laut.de-Kritik
Vorfreude steigert sich zur Adrenalinflut.
Review von Erich RenzIm Wanderzirkus wogt ein Lichtermeer. Blinkende LED-Armbänder machen die Zuschauer im Stade de France Paris zu Teilnehmern einer Megalomanie. Für ein, zwei Stunden heben die ferngesteuerten Leuchtpunkte die Trennlinie zwischen Publikum und Band auf. Später hängen besonders Überwältigte die Bänder wie sonst Schlösser ans Eisengitter der Pont des Arts, um ihre Liebe zu Coldplay zu besiegeln.
Dazu: Graffititransparente, Eröffnungs- und Abschlussfeuerwerk, Riesenballone, Papierschmetterlinge, Laserstrahlen. In der aktuellen Popmusik gibt es keine praller gefüllte Illusion als diese. Selbst Instrumente und Protagonisten scheinen in einen Farbtopf gefallen zu sein.
Wenn es zehn Nummern kleiner wird und Coldplay "Violet Hill" im acht Kilometer entfernten Theater La Cigalle interpretieren, liefern sie freilich grau melierte Bilder mit. Eine Erinnerung an anno dazumal: klein, schnieke und etwas intim. Regisseur Paul Dugdale, der bereits Adeles "Live At The Royal Albert Hall" und "Worlds On Fire" von The Prodigy verantwortete, erleichtert den Augen bei der DVD Schwerstarbeit. Indem er auf HD verzichtete, ja sogar das Filmmaterial grobkörnig werden ließ, blieb Platz für die Effekthascherei in 16,8 Millionen Farben, die ohnehin schon auf der Bühne und in den jeweiligen Veranstaltungsorten ihren Platz fanden.
"Viva La Vida" ist beim Glastonbury-Festival zu sehen. Auf dem Weg dorthin schleusen einen Satellitenbilder im Schnelldurchlauf aus Paris hinein in die Zeltstadt. Dort steht auch schon der Grölbeauftragte, Schlagzeuger Will Champion, und prustet dieses Mantra raus, das sich noch tief durch die Nacht ziehen wird: "Oh-oh-oh-oh-oh-oh. Oh-oh-oh-oh-oh-oh." In Paris schreit er nach Rihanna ("Oh-oh-oh-oh-oh. Oh-oh-oh-oh. Oh-oh-oh-oh."), und die "Princess Of China" tapst so elegant und gebieterisch auf Chris Martin zu, dass der zurückhüpfen muss. Als Statement ist das nicht zu verstehen.
Zwei umgemünzte Anfänge konkurrieren mit den Lichtern um neuen Glanz im Live-Repertoire. "Yellow" beginnt als ähnliche Ballade wie "The Hardest Part" zur letzten "Viva La Vida"-Tour: Martin, das Klavier und seine gefühlsselig singende Anhängerschaft. In "God Put A Smile Upon Your Face" hüllt er sich in nebulöse Gitarrenakkorde ein, ehe es wie gewohnt kracht und scheppert.
Fast aussagekräftiger als die Bilder erscheinen die Inneneinsichten von Berryman, Buckland, Champion und Martin. In den Zwischensequenzen erzählen sie, wie der Kopf nicht mehr regiert, sondern das Herz, sobald es 21 Uhr schlägt und die Bühne angerichtet ist. Wie Leidenschaft und Leben auf einen Ort treffen, der eigentlich grau und leblos ist. Wie die Vorfreude sich zur Adrenalinflut steigert, wenn "Charlie Brown" beginnt und die Band weiß, dass die Glitzerwände in alle Farben platzen werden.
Oder wie sie ihren Manager und Tausendsassa Phil Harvey als fünftes Mitglied herzensgut porträtieren und ihn konsequent im Booklet als solches anführen. Er traf sie 1998 und griff ihnen mit der Finanzierung der ersten EP "Safety" unter die Arme. Damals waren es 50 Exemplare, die über den Ladentisch gingen. Episch.
15 Kommentare
Colplay muss man allein für die ersten beiden Alben für immer ins Herz schließen.
Hm, finde die haben Ihre Reputation danach ganz schön mit Füßen getreten.
drei*
2,5 Gute Alben, der Rest verzichtbar.
@Shredhead (« Erstes Album - geil.
Zweites Album - ganz okay.
Drittes Album - Meisterwerk.
Viertes Album - richtig schlecht.
Fünftes - will ich ständig scheisse finden, aber irgendwie isses doch richtig gut!
Das hier - Dreckhaufen »):
Ich mag das vierte Album Viva la Vida or Death and All His Friends oO. Das neue hat einige super Songs drauf. Die ersten beiden okay gehen klar. XY hat nur drei Songs drauf, die mir gefallen (klar welche das sind).
@JaDeVin (« XY hat nur drei Songs drauf, die mir gefallen (klar welche das sind). »):
Fix You, Square One, Talk