23. Januar 2017
"Ich klinge nicht wie Kurt Cobain!"
Interview geführt von Patrick BinderStillstand ist nicht Dylan Baldis Ding. Deshalb wird das am 27. Januar erscheinende Album "Life Without Sound" etwas anders klingen als bisher von den Cloud Nothings gewohnt. Wir sprachen mit ihm über Weiterentwicklung des Sounds, die wirklich wichtigen Dinge im Leben, Fotografie und seine Hörgewohnheiten.
Hallo Dylan, du bist gerade in Berlin. Irgendwelche Pläne für heute Abend?
Dylan Baldi: Ich muss eine Menge Promozeug erledigen, und ich habe noch herausgefunden, dass ich heute Abend eine Show spielen muss, von der mir niemand erzählt hat. Ich spiele ein Akustikset im Ramones-Museum. Danach lege ich noch für meine Freunde in einer Bar auf.
In deiner neuen Single "Modern Act" heißt es "Can't stand the modern act". Was meinst du damit?
Ich denke, der ganze Song handelt in gewisser Weise von der Verwirrung durch Oberflächlichkeiten. Vom Festhalten an den Dingen, die wirklich wichtig und von Bestand sind, und dass man nicht so etwas Trivialem wie Trends hinterherrennt. Für mich ist es in dieser Hinsicht wichtig, bodenständig und ausgeglichen zu bleiben.
Im Clip zu dem Song seht ihr wie alte Männer aus. Hast du Angst vor dem Ältwerden?
Ich glaube nicht, dass ich Angst vor dem Älterwerden habe. Sicherlich macht es keinen Spaß zu sterben, aber der Clip war eigentlich nur eine blöde Idee, die wir hatten, und die dann eher zufällig zu einem richtigen Video wurde. Und jetzt ist es das Video zu "Modern Act". Da hat sich eben so ein Kerl in Cleveland gefragt, wie es wäre, wenn wir alt wären und einer von uns sterben würde. Und das wars eigentlich schon.
Der Track klingt auch eher wie ein Pop-Punk-Song und nicht mehr so hart, wie deine vorherigen Sachen. Bist du von deinem älteren Lo-Fi Sound gelangweilt?
Ich bin nicht gelangweilt von dem älteren Sound. Ich versuche nur gerne, die Dinge immer ein bisschen anders zu machen. Ich will mich lieber weiterentwickeln als stehen zu bleiben oder irgendwie Rückschritte zu machen. Anstatt zwei Mal das Gleiche will ich lieber etwas Neues machen. Warum sollte man denn etwas machen, das man schon mal gemacht hat? Veränderung bringt mir einfach mehr Spaß.
Kannst du mir etwas über die anderen Songs auf dem Album erzählen? Gibt es da ein bestimmtes Motiv?
Das Album heißt "Life Without Sound", weil das einerseits die Lyrics aus einem Song sind und andererseits, weil es das gesamte Motiv des Albums ganz gut zusammenfasst. Es geht um so ein Gefühl, dass da im Leben etwas ist, das man einfach nicht richtig versteht oder greifen kann. Als würde einfach der Sound oder der komplette Sinn fehlen. Verstehst du?
Ich dachte immer, wenn ich dahinter kommen würde, dann wäre alles großartig. Aber das stimmt nicht. Natürlich ist das nicht wahr. Es ist echt verrückt, so zu denken. Das Album handelt davon, damit klar zu kommen. Zu akzeptieren, dass die Realität bedeutet, einfach nur am Leben zu sein. Zu verstehen, dass man nicht alles bekommen kann, was man will und alle anderen um dich herum genau so wenig alles bekommen, was sie wollen. Jeder versucht halt irgendwie durch zu kommen. Es geht darum, sich das klar zu machen.
Wie läuft das Songwriting ab? Schreibst du die Songs alleine oder gemeinsam mit der Band?
Also für "Life Without Sound" habe ich mir eine richtig billige, beschissene Akustikgitarre in einem Musikladen in Massachusetts besorgt. Mit der wollte ich das ganze Album schreiben, und so hab ichs dann auch gemacht. Ich habe einfach bei mir zu Hause angefangen, an den Songs zu basteln und sie aufzunehmen. An diesen Akustikversionen habe ich dann so lange gearbeitet, bis ich sie der Band zeigen konnte. Die haben wir dann zusammen zu richtigen Bandstücken umgeschrieben, was noch mal ein langer Prozess war. Die Songs haben wir immer und immer wieder gespielt, hier und da was verändert und irgendwann war das Album dann fertig.
"Ich hätte gerne eine richtige Kamera, aber mir fehlt die Geduld"
Deine Stimme wird manchmal mit der Kurt Cobains verglichen. Was sagst du dazu?
Dem würde ich nicht zustimmen. Ich denke eigentlich nicht, dass ich wie Kurt Cobain klinge. Das behaupten zwar manche, aber ich glaube, das liegt daran, dass wir mal ein Album mit Steve Albini aufgenommen haben. Der wird mit Nirvana assoziiert, weil er eines ihrer Alben produziert hat. Und deshalb sagen die Leute, wir würden uns wie Nirvana anhören.
Deine Musik würde super in ein Skatevideo passen. Skatest du selbst?
Ich habe mal geskatet, als ich jünger war ... Oh warte mal, da draußen passiert irgendwas Verrücktes, ich muss kurz nachschauen, was da abgeht. Da geht ne Party oder sowas. Leute klatschen und drehen sich im Kreis ... Wow ...was geht denn da ab? Naja egal... Ja, also ich habe früher mal geskatet und bin da immer noch irgendwie drin. Aber ich informiere mich jetzt nicht über neue Skateboarder oder so. Hin und wieder schau ich mal ein Video an, und habe auch noch ein Skateboard, mit dem ich ab und zu rumfahre, aber ich bin nicht mehr wirklich gut.
In deinen Artworks verwendest du oft Fotografien. Machst du die selbst?
Ja, für meine letzten drei Alben habe ich die Fotos selbst gemacht. Ich mag Fotografieren, und wenn mir ein Foto gefällt, dann nehme ich das gerne als Artwork, wenn ich denke, dass es zum Album passt. Das Foto für "Life Without Sound" habe ich im Urlaub auf Jamaica vor eineinhalb Jahren gemacht. Das war eigentlich auch das einzige Foto, das ich dort geschossen habe. Es ist nichts besonderes, aber trotzdem ein schönes Foto.
Fotografierst du analog oder digital?
Ich nehme mein I-Phone. Ich hätte eigentlich gerne eine richtige Kamera, aber mir fehlt die Geduld, zu lernen, wie man die richtig benutzt. Also nehme ich einfach mein I-Phone...
Wohnst du noch immer in Paris?
Ich habe dort mehr oder weniger gewohnt. Ich habe viel Zeit dort verbracht, aber ich weiß auch nicht, ob man das wirklich als dort leben bezeichnen kann. Ich war ungefähr zwei Jahre da, dann bin ich zurück nach Cleveland gezogen, dann nach Massachusetts und dieses Jahr wieder zurück nach Cleveland.
Wo liegt der größte Unterschied zwischen Paris und Cleveland?
Da gibt es eine Menge Unterschiede. Wahrscheinlich sind da überhaupt keine Gemeinsamkeiten. Eigentlich ist alles komplett anders. Das Gute ist, dass ich mich in Cleveland mit Leuten unterhalten kann. Ich habe in Paris nie französisch gelernt, was etwas dumm von mir war, denn ich mag das Gefühl zuhause zu sein und mich mit Leuten unterhalten zu können.
"Musik, die nach den Cloud Nothings klingt, höre ich nicht""
Auf dem College hast du Saxophon studiert. Gibt es Jazz-Einflüsse in deiner Musik?
Wir sind keine Jazz-Band, aber viele der Akkorde und Tonalitäten, die ich benutze, kommen aus diesem Bereich. Ich stehe auf merkwürdige, umständliche Akkorde und vieles davon kommt daher, dass ich auf der High-School ziemlich viel von Bill Goffrier (Anm. d. Red.: Gitarrist bei The Embarrassment) usw. gehört habe. So ähnliche Akkorde und poppige Rock-Songs haben mich eigentlich mehr beeinflusst als der Jazz-Kontext.
Gibt es bestimmte Bands, die dich geprägt haben?
Ich höre keine Musik, die sich nach den Cloud Nothings anhört. Ich höre alles mögliche, aber es kommt selten vor, dass ich voll auf eine Rockband abfahre. Das letzte Jahr über habe ich mir eigentlich fast nur alten Dub, Reggae und Techno angehört, und das Album klingt überhaupt nicht so. Vielleicht kommt das langsamere Tempo auf dem Album daher. Ich mag repetetives Zeug, das sich hier und da ein bisschen verändert, aber die meiste Zeit irgendwie im selben Groove bleibt. Ich denke das habe ich in gewisser Weise auch versucht, aber die Songs bewegen sich trotzdem auch wie Standard-Rock-Songs.
Was für Techno hörst du denn?
Ich höre allen möglichen Techno. Ziemlich viel Minimal zum Beispiel. Ich habe Freunde in Cleveland, die machen ziemlich intensiven Techno. Im August war ich in Berlin auf dem Atonal Festival. Das ist wirklich ein unglaublich cooles Festival. Ein paar Freunde von mir haben dort ein Set gespielt. Prostitutes zum Beispiel. Der ist aus Cleveland und wirklich großartig. Donato Dozzy war auch da. Surgeon hat dort glaube ich nicht gespielt, aber der ist auch super. Warst du auch mal auf dem Festival?
Ich wollte mal hingehen, aber habe es dann doch nicht geschafft.
Es ist wirklich cool dort. Das ist in einem alten Kraftwerk, alles voller Rauch, alle tragen nur Schwarz und du kannst einfach überhaupt nichts sehen. Sehr cool, ich hatte da eine super Zeit.
Cabaret Voltaire haben dort vor zwei Jahren gespielt ...
Ach echt? Das ist ja krass! Jesus ...
Welches ist dein Album des Jahres?
Oh, das ist eine schwierige Frage. Ich habe ungefähr jede Woche ein neues Lieblingsalbum. Ich versuche so viel neue Musik wie möglich zu hören. Also diese Woche zum Beispiel stehe ich total auf das Album von Steve Hauschildt. Das ist so ein Synthesizer-Typ, der hat auch mal in der Band Emeralds gespielt, und der ist großartig. Sein neues Album ist echt verdammt gut. Sicher das Beste, was er bis jetzt gemacht hat. Und dann gibt es noch ein neues Album von einer Lady namens Mary Halvorson. Die ist eine klasse Jazz-Gitarristin. Das Album heißt "Away With You". Das kam erst kürzlich raus und ist auch wirklich gut. Ich glaube, da sind acht Leute in der Band, aber es ist trotzdem ein sehr gut arrangiertes Jazz-Album.
1 Kommentar
Mary Halvorson müsste ich auch noch hören. Die ist irgendwie untergegangen bei mir. Cabaret Voltaire mag er auch. Spricht von Stilsicherheit und Geschmack.