laut.de-Biographie
Chinese Man
Besonders viel lässt sich über die drei Knaben, die sich hinter dem Banner Chinese Man verstecken, nicht in Erfahrung bringen. Mit einem allerdings halten die Franzosen nicht hinterm Berg: Es geht um Vinyl.
Die Mitglieder des DJ-Kollektivs, die die klangvollen Pseudonyme Zé Mateo, Sly und High Ku tragen, begegnen sich in Marseille. Die Leidenschaft für das Stöbern in alten Plattensammlungen und die ständige Suche nach abgedrehten, unverbrauchten Sounds führt sie 2004 zusammen.
Obwohl im Hip Hop verortet, haben sie mit der französischen Rap-Szene so ihre Probleme. "Sie ist sehr reichhaltig, es gibt eine ganze Menge Künstler", so Sly im Interview mit Fairtilizer. Aber: "It sucks!"
"In meinen Ohren hört sich das alles wie ein pathetischer Abklatsch von kommerziellem US-Rap an", schimpft Sly weiter. "Es mangelt an Kreativität, an Freshness, alles klingt gleich, jeder hat den selben Flow und die selben dämlichen Lyrics. Ich glaube, Hip Hop ist so viel besser, wenn man die dummen Rap-Klischees beiseite lässt und künstlerische Risiken eingeht."
Damit formuliert Sly seinen und den Anspruch seiner Mitstreiter. Gemeinsam durchforsten sie erst die Plattenschränke ihrer Onkel, Tanten und teils weit gereisten Großväter, dann Plattenläden und Flohmärkte, wo immer sie welche entdecken.
In ihre Klangcollagen, die "zu einhundert Prozent auf Vinyl" entstehen, fließen Jazz, Soul, Dub, Afro Beat, Baile Funk, Weltmusik und Elektro genau so ein wie Geräusche, Filmsamples, Schnipsel aus Reden und was auch immer die Herren unter die Nadel bekommen. Immer wieder arbeiten sie auch mit befreundeten MCs zusammen.
Ein Zitat aus "Ocean's Eleven" verpasst der Crew den Namen: Aus dem Ausspruch eines Darstellers - "Chinese man, Chinese man" - basteln sie sich ihre Erkennungsmelodie.
In den Folgejahren entstehen zahlreiche EPs und Maxis. Letztere erscheinen später zusammengefasst unter dem Titel "The Groove Sessions" - natürlich immer auch im Vinylformat.
"Chinese Man Records ist zu allererst einmal ein Vinyl-Label", erklärt Zé die Philosophie der eigenen Veröffentlichungsplattform. "Chinese Man Records wurde gegründet, um Vinyl zu veröffentlichen. CDs und digitale Releases kamen erst dazu, als die Kundschaft danach verlangte."
High Ku ergänzt: "Das Publikum für digitale Veröffentlichung ist ein anderes als das für physische Tonträger. Uns ist es immer noch wirklich wichtig, den DJs und dem Publikum, das diesen ganz speziellen Sound zu schätzen weiß, Vinyl an die Hand zu geben."
"Band, Label, Brotherhood." Hinter Chinese Man steckt all das. Ihren Sound weiß 2008 auch ein Hersteller deutscher Nobel-Karossen zu schätzen und kauft ihren Track "I've Got That Tune" für einen Werbespot ein. Chinese Man erleben einen Popularitätsschub.
An ihrer Arbeitsweise ändert sich wenig: Noch immer sammeln sie Samples von alten Platten und holen sich die Erlaubnis zur Verwendung bei den betreffenden Künstlern meist persönlich ein. Gospel-Sängerin Ella Jenkins spendiert so nicht nur ihre Stimme, sondern verpasst dem Anfang 2012 erscheinenden Album "Racing With The Sun" auch gleich den Titel.
Auch Live beweisen Chinese Man, dass sie ihr Handwerk beherrschen und veröffentlichen 2013 "Live A La Cigale". Gegenüber der Berliner taz offenbaren Chinese Man das Bild, das sie beim Erstellen ihrer Tracks antreibt: "Eine klassische Geschichte mit Anfang und Ende erzählen wir nicht", so Sly. "Wir setzen auf die Fantasie unserer Hörer."
Auf ihre eigene Kreativität und die, von zahlreichen Features setzen Chinese Man bei ihrer dritten "Groove Session" 2014. Die Hälfte der 14 Tracks stammen von dem Trio persönlich, wobei sie sich stilistisch wieder sehr breit aufstellen. Hip Hop gibt es mit "Once Upon A Time" auf die Ohren, für das sie sich MC Tumi aus Südafrika in sStudio holen.
Aber auch Dub, Trip Hop und Drum'n'Bass servieren die Franzosen. Die auf dem eigenen Label beiheimateten Deluxe steuern ebenso zwei Tracks bei, wie die Reggae-Legende Johnny Osbourne, der sich bei "Independent Music" die Lyrics mit Taiwan MC teilt.
Im darauffolgenden Jahr erscheint mit "Sho-Bro" eine EP mit acht Songs: zwei neue und sechs Remixe. Verantwortlich für die Remixe zeichnen unter anderem High Tone, die dem Trip Hop-Track "Siempre Estas" einer Dub-Kur unterziehen und DJ Nu-Mark, der für den Opener "Sho-Bro" einen neuen Beat produziert.
Den umtriebigen Franzosen reicht das aber nicht, und so schicken sie noch im selben Jahr auf "The Journey" zehn neue Songs hinterher. MC Tumi ist wieder dabei, der Untertitel der Platte lautet: "A Musical Trip Hosted By Tumi And Shaped By Chinese Man" . Erneut lassen sie ein Sample-Gewitter auf den Zuhörer los. Oldschool-Beats treffen auf orientalische Melodien und auch vor Instrumenten wie dem Xylophon wird kein Halt gemacht.
Die Musik der Chinese Men bleibt eine Reise: "Wir stellen uns einen Weisen vor, der die Welt bereist, auf der Suche nach seltenen Sounds", erklärt Zé Mateo. Und wir sind eingeladen, die Crew auf ihrer Reise zu begleiten.
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