laut.de-Biographie
Cyclopean
Selten zuvor schien das Vermächtnis von Can so greifbar wie im Jahr 2012. In Köln bringt im Dezember Pavement-Sänger Stephen Malkmus mit der Neo-Krautrock-Gruppe Von Spar das bündigste Can-Album "Ege Bamyasi" zu dessen 40. Geburtstag quasi als Fan-Projekt neu auf die Bühne.
Das Can-Label Spoon veröffentlicht "The Lost Tapes". Die stellen weit mehr dar als eine bloße Ansammlung verschollener Aufnahmen aus ihrem Studio "Inner Space". Nämlich die pophistorische Dokumention der radikalen Arbeitsweise einer Band, die für die spannendsten Metamorphosen des Rock in den 70er-Jahren maßgeblich mitverantwortlich zeichnet.
Dabei sind die Can-Mitglieder Irmin Schmidt und Jaki Liebezeit, beide mittlerweile über 70 Jahre alt, auch nach dem zweimaligen Ende der Band musikalisch aktiv geblieben. Zusammen arbeiteten sie beispielsweise an Schmidts Rock-Oper "Gormenghast".
Can-Keyboarder Schmidt komponiert daneben in erster Linie Filmmusiken. Schlagzeuger Liebzeit widmet sich unter anderem mit seinem Kollaborateur, dem honorigen deutschen Elektroniker und Sounddesigner Burnt Friedman, impressionistischer E-Musik irgendwo zwischen den Paradigmen von Ambient und Jazz.
Schmidt, Liebzeit, Friedman, der eigentlich Bernd Friedmann heißt, sowie der britische Komponist Jono Podmore, Schwiegersohn Schmidts und für sein Drum'n'Bass-Projekt Kumo bekannt, formieren sich 2011 in Frankreich erstmals zu so etwas wie einer Allstar-Band im modernistischen Geiste von Can. Cyclopean nennt sich das Quartett, zu Deutsch wahlweise zyklopisch oder einfach nur gigantisch.
Natürlich muss man bei einem solchen Namen unmittelbar an das Covermotiv des ersten Can-Albums "Monster Movie" aus dem Jahr 1970 denken, auf dem eine Art Transformers-Figur weit in den Himmel ragt. Cyclopean sei auch durchaus als Metapher für einen monumentalen, gleichsam präzivilisatorischen wie dystopischen Sound zu verstehen, teilt das Label Mute mit, bei dem in Zusammenarbeit mit dem Can-Label Spoon im Februar 2013 eine erste selbstbetitelte EP mit vier Tracks erscheint.
Tatsächlich klingt ein Stück wie "Fingers" mit seinen stoischen Conga-Rhythmen, dem düsteren Sub-Bass und metallisch-mittelöstlichen Soundscapes einerseits unverkennbar nach einem Artefakt der verblichenen Can. Andererseits weist es prototypisch auch direkt in eine Zukunft, in der Produzenten wie Shackleton oder Raime längst die Möglichkeiten von Dubstep und Techno neu ausmessen.