laut.de-Kritik
Auf Solopfaden in Bestform.
Review von Kai ButterweckWer vor acht Jahren als Freund von angerockter Singer/Songwriter-Kunst etwas enttäuscht vor den heimischen Boxen saß, weil Chuck Ragan beim Score zum Videospiel "The Flame In The Flood" keinen wirklichen Hit verewigen konnte, der springt nun beim ersten Durchlauf seines neuen Solowerks "Love & Lore" bereits nach den ersten beiden Songs vor Freude im Dreieck. Während der Opener "All In" all die Flanellhemdträger mit Westerngitarre-Tattoos abholt, richtet sich Ragan mit dem anschließenden "Wild In Our Ways" an die Indie-Rock-Fraktion – und das mit viel Druck, Spielfreude und Elan.
Es wird sogar noch besser. Das schunkelnde "Northern World" kommt mit guter Laune und einem Refrain mit Ohrwurm-Potential um die Ecke. Der Hot Water Music-Gründer hat hörbar Spaß an seiner neuen Produktion: "Ich treffe so viele Leute da draußen, und sie sind so freundlich und sagen mir so nette Dinge über die Songs. Mir ist es wichtig, diesen Menschen genauso viel zurückzugeben", erklärt der Amerikaner. Man hört's. Auch das folgende "Echo The Halls" öffnet sich im Chorus wie das Flügelwerk eines Schmetterlings und lässt den Hörer nicht mehr los. Schade nur, dass man einen solchen Song am Ende trostlos ausfaden lässt. Egal, klassisches Meckern auf höchstem Niveau.
Mit dem Blick in Richtung kalte Jahreszeit geht's musikalisch ans wärmende Lagerfeuer ("Winter") und von dort aus zurück ins Heartland-Herz ("Aching Hour"). Abwechslung wird auf "Love & Lore" großgeschrieben. Einem weiteren Abstecher ins Reich der Gemütlichkeit ("Waiting Out The Storm") folgt ein Ausflug in Country-Gefilde – und das nicht allein. Gemeinsam mit Genre-Sternchen Paige Overton steigert sich Chuck Ragan in einen stimmlichen Rausch aus nachhaltigen Harmonien ("One More Shot"). Und dann sind es wieder nur die Akustische und die Stimme des Hauptprotagonisten, die Gänsehaut bereiten ("Reel My Heart").
Zum Abschluss haken dann alle noch einmal ein und feiern das große Ganze. Mit dem finalen "Hanging On" zieht Chuck Ragan musikalisch Bilanz und fasst alles zusammen, was in den vergangen 35 Minuten für Hochstimmung im Hörerzimmer sorgte. Die akustische vereint sich mit der angezerrten Klampfe. Das Schlagzeug bringt die Massen mit einem simplen aber effektiven Beat auf Touren. Und der Sänger am Mikrofon wirft ein letztes Mal alles in die Waagschale. So endet der Spaß wie er angefangen hat: mit guter Laune, viel Qualität und einem Sänger in prächtiger Verfassung.
Noch keine Kommentare