Porträt

laut.de-Biographie

DJ Qbert

Kaum eine Person hat Turntablism in dem Maße geprägt wie ein aus San Francisco stammender Amerikaner mit philippinischen Wurzeln: Naem Richard Quitevis, auch bekannt als DJ Qbert.

Zweifellos bilden die Entdeckungen und Einflüsse seiner Vorgänger den Grundstein für das fingerfertige Handwerk. Grand Wizard Theodore entdeckt den Scratch, als er eine laufenden Schallplatte anhalten muss, da ihn seine Mutter gerade anschreit.

Kool Herc gilt als der König der Bloc Partys und Erfinder der Hip Hop-Kultur, auf ihn geht das Spielen zweier identischer Platten zurück, um damit einen Teil eines Liedes endlos in die Länge zu ziehen. Aus einem kurzen Drum-Intermezzo kann so ein längerer instrumentaler Breakbeat entstehen.

Grandmaster Flash kombiniert schließlich die existierenden Tricks und erweitert sie auf artistische Art und Weise. Danach bleibt die Innovation in der Subkultur Turntablism längere Zeit stehen. DJs gibt es zwar wie Sand am Meer, aber diese bevorzugen, hinter den Plattenspielern zu posen und Disco aufzulegen.

Eine Handvoll Leute kämpft darum, der Öffentlichkeit das DJing als Handwerk und Kunstform zu vermitteln. Schließlich wird Musik live transformiert, manipuliert, zersetzt oder neu arrangiert. Sei es durch das Wiederholen verschiedener Teile eines Songs (Backspin) oder dem Hin- und Herwechseln verschiedener Segmente eines Tracks, so dass daraus ein Neuarrangement zustande kommt (Jugglen). Zuletzt stellt das Scratchen eine eigene Disziplin dar, die erlaubt, Soundfragmente melodiös zu verarbeiten. Alles geschieht rein auf physischer Ebene, durch das Bewegen der Schallplatte.

Anfang der 80er Jahre macht sich der junge Naem daran, ein wenig mit dem Gerät Plattenspieler zu experimentieren. Besonders Scratchen hat es ihm angetan. 1982 wird das Arcadespiel Q*bert veröffentlicht, welches ihm sicherlich auch Spaß bereitete und Pate für seinen späteren Künstlernamen steht.

Der ambitionierte DJ bleibt den ganzen Tag zuhause, um Sounds zu studieren, mit Möglichkeiten zu experimentieren und zu üben und zu üben und zu üben. Seiner Ansicht nach ist San Francisco sowieso den ganzen Tag in dichten Nebel gehüllt. Es geht um nichts weniger als darum, die technischen Möglichkeiten des Plattenspielers beziehungsweise der Plattenbewegungen in Bezug auf das akustische Ergebnis zu studieren.

In San Francisco treffen sich Mixmaster Mike von den Beastie Boys, DJ Shadow und Qbert regelmäßig, um sich auszutauschen, neue Sachen voneinander abzukucken und zusammen zu jammen. Bei Turntablisten sieht das ungefähr so aus: Ein Zimmer voll Typen, ein paar Decks, einer scratcht oder jugglt über die Länge eines Instrumentals, alle anderen schauen zu. Dann darf der Nächste. Damen sind dabei keine anwesend, Gesprächsthemen eher nerdig.

Der Austausch bringt den DJs so viel, dass die Treffen den Status von Pflichtterminen erhalten. Besonders Qbert sorgt für Input. Er ist immer einen Tick weiter als seine Kollegen und setzt mit viel Kreativität neue Ideen um. Zwischen den Treffen steht er unermüdlich an den Tellern, um beim nächsten Mal etwas Neues präsentieren zu können. Mixmaster Mike erzählt in einem Interview, dass er zu jener Zeit mit seinen Eltern in eine entferntere Stadt zog und seine einzige Sorge tatsächlich nur darin bestand, Qbert nun seltener zu sehen und daher weniger neuen Input zu erhalten. Die Erfindung neuer Sounds, beziehungsweise neuer Techniken, die diese Sounds evozieren, geht definitiv auf Qbert zurück.

Die Stunden zuhause statt am sonnigen Westküsten-Strand zahlen sich schließlich aus. Im Jahr 1991 gewinnt Quitevis den amerikanischen DMC Titel. Ein Jahr später reicht es mit der Team-Formation Rocksteady (ehemals Crew FM20), bestehend aus Qbert, Mixmaster Mike und DJ Apollo zum Weltmeistertitel. 1993 und 1994 verteidigt die Kombo Dreamteam (nur noch Qbert und Mixmaster Mike) den Titel erfolgreich und hebt das internationale Turntablism-Level auf eine neue Höchstmarke. Qbert darf darauf im Jahr 1995 nur noch als Juror am Wettbewerb teilnehmen, dafür mit Mixmaster Mike in der DMC DJ Hall of Fame Platz nehmen.

The Invisibl Skratch Piklz: eine weitere legendäre Crew, die Qbert formt. Die übrigen Mitstreiter heißen Yogafrog, D-Styles und DJ Flare. Sie sorgen in den folgenden Jahren zu viert für ein technisches Massaker seinesgleichen, vier DJs gleichzeitig auf acht Decks. Gern teilen sie ihr Wissen und erklären in überaus unterhaltsamen Do-It-Yourself-Tutorial-Videos verschiedene Scratches. Das URB Magazine betitelt sie später angemessen als "Greatest DJs on Earth". Nur die X-Ecutioners um Roc Raida können noch annähernd mithalten.

1998 veröffentlicht Qbert das erste reine Scratchalbum unter dem Titel "Wavetwisters". Drei Jahre später erwächst daraus ein Zeichentrickfilm und sein Filmdebüt auf dem Sundance Film Festival. Das Besondere an der Symbiose aus Animation und Musik: die Geschichte auf dem Album wird ausschließlich mit Hilfe von Scratches respektive anderen DJ-Techniken erzählt, die Bilder erst im Nachhinein darauf animiert. Diese Innovation trägt Qbert den SXSW-Award für die beste musikalische Untermalung in einem Film und Anfragen von 30 anderen internationalen Film-Festivals ein.

Yogafrog Ritche Desuasido und Quitevis wollen die Turntablism-Szene noch weiter pushen und bauen eine Firma auf, die sich auf sämtliche Belange eines Scratch-DJs konzentriert: Thud Rumble Ltd. Als gleichzeitiges Independant-Label sollen ebenfalls verkannte Talente hier eine Plattform bekommen. Desweiteren bietet das Unternehmen eine Produktpalette, die Jahre später selbstverständlich wirkt: Scratchplatten wie Neddle Trashers, Dirtstyle Records, Battle Breaks oder die Seal-Serie (Vinyl mit Beatloops, Drum-Breaks und kurzen Soundschnipseln jeder Art darauf) avancieren zum unabdingbaren Equipment eines jeden DJs, der mehr will, als nur Platten auflegen. Darüber hinaus stellt der Konzern vom Fach Slipmats (Butter Rugs und Flying Carpets), eigene Nadeln (Ortofon-Modelle) sogar "Monster Rumble Cables" her. Der Output von Thud Rumble ist somit exakt auf die Bedürfnisse der Turntablisten zugeschneidert und befriedigt deren Nachfrage mit achtzig Prozent des gesamten Marktanteils.

Immer enger arbeiten sie auch mit anderen Herstellern zusammen. So stehen Yogafrog und Qbert als Chef-Archtitekten und Mitentwickler bei einigen Mixern und Plattenspielern von Vestax zur Stelle. Ihr Debüt, die Kooperation am 05, 06 und 07er Modell, heimst gleich einen Award ein, alle drei Mixer zieren schon bald das Set-Up der Bedroom-DJs und Hip Hop-Clubs.

Die Firma entwickelt sich zum Knotenpunkt der breit gestreuten Turntablism-Szene und bietet auch Formate wie Turntable TV an. Hier können Tutorials, Tipps und Tricks der Profis, aber auch Übungsstunden dieser angesehen werden. Im Jahr 2000 ist es Thud Rumble Ltd., das die Speerspitze der Kultur an einem Ort vereint und den Grundgedanken der einstigen Meetings pflegt: die Entwicklung der Scratch-Kultur als auch deren Lehre zu vermitteln.

Das bringt ihnen vom amerikanischen Source Magazine den Titel "Greatest DJ Event Of All Times". Heute blickt Thud Rumble auf Arbeiten für Werbeindustrie oder Rundfunk zurück und fördert als inzwischen millionenschweres Unternehmen die DJ-Kultur auf technologischer wie musikalischer Ebene.

Der letzte Coup des Unternehmens stellt das erste Instrument für den Scratch DJ dar: ein runder Plattenspieler, der einen integrierten Mixer enthält. Außerdem gründet Thud Rumble die erste Scratch-Universität der Welt.

Ob alleine oder über sein Unternehmen: Seit über 20 Jahren prägt der amerikanische Philippine Qbert die Turntable-Szene wie kein zweiter. Ihm ist es zu verdanken, ein technisches Gerät als Instrument betrachten zu dürfen. "All this scratching is making me itch!"

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