laut.de-Kritik
Ehrenrunde durch den eigenen Katalog.
Review von Mirco LeierWie setzt man einen angemessenen Schlusspunkt unter einer Karriere, die sich über die Jahre zu einer Art artistischer Hydra verselbstständigte? Es ist so schwer, Donald Glovers musikalisches Schaffen unter dem Moniker Childish Gambino auf ein finales Statement herunterzubrechen, weil es sich seit seinen Anfangstagen als nerdiger Community-Rapper, bis zum sexy Soul-Revivalist stets mit Händen und Füßen gegen jede Form von Stillstand wehrte. Mit jedem neuen Album wurde der inoffizielle Untertitel, dass es wahrlich nichts gibt, was dieser Mann nicht kann, ein wenig mehr unausweichlich.
Wobei diese Lobhudelei den Rahmen vielleicht doch ein wenig sprengt. Es gibt tatsächlich wenig Dinge, die Donald Glover nicht beherrscht, nur würde man seinen strahlendsten Momenten unrecht tun, wenn man all seine Talente und musikalischen Fingerübungen auf den gleichen Podiumsplatz stellt. Ein Fratboy-Anthem wie "Bonfire" spielt schließlich nicht mal im selben Universum wie "Redbone", und auf seinem letzten Album hatte man bisweilen ein wenig das Gefühl, dass Glover von seiner eigenen Artistik besoffen sei. Viel hilft nämlich auch in seinem Fall nicht immer viel.
Dennoch stellt sein Abschied von Gambino eine maximalistische Zelebrierung all der Ideen und Ansätze dar, die seinem Hirn entsprungen sind, seitdem er in einem One Take durch eine Lagerhalle turnte und sein Riesen-Gemächt als “Big Bang Theory” bezeichnete. "Bando Stone And The New World" gibt sich nicht damit zufrieden uns eine Facette von Donald Glovers musikalischem Können zu präsentieren, es erklärt den zuvor inoffiziellen Untertitel endgültig zum Mission Statement: Ich kann alles, ich mache alles, jetzt, hier sofort!
Auf dem Papier lässt sich der Unwillen, sich auf eine Stimmung, einen Sound, eine Ästhetik festnageln zu wollen, damit erklären, dass dieses Album nicht nur die Persona Childish Gambino beerdigt, sondern auch den gleichnamigen SciFi-Film Glovers begleitet, und der sieht wahrlich nicht so aus, als wäre er tonal eintönig. In Wirklichkeit ändert das allerdings rein gar nichts am Hörerlebnis, das sich mehr als einmal so anfühlt, als hätte man eine Spotify-Playliste angeschmissen und auf Shuffle gedrückt. Die kurzen Clips aus dem Film, die manche der Songs eröffnen oder schließen, gaukeln uns vor, dass hier ein roter Faden durchläuft, aber dieser Faden hat schon nach drei Songs mehr Knoten als ein Rosenkranz.
Glover fackelt hier nicht lange herum. Der öffnende Run dieser LP wirft uns mit ordentlich Schmackes in einen auf Hochtouren laufenden Schleudergang. Der Opener "H3@RT$ W3RE M3@NT T0 F7¥" erinnert mit seiner skelettalen industrial-Instrumentierung an Kanyes "Yeezus", fühlt sich bei genauerem Hinsehen allerdings ein wenig nach Augenwischerei an. Das folgende "Lithonia" eröffnet wiederum einen völlig neuen Abzweig in Glovers Mikrokosmos und entführt uns auf eine psychedelische Alt-Rock Odyssee. Der Song knackt noch nicht einmal die Drei-Minuten-Marke, aber lässt in seiner Klimax dennoch die Intensität einer ausgewachsenen Rock-Opera aufflammen. Es ist einer dieser Momente, die einem wieder vor Augen führen, dass Gambinos Versatilität kein Phrasen-Luftschloss ist, und neben dem ein oder anderen Rohrkrepierer eben auch immer wieder Meisterstücke wie dieses hervorbringt.
Doch auch wenn "Lithonia" das artistische Kronjuwel dieses Albums, und darüber hinaus auch seiner jüngeren Karriere darstellt, erlaubt sich Gambino mit seinem letzten Album nahezu keine groben Schnitzer. Allen voran, weil er weiß, was er tut. "Bando Stone" ist über weite Strecken ein Album für Fans, weil es musikalische Nuggets aus jeder einzelnen Ära Gambinos bereithält, und bei der Zubereitung auf allzu große Experimente verzichtet. Ich bin mir sicher, dass jeder, der bisher mit irgendeinem Song in Glovers Katalog etwas anfangen konnte, hier fündig werden wird.
"Steps Beach" geht den selben verträumten Pop-Strand entlang, der er zuvor bereits auf seiner "Kauai"-EP umgrub, auf "Survive" findet er den müden Witz von "Because The Internet" wieder, legt sorgfältig seine R’n’B-Schlaufe darum und zieht sachte zu. Während "In The Night" mit seinem Throwback-Crooning wie ein Überbleibsel aus "Awaken My Love" daherkommt. Selbst die Zeit, in denen Gambino vorrangig Rapper und zweitrangig Künstler war, lässt er auf "Talk My Shit" und dem grandiosen "Yoshinoya" nochmals aufleben, das es tatsächlich versteht, einen Beat-Switch nicht nur zur Effekthascherei einzusetzen, und beweist, dass dieser Mann es über die Jahre nicht verlernt hat, die Konkurrenz mit Zingern hochzunehmen, die mit größtmöglicher Unaufgeregtheit an der Grenze zur Corniness vorbeischrammen : "N*ggas jokes are so dad/ but haven't seen they son in a month"
An anderer Stelle führt Gambino die Rock-Ambitionen, die er auf "Lithonia" nahezu perfektionierte, in anderen Geschmacksrichtungen fort. "Real Love" dreht den Verstärker runter und verlegt die Jam-Session zwischen Palmen und Zuckerwatte, während sich "Running Around" vorsichtig an Gute-Laune-Pop-Punk herantraut, und auch dank Unterstützung von Willow und Foushee, den Himmel in ein wunderschönes spätsommerliches Mandala verwandelt. Eine Stimmung, die auch noch in die folgende zuckersüße, Blues-Jam "Dadvocate" überschwappt, die Gambinos Lebens als Familienvater wie die coolste Sache der Welt klingen lässt.
Bei diesem bewusst unfokussierten Konzept und dieser Anzahl an Songs, scheint es dennoch fast unausweichlich, dass nicht jeder blinder Wurf mit dem Dartpfeil auch im Bullseye landet. Der Khruangbin Solo-Track "Happy Survival" fühlt sich tatsächlich am ehesten nach einem traditionellen Film-Score an. Allerdings nicht zu einer SciFi-Comedy, sondern zu einem A24 Hippie-Western, und wirkt in der Folge vollkommen überflüssig. Das Duett mit seinem Sohn "Can You Feel Me" ist beim ersten Mal Hören ganz schön süß, beim zweiten Mal völlig egal, und das überlange "No Excuses", das auf eine Melodie aus “Atavista” aufbaut und diese in Tandem mit Oppenheimer-Scorer Ludwig Göransson und Kamasi Washington zu einem Ambient-Piece weiterentwickelt, fühlt sich entsprechend seiner Vorlage etwas hochgestochen und langatmig an. Gambino bleibt auch hier am besten, wenn er sich weniger als erwachsener Grammy-Künstler und mehr als nerdy Hitmaker versucht.
So unberechenbar und all over the place das Album musikalisch ausfällt, so wenig lässt sich Gambino auch lyrisch auf ein wirklich finales Statement herunterbrechen. Unterm Strich steht, dass Glover ein glücklicher Vater ist, seine Familie liebt, und die Schnauze voll von der Rap-Szene hat. Einem tatsächlichen Schlusspunkt am nächsten kommt der phänomenale Synth-Trap-Hybrid "A Place Where Love Goes", der das Album schließt. Nicht nur zünden Gambinos explodierende Stimmbänder buchstäblich das Feuerwerk vor dem Abspann, auch das was er da singt, lässt sich wohl ebenso sehr als Konklusion des Films lesen, wie auch als das beruhigte Gewissen eines getriebenen Künstlers: "All my life / I had to try to survive / But it is all right now / We found a place /A place where love goes"
Aber "Bando Stone And The New World" befasst sich mit dieser Form von Endgültigkeit nur rudimentär. Es will weniger ein Album sein, das seinem Abschied mit Pathos oder Bedeutungsschwere entgegentritt und vielmehr eine Ehrenrunde durch den eigenen Katalog, bei der fast nebensächlich noch die letzten Hirnwindungen noch nach ein paar neuen Ideen ausgeleuchtet werden. Weniger ein 'Cry because it’s over' und mehr ein 'Smile because it happened.'
In der Folge ist es kein perfektes Album, aber auch genau deshalb könnte es keinen passenden Abschluss für das Projekt Childish Gambino geben. Selbst wenn man dieses Album besonders zynisch angehen möchte und mit diesem Streuschuss-Ansatz nichts anfangen kann, muss man zugeben, dass niemand in der aktuellen Musikszene weder fähig ist, noch die Eier dazu hat, ein solches Album auf die Beine zu stellen, und danach die weiße Fahne zu hissen.
Wie groß das Loch ist, das Donald Glover mit seiner Abkehr von Gambino hinterlassen wird, scheint momentan noch schwer einzuschätzen, aber alleine gemessen an diesem Album, ist es nicht nur unmöglich zu bestreiten, dass dieses Loch existiert, sondern, dass es in absehbarer Zukunft auch niemand anderes füllen kann.
5 Kommentare mit 2 Antworten
Keine Erwähnung zum gleichnamigen Film?
"Camp" und auch die namenlose "EP" von 2011 laufen bei mir immer noch ab und zu. Musikalisch wirklich großes Kino; auch schon recht vielseitig aber in sich geschlossen und rund.
Die Folgealben wurden ja dann stilistisch immer wilder und haben mich nicht mehr abholt. Sicherlich ein großer Künstler, der Donald, aber mit jedem neuen Output noch ne Schippe draufzulegen um zu zeigen, was man noch so drauf hat, ist dann nicht mehr so meins.
Musikalisch heillos überschätzter Typ.
Lief in der Releasewoche rauf und runter, als ich im Urlaub war. Seitdem aber nicht einmal mehr gehört und irgendwie auch kein Interesse daran. Für den richtigen Moment cool aber nichts was auf Dauer fesselt. Hab auch das Gefühl dass seine Alben immer etwas zu sehr mit Ideen überfrachtet sind, obwohl sich dann vieles doch immer gut einfügt. Guter Sommer Soundtrack für 2024 mit einigen interessanten Sounds aber darüber hinaus auch nicht viel mehr. Zumindest für mich.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Monaten durch den Autor entfernt.
Gambino? Treten die Toten Hosen jetzt in Sachsen mit Blackfacing auf?
Haha. Der Witz ist childish.