laut.de-Kritik
Da hinten steht sie, die olle Midlife-Crisis.
Review von Ingo ScheelÜber acht Jahre sind seit dem letzten Album von Dashboard Confessional vergangen, selbst für träge gewordene Big Player wie Metallica oder U2 wäre das eine verhältnismäßig lange Zeit. Wenig überraschend, dass im Info zu "Crooked Shadows" Begriffe wie "Katharsis", "Verletzlichkeit" und "Komplikation" auftauchen und die Lyrics die existentiellen Themen wie Liebe, Trennung, das Schwinden der Jugend, das Leben an sich, zum Kern haben. "We were the kids that left home, darling, too young", resümiert DC-Kopf Chris Carrabba im Opener, und "I took some beating" zum Einstieg in "Open Your Eyes".
Des Emocores Posterboy kommt in die Jahre. Irgendwo da hinten, an eine Straßenlaterne gelehnt, steht sie, die olle Midlife-Crisis, und lockt mit dem gekrümmten Zeigefinger. Chris Carrabba bekämpft das mit dem ihm zur Verfügung stehenden Arsenal: Gefühle. Gefühle. Und nochmals Gefühle, getunkt in Melodien für Millionen. Hatten Dashboard Confessional in ihren Pioniertagen noch einen erhöhten Kratzbürsten-Anteil, sind hier die Gitarren so cremig verdichtet, dass es wirklich keinem mehr wehtut.
"We Fight" ist pompöse Aufbruchsstimmung, "Catch You" verschmuste Steig-nicht-so-hoch-mein-kleiner-Freund-Seifenoper inklusive Ich-fang-dich-auf-Versicherung, "Heart Beat Here" eine verzuckerte Akustikballade. We, you, us: Diese Pronomen zeigen den Weg an. Rückblick, Reue, Liebe, Verlust: Dashboard Confessional verhandeln die Basics. Entsprechend groß fallen die Melodiebögen aus, dickstimmig die Chöre, die Drums gefühlt immer in Pauken-Modus. Für schnelle Ermüdung sorgt die formelhafte Arrangement-Dramaturgie: leicht gitarriger Einstieg, Breakdown auf den Gesang, zweite Strophenhälfte leichtes Anfetten, und dann hoch mit allem, der Stimme, den Hälsen, der Euphorie oder wahlweise mit dem Drama.
Die Koordinaten erschließen sich schnell: Da sind das chronische Flirren zwischen Aufbruch und Zuhause, die hochgekrempelten Springsteen-Ärmel, das solidarisch anlehnende Wir-Gefühl im Arcade Fire'schen Scheitelpunkt von Neuanfang und der Suche nach Kontinuität. In den härteren Momenten ist das veritabler Mixtape-Stoff, auf Länge jedoch über-softer Emo-Pop mit "The Voice of Germany"-Potenzial, dem Max Giesinger und Coldplay letztlich doch näher stehen als The Gaslight Anthem oder Against Me!
Noch keine Kommentare