Porträt

laut.de-Biographie

Cora E.

"Es wäre nichts so, wie es ist, wär' es damals nicht gewesen, wie es war!" Die im Grunde simple, auf kausale Zusammenhänge verweisende Hookline von "Schlüsselkind" setzte sich Mitte der 1990er Jahre schnell im kollektiven Gedächtnis der deutschen Hip-Hop-Szene fest und avancierte in den unterschiedlichsten Lagern zu der vielleicht meistzitierten Catchphrase. Auf dem Song skizziert Cora E. ihre soziologisch in der Mittelschicht verortete, aber dennoch problembehaftete Kindheit. Diese führt sie schließlich in die Subkultur, zu dessen Pionieren sie sich im Umfeld von Advanced Chemistry, LSD und den Stieber Twins aufschwingt.

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Cora E. kommt 1968 als Sylvia Macco in Kiel zur Welt. Als Kind ihrer Zeit eröffnet sich ihr die Hip-Hop-Kultur ganzheitlich über die vier bekannten Elemente. Ab 1983 übt sie sich zunächst in Graffiti, konzentriert sich jedoch schnell auf Breakdance. Sie gewinnt einen lokalen Tanz-Wettbewerb ihrer Heimatstadt und reist 1986 spontan nach Italien zur Weltmeisterschaft der B-Boys und –Girls. Parallel dazu findet sie den Zugang zur Rap-Musik. 1988 feiert Cora E. ihr Bühnendebüt.

Macco reist für zwei Jahre in die Vereinigten Staaten, wo ihre Aufenthalte in Maryland, Baltimore und Philadelphia sowie die Bekanntschaft mit T La Rock ihr musikalisches Verständnis prägen. 1992 zieht sie ins baden-württembergische Heidelberg, wo sie von nun an intensiv als Musikerin in Erscheinung tritt. Auf dem Sampler "Kill The Nation With A Groove" des Hamburger Labels Buback erscheint ihr Lied "Swift" neben den Beiträgen namhafter Genre-Kollegen wie Advanced Chemistry oder Absolute Beginner. Buback veröffentlicht in den folgenden Jahren auch ihre Singles "Könnt Ihr Mich Hör'n?" und "Nur Ein Teil Der Kultur".

1995 eröffnen sich ihr durch einen Künstlervertrag beim Major-Label EMI neue Möglichkeiten. Doch bei der Arbeit an ihrem Debüt-Album verspürt sie keinen Zeitdruck. Als passionierte Hip-Hopperin verweigert sie sich weiterhin der Beschränkung auf Rap-Musik. Zudem legt sie Wert auf den Kontakt zur "wahren Welt", den sie als Krankenschwester in der psychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik Heidelberg beibehält. Zumindest die Nachtschichten nutzt sie produktiv zum Texten. Im November 1996 begibt sie sich gemeinsam mit den Stieber Twins auf Tournee. Kurz danach tritt sie als Support bei den Deutschland-Konzerten von De La Soul auf.

Cora E. reüssiert mit ihrer autobiographischen Single "Schlüsselkind", die auch im Rückblich zu den wichtigsten Genrebeiträgen der 1990er zählt. Mit "Zeig Es Mir" und "... Und Der MC Ist Weiblich" folgen zwei weitere Auskopplungen. Im März 1998 erscheint schließlich ihr Album "CORAgE", dessen Löwenanteil von den Stieber Twins produziert wird. Die Heidelberger Zwillinge reihen sich neben Taino Tactics, Busy, Mr. Mar, Luxus Chris und Curse auch in die Gästeliste ein. Optimistisch gibt Cora E. gegenüber der "Juice" zu Protokoll, sie hielte es für "fantastisch, einmal Leute zu erreichen, die nicht mal wissen, dass es die Hip-Hop-Szene überhaupt gibt."

Doch Cora E. fühlt sich bei EMI nicht mehr wohl, sodass das Abenteuer Major-Deal abrupt endet. Neben Azads späteren Klassiker "Napalm“" erscheint die Maxi-Single "Bonnie & Clyde 2000" von Moses Pelham und Cora E. als Auskopplung des 3P-Samplers "Evolution". In der dazu erscheinenden "Juice"-Titelstory beschreibt die Rapperin ihre Pläne: "Ich schreibe jetzt erstmal Texte, hör' mir viel an und wenn ich genug Zeit hab', wo ich sage 'Okay, jetzt hab' ich ein Standbein für 'ne neue LP', dann werde ich mir überlegen, wo und mit wem ich das mache. Ich schreibe jetzt, weil ich schreiben will, und nicht, weil ich plane, jetzt irgendwas rauszubringen."

Nur zwei Jahre nachdem sie "niveaumäßig eine unglaubliche Steigerung" der Hip-Hop-Szene ausgemacht hat, fällt sie 2000 ein ernüchterndes Urteil: "Ich kann das nicht mehr nachfühlen, was die jungen Leute im Publikum empfinden. Aber ich muss das auch nicht, ich hab' das gehabt!" Damit antizipiert sie ein Jahr bevor Aggro Berlin die Kreissäge anwirft bereits die Zeitenwende im Deutschrap. Mit dem musikalischen Generationswechsel gehen zudem private Umbrüche einher. So erklärt sie später ihre zwei Kinder seien der Hauptgrund für die folgende langjährige Veröffentlichungs- und Bühnenabstinenz.

Cora E. erscheint nur noch sporadisch öffentlich. Auf "10 Jahre - Das Beste von 1995 bis 2004" von Sabrina Setlur, "Geteiltes Leid 2" von Moses Pelham und "Threeshot - Love, Peace And Harmony" von J-Luv erklingt ihre Stimme noch vereinzelt. Die Dokumentation "Will Einmal Bis Zur Sonne Geh'n" portraitiert sie 2002. Erst als ihre Sprösslinge dem Gröbsten entwachsen sind, beehrt Cora E. ab den 2010er auch wieder einige Live-Veranstaltung. Anlässlich des 40. Geburtstags der Stieber Twins tritt sie im November 2012 bei der Veranstaltung "80 Jahre Stieber Twins" auf. Auch bei Mini-Festivals wie dem Überfällig oder der Mai-Jam in Kassel präsentiert sie ihre alten Songs.

Neues Material bleibt sie jedoch trotz wiederholter Ankündigungen weiterhin schuldig. So ganz scheint sich diese Schlüsselfigur des deutschen Rap wohl nie von der bereits zur Jahrtausendwende empfundenen Entfremdung erholt zu haben: "Wenn ich heute nochmal 16 wär', dann würde mich das Hip-Hop-Ding nicht mehr so ansprechen."

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    https://www.discogs.com/artist/207188-Cora-E

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