laut.de-Kritik
Elektronische Grandezza, Hamburg Style.
Review von Martin TenschertKoze comes mal wieder around, in großer Abendgarderobe und im Albumformat. Elektronische Grandezza, Hamburg Style. Der Säger von St. Georg hatte schon mit der Vorabsingle "Seeing Aliens" alle ziemlich heiß auf den kompletten Longplayer gemacht.
"Knock Knock" erfüllt nun die Erwartungen, ohne sie erfüllen zu müssen. Mit den Knock-knock-Witzen verhält es sich eigentlich genau andersherum. Für die meisten sind sie DER Inbegriff erwartbaren, unlustigen Humors. Kozes ironische Titelwahl kündet entsprechend von Feinsinn und Understatement.
Sperrigkeit, verpackt in Pop: Das kann nur Koze, wenn er mit Roisin Murphy, der Grande Dame des House, zu gebrochenen Beats den Dancefloor aufreißt. "Illumination" ist purer Funk. Roisins kühle Stimme über einem rotzigen Beatkonstrukt, Quincy Jones gefiele das. Der DJ-Nachwuchs in Person von Mano Le Tough wird ebenfalls gefördert.
"Planet Hase" ist eine flirrende Disco-House-Nummer, auf die sich alle von Kompakt bis Console einigen können. Vor allem die warme, familiär anmutende Produktion verleiht dem Track besonderen Esprit und Nachhall.
"Baby (How Much I LFO You)" legt Kozes Hip Hop-Wurzeln frei. Der Titel spielt auf eine bestimmte Synthesizer-Hüllkurven-Einstellung an, was vor allem Nerds erheitern dürfte. Dazu zerhackte Stimm-Samples und vertrackte MPC-Action: oldschool forever.
Lückenfüller sucht man auf "Knock Knock" vergebens. Alles hat seine Daseinsberechtigung, sitzt am richtigen Platz des Albums. Die gedämpfte Afterhour-Hymne "Club Der Ewigkeiten" liefert da ein starkes Beispiel.
Lustig: Der Synthie-Sound, den man von Westbam und "Sonic Empire" kennt kommt hier zum Einsatz. Der Song geht natürlich in eine ganz andere Richtung, dient aber als gutes Beispiel dafür, dass in den richtigen Händen ein Rave-Signal-Sound selbst in einer melancholischen Märchenstunde absolut selbstverständlich erscheint.
Das Krautrock-Erbe, das man in DJ Kozes Oeuvre immer herauszuhören gemeint hatte, spielt auch hier wieder eine Rolle. Der Heiland "Jesus" kann hiervon eventuell auch Zeugnis ablegen, obwohl in diesem Beispiel Trip Hop- und P-Funk'"-Einflüsse stärker in den Vordergrund treten. Eine aberwitzige Mischung der Genres, die aber in Kozes Kosmos total schlüssig und folgerichtig anmutet.
Einen weiteren Vocal-Beitrag liefert die Wahlhamburgerin Sophia Kennedy. "This Is My Rock" groovt, ein modernes, souliges R'n'B-Brikett inklusive gerade ausreichend verrückter Pitchereien und Arrangement-Helge-Schneidereien, dass das Ganze nicht in den Kitsch abdriftet. Die aufwändige Arbeit, die allein in so einem Stück steckt, rechtfertigt die mitunter doch recht langen Intervalle zwischen Kozallas Alben.
"Knock Knock" birgt irrwitzige elektronische Opale alternativer Popmusik. DJ Koze selbst präsentiert sich als ein Vertreter der überaus seltenen Spezies sehr guter DJs, die auch beim Produzieren Weltklasse sind. Techno is pop, pop is techno.
9 Kommentare mit 3 Antworten
"Alternative Electro" beschreibt die Musik wohl am besten, denn für die Mainstream-Disco ist DJ Koze zu retro, zu untanzbar, zu smart. Musik für den Hinterhofclub und den Dancefloor-Silverager, der schon zu Moloko und Westbam gefeiert hat. Die FAZ hat Koze passenderweise den "letzten echten DJ" genannt.
Na, komm. Wie viele “letzte echte DJs” gibt es denn auf der Welt? Mike Parker, Robert Hood, Oscar Mulero.
Sorry: + Chris Liebing.
War wohl auch eher als Abgrenzung von Felix Jaehn, Avicii und Kygo zu verstehen.
Koze rules!
...hatte diese Woche schon ein paar Tage vorab in Berlin die Gelegenheit, ein mittelfristiges Techtelmechtel mit dieser Platte zu unterhalten.
Koze liefert wie so oft jenseits aller abtrünnigen Erwartungshaltungen.
Hab es probiert...geht gar nicht! Zuviele wirre Töne die mich seltsam aggressiv machen.
richtig gutes album. aber geht es nur mir so, dass ich sehr oft ein deja-vu habe?
Für mich nicht ganz auf dem hohen Amygdala-Niveau. Aber das kommt vielleicht noch. Hat seinerzeit auch ein bisschen gedauert. Drone Me Up, Flashy bislang der Übertrack.