um in seinen Texten, die unter dem Eindruck der 2007 begonnenen globalen Banken- und Finanzkrise entstanden, Parallelen zur Great Depression zu ziehen. Erstmals covern die Daddies mit Wynonie Harris' "Bloodshot Eyes", Bull Moose Jacksons "I Want A Bowlegged Woman" und Louis Jordans "Doug The Jitterbug" Songs aus dieser Ära.
Der verliebte Blick in den Rückspiegel geht so weit, dass die Band das charmante "Jakes Frilly Panties" mit einem schrecklich künstlichen und komplett übertriebenen Vinylrauschen verhunzt. Im Gegenzug dazu beginnt die subtile Geschichte der "Brown Flight Jacket", die der Protagonist von seinem Großvater an dessen Sterbebett geschenkt bekommt, mit vorsichtig eingeflochtenen Synthesizern.
Spaß bescheren "White Teeth, Black Thoughts" und die Rückkehr der Daddies allemal. Mehr als einmal regt die Platte zum Nachdenken an. Doch schon bald wird einem bewusst, das wir auf dieser Party schon einmal gewesen sind. Sie ging schneller vorbei, als wir dachten. Es macht Laune und es ist nett, noch einmal mit den alten Freunden abzuhängen. Mit unserem heutigen Leben hat das alles aber nichts mehr gemeinsam. Zudem hätte irgendjemand in Zwischenzeit ruhig mal den überquellenden Aschenbecher wegräumen können. Also, Dean Martin-Gedächtnis-Whiskey ausschlürfen, Mund abwischen, einmal lässig schnipsen und weiter gehts. Was bleibt, ist "The Babooch". "Bunga Bunga".
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