Porträt

laut.de-Biographie

DAF

Sie sind bis heute wohl die einzigen, die nicht nur Diktatoren, sondern auch den Messias in einem Popsong unterbrachten: Robert Görl und Gabi Delgado-Lopez sangen in ihrem größten Hit von 1981 die Zeilen "Tanz den Mussolini, und dann den Kommunismus, und jetzt den Adolf Hitler, und jetzt den Jesus Christus".

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Die Republik stand Kopf: Zwei Musiker gaben Konzerte, auf denen sich der eine hinter einem Technik- und Keyboard-Turm verbarg und der andere am Bühnenrand deutsche Parolen ins Mikro keifte, deren Provokationsgrad mit der Hit-Single "Der Mussolini" seinen Höhepunkt erreichte.

Fraglos gilt das dazu gehörige Album "Alles Ist Gut" und D.A.F.s Konzeption einer Sequencer betriebenen Herangehensweise an elektronische Musik als Vorbild für das gesamte Techno-Genre sowie Band-Epigonen wie Nitzer Ebb oder Front 242. Durch D.A.F.s Erfolg spricht man ab Mitte der 80er von "Electronic Body Music", kurz: EBM, das eine Form elektronischer Musik beschreibt, die aus harten, dynamischen Sounds besteht und sich zunächst von üblichen Strophe-Refrain-Schemata abhebt. D.A.F. nehmen für sich in Anspruch, bereits 1980 den Begriff der "Körpermusik" auf ihre nackten Rhythmusmaschinen-Beats gemünzt zu haben.

Ihr Interesse für musikalische Energie und die Freude am Provozieren ziehen D.A.F. aus der Punk-Bewegung. Als sich Robert Görl und Gabi Delgado 1978 in Düsseldorf kennen lernen, hat sie der Musik-Bazillus schon beide befallen. Der 1955 geborene Görl ist zwar noch nicht Mitglied einer Band, kann aber auf eine klassische Ausbildung am Augsburger Leopold-Mozart-Konservatorium und auf der Jazz-Musikhochschule in Graz zurück blicken.

Delgado, drei Jahre jünger, ist gebürtiger Spanier und ebenfalls begeisterter Anhänger der aufkeimenden englischen Punk-Welle. Der Treffpunkt der Stunde für die neuen Szenegänger Düsseldorfs ist der Ratinger Hof. Dort treten bereits einige der ersten deutschen Punkbands wie Charley's Girls, Male, ZK und Mittagspause auf, woraus sich später u.a. die Fehlfarben, die Krupps und die Toten Hosen formieren.

Robert Görl & DAF - Nur Noch Einer
Robert Görl & DAF Nur Noch Einer
Schaler Grabgesang auf den Synthie-Punk Gabi Delgado.
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Dem Sound der neuen Generation verpasst der Journalist und "Deutsch-Punk-Förderer" Alfred Hilsberg den Namen "Neue Deutsche Welle". Selbstverständlich distanzieren sich sämtliche Bands Jahre später von dem Begriff, der ab 1980 zu einem verkaufsträchtigen Industrie-Etikett für Schlager-Formationen wie Hubert Kah, Peter Schilling oder die Spider Murphy Gang verkommt. Dass jene Bands nichts erneuern wollen, sondern vielmehr alte Rock'n'Roll-Liedchen mit deutschen Texten versehen, manifestiert sich besonders eindrücklich an der omnipräsenten Nena, die ihre Hits vorwiegend in einem Rolling Stones-Zungen-Shirt vorträgt.

Delgado, bei Charley's Girls und Mittagspause schon sporadisch als Tänzer in Erscheinung getreten, will was eigenes machen und findet in Görl einen Seelenverwandten. Mit dem Bassisten Michael Kemner, dem Gitarristen Wolfgang Spelmanns und Synthesizer-Fachmann Kurt Dahlke alias Pyrolator gründen sie die Deutsch-Amerikanische Freundschaft, kurz: D.A.F. Doch die Arbeitsweise entpuppt sich als zu improvisationslastig und verspielt für Delgado, der die rauhe Energie des Punk in minimale elektronische Bahnen lenken will.

Kurz vor den Aufnahmen zum ersten, rein instrumentalen Album "Ein Produkt der D.A.F." Anfang 1979 verlässt er die Band, um wieder bei befreundeten Bands mitzumischen. Doch seine Auszeit ist nur von kurzer Dauer. Nachdem Dahlke sich zunefhmend in den Proberäumen von Der Plan wohler fühlt, steigt auch er aus und wird durch Keyboarder Chrislo Haas ersetzt. Wieder mit Delgado vereint, versuchen sich DAF an einer elektronischen Sequencer-Vision, die durch Görls Live-Drumming zusätzlichen Druck erfährt.

Das Quintett will auch räumlich ausbrechen und beschließt daher, in die Punk-Metropole London überzusiedeln. Es ist ein gewagter Schritt für die fünf mittellosen Jungmusiker, die die englische Szene bislang nur aus Zeitschriften kennen. Doch schon nach wenigen Clubshows entdeckt Daniel Miller die Bande und bindet sie als zweiten Act nach Fad Gadget an sein junges Mute-Label. Dort erscheint im März 1980 die Single "Kebabträume" und im August mit "Die Kleinen Und Die Bösen" das zweite D.A.F.-Album, das gleichzeitig die erste Mute-Longplay-Veröffentlichung ist. Ein gelungener Startschuss für ein sich in den folgenden Jahren als richtungsweisend etablierendes Elektronik-Label.

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Gabi und Robert über Fans mit Glatze, K.I.Z., Conny Plank und die vertriebenen DAF-Mitglieder.
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Obwohl auf "Die Kleinen Und Die Bösen" noch Gitarre und Bass zu Hören sind und die Band erst mit dem folgenden Album ihren Pionierstatus erlangt, schält sich schon hier der elektronische Grundstock heraus, der die Band bald charakterisiert. Hinzu kommt ein Cover, das mit seinen sowjetischen Propaganda-Motiven gerade in England für einiges Aufsehen sorgt, zumal da es von einer deutschen Band stammt. Noch klingen D.A.F. aber organisch genug, um als Vorgruppe mit The Fall auf Tournee zu gehen. Nach Bassist Kemner, der die Truppe bereits vor der Album-Aufnahme verlässt und in Deutschland den Fehlfarben beitritt, hat auch Haas genug vom wilden Leben auf der Insel und gründet mit Beate Bartel (Ex-Mania D.) die Liaisons Dangereuses. Wolfgang Spelmanns hält noch für eine D.A.F.-Deutschland-Tour durch, geht dann aber auch von Bord.

Doch anstatt geschwächt aus den ständigen Umbesetzungen hervor zu gehen, beginnt mit dem Power-Nukleus Görl/Delgado D.A.F.s kreativste Schaffensphase. Zusammen mit dem renommierten Produzenten Conny Plank (Neu!, Kraftwerk), der schon beim Vorgängeralbum teilweise Hand anlegte, entsteht in der Umgebung von Köln das Album "Alles Ist Gut". Schon das Cover verrät das neue DAF-Konzept: Görl und Delgado posieren mit nacktem Oberkörper und schweißüberströmt, passend zur energiegeladenen Maschinenmusik.

Auch die zahlreichen Angeboten der Industrie bleiben nicht ungehört, D.A.F. unterschreiben einen Deal über vier Alben bei Virgin. Zusammen mit der provokanten "Mussolini"-Single spielt die Band anschließend in ganz Europa vor ausverkauften Häusern und darf sogar im ZDF-Kulturmagazin Aspekte auftreten. Den Vorwurf der Rechtsradikalität sehen Sittenwächter in den dunklen Leder-Outfits und der eigentümlichen Deutsch-Prosa Delgados bestätigt. Die Band selbst äußert sich zu derlei Vorwürfen nicht.

Auf den Folgealben "Gold Und Liebe" (1981) und "Für Immer" (1982) schlachten D.A.F. ihre eigens kreierte Sound-Symbiose stur aus, doch die frische Spontaneität des 81er-Albums erweist sich als nicht duplizierbar. Der eben noch allseits beklatschten Innovation scheint nur eine kurze Halbwertszeit beschieden zu sein. Kritiker und Publikum wenden sich von der Band ab, kurze Zeit später geben Delgado und Görl die Auflösung der Gruppe bekannt. Virgin ist von dieser Idee überhaupt nicht angetan, da sie gerade an einem USA-Eroberungsplan für D.A.F. tüfteln, können den Split aber letztlich nicht aufhalten. Aufgrund der Nichterfüllung des Albumvertrags erscheint 1988 auf Virgin eine Hit-Compilation der Band.

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Zwei Jahre zuvor reanimieren Delgado und Görl noch einmal die Legende für ein stilbrechendes Disco-Projekt, dem das erfolglose Album "Voulez-vous Coucher Avec Moi?" folgt. In der Folgezeit arbeitet Delgado unter einigen Projektnamen, u.a. als Delkom mit seiner Lebensgefährtin, und taucht in die weite Welt des Technos ein. In den 90ern absolviert er mit seinem Produzenten-Kumpel Wotan Wilke Auftritte als DAF DOS, denen ein unbedeutendes Album und die vielsagend betitelte Single "Ich glaub ich fick dich später" folgt. Sein früherer Partner Görl soll darüber im Übrigen nicht sonderlich erfreut gewesen sein.

Görl veröffentlicht auf dem Münchner Disko B-Label experimentelle Techno-Platten und reist nach einem schweren Autounfall Anfang der 90er Jahre immer häufiger nach Asien, um ein Kloster für seinen weiteren Lebensweg zu finden. In der Folge konvertiert er zum Buddhismus. Daher erfolgt die DAF-Reunion mit Delgado im Jahr 2003 eher überraschend. Hintergrund: Nachdem der Doku-Roman "Verschwende Deine Jugend" von Jürgen Teipel zwei Jahre zuvor mächtig Staub um die deutschen Punk-Anfänge in Düsseldorf aufgewirbelt hat, sind auch D.A.F. wieder gefragt.

Das Comeback-Album "Fünfzehn Neue Lieder" macht mit neuer Technik da weiter, wo "Für Immer" 1982 endete. Die Sequencer rattern in altem Tempo und mit der Single "Der Sheriff", einem Song über die politische Hegemonie der USA, melden sich D.A.F. verhalten kontrovers zurück. Aus kommerzieller Sicht geht das Comeback böse unter.

2004 verstirbt Ex-Keyboarder Chrislo Haas in Berlin. Ein Jahr später verkündet Delgado-Lopez, mit D.A.F.-Auftritten künftig nichts mehr zu tun haben zu wollen. Sehr lange hält dieser Vorsatz indes nicht. Bevor er sich ein drittes Mal wieder mit Görl zusammen tut, veröffentlicht dieser 2006 sein Soloalbum "Seltsame Liebe". Ende desselben Jahres erscheint mit "Dark Tool Symphony" erneut ein Soloalbum, das Görl in London uraufführt.

In den Folgejahren sieht man das Duo immer wieder auf Festivals. Die Idee, ein neues Studioalbum aufzunehmen, wird jedoch von keinem der beiden verfolgt. "Wir machen wirklich sehr unterschiedliche Dinge und stehen nicht mehr unter dem Druck, etwas abliefern zu müssen. Wir sind uns bewusst, dass wir schon wahnsinnig abgeliefert haben – für die Musikwelt und für unsere Fans", erklärt Görl 2017 im laut.de-Interview. Im selben Jahr erscheint die Retrospektive "Das ist DAF", eine Box mit ihren alten Alben sowie neuen Remixes, u.a. von den DAF-Fans Giorgio Moroder, Boys Noize und Westbam. 2018 erreicht DAF die Einladung von Depeche Mode, zwei Shows in der Berliner Waldbühne zu eröffnen. So kommt es zum Wiedersehen der alten Mute Records-Kollegen. Auch das Ausland hat nach wie vor Interesse an Liveshows: Im Herbst spielen Görl und Delgado-Lopez in London und Los Angeles, u.a. mit She Wants Revenge und Health.

2020 endet die Bandgeschichte von DAF mit dem überraschenden Tod von Sänger Gabi Delgado-Lopez. Nach Aussage seines Managers starb er in einem Krankenhaus in Portugal. Er wurde nur 61 Jahre alt. Im Folgejahr erscheint mit "Nur Noch Einer" ein von Görl inszenierter Epilog. Nach eigenen Angaben verwendete er für die Platte fast ausschließlich Sounds, die er noch mit Gabi ausgesucht hatte.

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Zillo 2004 DAF machen auf ner Bühne nicht so viel her, mussten ihren "Mussolini" aber zweimal spielen.

DAF machen auf ner Bühne nicht so viel her, mussten ihren "Mussolini" aber zweimal spielen., Zillo 2004 | © LAUT AG (Fotograf: Michael Edele) DAF machen auf ner Bühne nicht so viel her, mussten ihren "Mussolini" aber zweimal spielen., Zillo 2004 | © LAUT AG (Fotograf: Michael Edele) DAF machen auf ner Bühne nicht so viel her, mussten ihren "Mussolini" aber zweimal spielen., Zillo 2004 | © LAUT AG (Fotograf: Michael Edele) DAF machen auf ner Bühne nicht so viel her, mussten ihren "Mussolini" aber zweimal spielen., Zillo 2004 | © LAUT AG (Fotograf: Michael Edele)

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    http://www.robert-goerl.de/

1 Kommentar

  • Vor 7 Jahren

    DAF haben sich, da beide zu dieser Zeit in Wuppertal lebten auch dort kennengelernt und waren eine Wuppertaler Band die aus Marketing-Gründen als Düsseldorfer-Band (wie auch Fehlfarben) vermarktet wurden, was schäbig ist, wird aber mit Wuppertal aus dem die gesamte deutsche Industrialisierung kommt und das damit auch kulturell eine herausragende Bedeutung hat und immer schon die wesentlichen Impulse gab, immer schon so gemacht und so politisch brutal in die Verwahrlosung getrieben, anstatt gefeiert und gehegt zu werden. Gabi Delgado hat das übrigens mal in einem Interview selbst richtig gestellt, und bestätigt das DAF herzlich wenig mit Düsseldorf zu tun hatten. Hab selbst mit Eduardo Delgado, der später ja auch bei DAF Bassist war im "Leichenkeller" der "Börse" in Wuppertal etliche Sessions gemacht. Bleibt also einfach mal bei der Wahrheit und lasst euch mal vom Eins-Live Chef Jochen Rausch oder von Viva und Popkomm Gründer sowie ehemals das Rockbüro NRW in Wuppertal leitenden Dieter Gorny erklären, wie zentral Wuppertals Bedeutung für die deutsche Musikszene ist. Auch wenn ihr euch das nicht vorstellen könnt, beide dürften da ein wenig mehr Ahnung als ihr haben und die ernst gemeinte Aussage von Jochen Rausch: "Wuppertal ist die kulturellste und virulenteste Stadt Deutschlands" auch euch näher bringen können.