laut.de-Kritik
Bitterböser Brei des Selbstmittleids.
Review von Christine BarthEine Kirche aus dem Jahr 1896 mitten in Minnesota, USA: Tagsüber dringt das Sonnenlicht durch die hohen Bleiglasfenster der heiligen Gemäuer. Nachts kriechen scharenweise Fledermäuse aus ihren Verstecken der verwinkelten Gewölbe. In dieser Atmosphäre der düster blickende Brad Roberts, der in einem Zustand zwischen Vollsuff und der für ihn ernüchternden Realität dahin siecht.
Diesen Wahnsinn aus selbstzerstörerischen Orgien mit schwerem Rotwein und brachialen Schädelschmerzen hat das schwach instrumentierte "Songs Of The Unforgiven" zu verantworten. Die Scheibe ist "düster, melancholisch, dunkel, langsam, ohne Schlagzeug, keine E-Gitarren, große Orgeln und so weiter. Das wird ein Album, ganz ohne eine jegliche Spur von Spaß. Es wird bitterböse und unreligiöser, als man es sich vorstellen kann. Es geht um Tod, und, nun ja, es wird sarkastisch, aber auch melancholisch und vor allem melodiös. Böse Balladen sozusagen", versprach der Bariton mit verkatertem Psycho-Blick einem Reporter.
Diese Atmosphäre verstärken eine drückende Orgel, die im kurzen Intro die Platte einläutet, und ihr dunkler Nachhall. Unterstützt von der Sängerin Ellen Reid, die stimmlich den Gegenpol zum rauhen Ton Roberts bildet, schwelgen die Dummies in Hoffnungslosigkeit in Todessehnsucht. Dabei droht die glasklare und zarte Stimme Ellens manchmal zu zerbrechen. Von Akustikgitarren und einem Akkordeon begleitet, schwebt makabrerweise immer eine Spur Sarkasmus mit im Raum. Auch Suzzy Roche von The Roches, Ali Sparhawk und Mimi Parker von Low tragen ihren Teil zu dieser depressiven Platte bei.
Dem Vergleich mit dem ebenfalls gern in tieferen Stimmlagen verweilendem Tom Waits kann Roberts jedoch nicht standhalten, weil ihm dafür die Kreativität und die nötige Eigenständigkeit fehlt. Seine Texte beschäftigen sich zu gleichförmig mit immer denselben Aspekten des Lebens. Der dem Alkohol Verfallene klagt: "Ich war ein echt böser Junge. Ich fühlte mich rebellisch und war nicht sehr gut aufgelegt. Meine Freundin war ein Miststück, wenn du verstehst, was ich meine. Wir waren fast sieben Jahre zusammen, bevor wir uns den Laufpass gaben. Ich habe sowieso eine rebellische Natur, das hört man ja auch in der Musik."
Solche Herzschmerzgeschichten allerdings werden entgegen dem Titel nicht unvergesslich bleiben. Ähnlichs gilt leider für die Musik: die 15 Tracks, ausgenommen das Intro und das abschließende Orgelstück, sind sehr langsam und bedächtig aufgenommen. Die im Hintergrund klingenden Instrumente verstärken diesen in sich ruhenden Effekt und lassen die einzelnen Lieder zu einem Brei des Selbstmitleids verschmelzen.
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