laut.de-Kritik

Ein Antidot gegen Dauerbelastung, aber auch vorhersehbar.

Review von

"Die Band mit dem einen Übersong, den sie nun auf drei Alben ausbreitet, ist zurück. Damit ist die Rezension beendet. Schönen Tag noch..." geistert einem wie die mal wieder traumhafte Stimme von HH durch den Kopf. Warum noch lange darüber schreiben, was sehr offensichtlich scheint und jeder schon ahnte bzw. erhoffte. Cigarettes After Sex bleiben ein Phänomen. Ein schön-trauriges Grundgefühl, mit der Garantie auf ein herrliches Leiden. Klick einfach auf den Play-Button und der beste Herzschmerz deines Lebens folgt. Da weint sogar der seit Jahren überzeugte Junggeselle und möchte wieder verliebt sein, nur um sich instant zu trennen und damit den Schmerz zu inhalieren. Cigarettes After Sex-Alben stürzen Frisch-Entliebte endgültig in niemals endende Traurigkeit oder bringen glückliche Singles dazu, dass sich genau wieder den Moment zurückwünschen.

Genau dieser ASMR-Rock erweitert trotz medialer Zurückhaltung die weltweite Zuhörerschaft. Die androgyne Stimme von Sänger Greg Gonzalez, die immer noch für Verwechslungsgefahr mit Romy Madley Craft von The XX sorgt, beruhigt gerade die junge Gen Z-Zuhörerschaft. Ein Antidot gegen Dauerbelastung und anscheinend die Vertonung eines Lebensgefühls, aber auch große Vorhersehbarkeit. Der konsequente, repetitive Ansatz trifft eben auch den Nerv der Zeit, in der alle wie im Schockmodus in der Sicherheitszone verharren.

Die Songs heißen nun "Baby Blue Movie" oder "Holding you, Holding me" und klingen dabei exakt wie die der TikTok-Überhit "Apocalypse" oder im Grunde genommen wie jeder andere Song. Wer schon ein Cigarettes After Sex-Album besitzt, benötigt nicht dringend noch mehr. Egal ob Artwork, Lyrics oder Slowcore-Dreampop, die Band aus El Paso bleibt ihrem Erfolgsmuster mit fast schon katholischer Ergebenheit treu. Wer diese Band mag, möchte keine weitere Überraschung in seinem Leben. Die Staffel Nummer Drei der ewigen Teenager-Depression führt den Erzählstrang weiter, diesmal mit mehr Budget und etwas mehr Hochglanz. Dissonanz-Geräusche muss keiner befürchten, alles bleibt im mechanisch-perfekten Schwelge-Sound. Nur "Baby Blue Movie" zieht etwas die Geschwindigkeit an und holt den Hörer aus dem wohligen Dämmerschlaf heraus. Hier verschwindet der traurige Dauernebel und fast taucht etwas Dynamik auf.

Das alles klingt viel fieser, als es gemeint ist. Cigarettes After Sex sind zwar mittlerweile ihr eigenes Klischee, aber an einem schönen Gemälde mag man sich eben auch nicht satt sehen.

Das Höchstmaß an Edel-Ästhetik rettet auch wieder "X's", aber sie sollten es mit ihrem gemütlichen Sofa-Dreampop nicht übertreiben. Aus kommerzieller Sicht gibt es natürlich keinen Grund, den Erfolgsweg weiter zu verändern, künstlerisch herrscht mittlerweile Stillstand. Eine Art Abmachung zwischen Fans und Bands, die beide Neuerungen wie der Vampir das Tageslicht fürchten. Der Shuffle-Modus bringt sie grundsätzlich nach Hause, weil jedes noch so kleine Experiment vermieden wird. Ein dichtes, aber auch sehr empfindliches Gebilde weben sie dort. Ein hochpräzises Spinnennetz, in dem jeder Faden an der falschen Stelle die Stabilität des fragilen Konstrukts enorm gefährdet.

Etwas schneller und "Dreams From Bunker Hill" wäre ein nahezu fröhlicher Pop-Song, eine Tonstufe niedriger und die Sex-Lyrics klängen plötzlich bedrohlich. Eine bleistift-schmale Linie, auf der die Band mit größter Vorsicht balanciert und lieber den perfekt eingestellten Autopilot aktiviert. Nicht hinter jeder Rauch-Schwade verbirgt sich ein großes, dunkles Geheimnis, manchmal ist es auch nur ein verqualmtes Beamten-Zimmer.

Trackliste

  1. 1. X's
  2. 2. Tejano Blue
  3. 3. Silver Sable
  4. 4. Hideaway
  5. 5. Holding you, Holding me
  6. 6. Dark Vacay
  7. 7. Baby Blue Movie
  8. 8. Hot
  9. 9. Dreams From Bunker Hill
  10. 10. Ambien Slide

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3 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor einem Monat

    Ekelhafte Musik für Nicht-Männer.

  • Vor einem Monat

    Ich frage mich bei solcher Art Rezensionen, wofür das Rezipieren von Musik überhaupt gut sein soll. Kreativ mutet sie wie ein elhotzo-Post an, wobei sich dessen Originalität zumeist auf die Widersprüchlichkeit des gesellschaftlichen Zeitgeistes bezieht. Trotz dem Repetitiven bei einer Band wie Cigarettes After Sex besitzen sie eine Signatur, die den schöpferischen Aspekt dieser Rezension um ein Vielfaches übersteigt.

    • Vor einem Monat

      Dieser Kommentar wurde vor einem Monat durch den Autor entfernt.

    • Vor einem Monat

      Ich frage mich bei solchen Kommentaren, ob die Kommentierenden überhaupt lesen können.

      Dass die Band nen eigenen Sound hat, bestreitet der Rezenent doch gar nicht, er spricht ihr "Erfolgsmuster" wörtlich an; die Band sei gar "ihr eigenes Klischee" geworden. Legt er ihnen ja gar nicht mal unbedingt zum Nachteil aus.

      "die den schöpferischen Aspekt dieser Rezension um ein Vielfaches übersteigt."

      Dämlicher Vergleich. Das eine ist Musik, das andere die Besprechung von Musik. Es geht nicht darum, etwas gleichwertig Künstlerisches zu liefern (wie würde dies, bei unterschiedlichen Medien, auch funktionieren? soll der Rezensent die Rezension vorsingen?), es geht darum, etwas zu besprechen, unterhaltsam.

      Darüber hinaus: trotz *des* Repetitiven, Genitiv, bitteschön. Und jetzt lösch dich.

    • Vor einem Monat

      Immer süß, wenn man anderen mangelnde Kreativität vorwirft, um im nächsten Satz auf den - natürlich komplett eigenständig und gar nicht rechts Twitter gehirnzerfickt adaptierten - Hate-Train gegen El-Hotzo aufzusteigen.

  • Vor einem Monat

    Sehr treffend beschrieben. Es ist sehr schöne Musik, aber die Überraschung beschränkte sich auf das erste Album. Gute oder zumindest grundsolide Songs verpackt in einen konsequent melancholischen Sound. Drei Alben reichen locker aus für diesen Mood. Sie werden den Mut aufbringen müssen zur Evolution, sonst wird die Karikatur zum Witzbild.