laut.de-Kritik
Tristesse und Depression im fahlen Mondlicht.
Review von Ulf KubankeDas passt wirklich wunderbar: David Lynch, Meister der filmischen Umnachtung macht ein Dark Ambient-Album als Hommage an die Nacht selbst. Zusammen mit dem polnischen Klassikkomponisten Marek Zebrowski, der bereits zu Lynchs "Inland Empire" Musik verfasste, erschafft der Amerikaner auf "Polish Night Music" einen düsteren Kokon auswegloser Tristesse.
Mit den songorientierten Großtaten "Crazy Clown Time" und "The Big Dream" der letzten Jahre hat diese Klanglandschaft nichts gemein. Näher ist die Verwandtschaft dieser mit 75 min Spielzeit gar nicht so kleinen Nachtmusik zu den eigenen Scores aus der Ära seiner Kollabos mit Angelo Badalamenti ("Blue Velvet", "Twin Peaks"). Das liegt auch daran, dass die vorliegende Platte bereits 2006 als recht spontane, weitgehend improvisierte Session beider Künstler entstand. Eine Art Ambient-
Klassik-Jam.
Ein echtes Rerelease ist es dennoch nicht. Zwar gab es schon ein paar kurze Schnippsel im Soundtrack zu "Inland Empire" und auch eine auf wenige Stückzahlen limitierte Ausgabe. Eine echte Veröffentlichung als Gesamtkunstwerk auf Vinyl oder Mp3 stand bislang jedoch aus. Nun ist das unter Lynchfans als Rarität gesuchte Kleinod endlich verfügbar.
Zebrowskis Rolle ist hierbei über weite Strecken federführend. Der Pianoman schlägt seine Tasten als schroffes Nervenzucken an. Dabei nutzt er weder einen Rhythmus noch irgendeine andere musikalische Form. Es wirkt eher wie eine konstante Attacke auf Lynchs wabernde Soundscapes. Beide reagieren oft aufeinander und agieren miteinander. Das atmosphärische Ergebnis zeigt sich dabei zunächst beeindruckend.
So lebt der knapp viertelstündige Opener "Night - City Back Street" vor allem von seiner lebensverneinenden Stimmung. Die Nacht transportiert hier nicht Beruhigendes oder gar Entspannendes. Ihre Klänge spiegeln die deprimierende, dunkle Seite der Zivilisation. Back Streets und Hinterhöfe, in denen verwaiste Einkaufswagen genau so vor sich hinrosten, wie die letzten zerlumpten und desillusionierten Nachtgestalten. Erlösung bleibt bis zum Schluss versagt. Sedierung und Lähmung halten ihren Platz längst besetzt.
Die Orgie der Finsternis und fahlem Mondlicht verfügt zu Anfang über hypnotische Kraft, die den Hörer spielend in ihren Bann zieht. So weit so gut. Doch ab hier stagniert das Konzept. Denn dieser Film Noir hat deutlich Überlänge. Zwar funktioniert jedes der vier langen Stücke für sich genommen sehr gut. Als Gesamtwerk trägt es jedoch nicht durchgehend über die volle zeitliche Distanz.
Das liegt zum einen an ihrer Gleichförmigkeit. Die Aktivität von Zebrowskis Piano-Improvisation sucht zwischendrin hörbar nach Ideen. Diese gibt es zwar ab und an, etwa die Hagel artigen Passagen auf "Night - Interiors". Ansonsten jedoch ähnelt das 27-minütige Instrumental allen drei anderen Tracks bis ins Detail.
Diese zwillingshafte Ähnlichkeit funktioniert im Genre jedoch nur ohne Ermüdungserscheinung und Abnutzungseffekt, sofern Klangbild und Ästhetik über jeden Zweifel erhaben sind. Ausgerechnet der musikalische Autodidakt aus Montana ist hier nicht immer eine Hilfe. Spätestens nach einer halben Stunde wünscht man sich, er hätte einen etwas weniger konventionellen Synthiesound von der Stange genutzt.
Ebenso fällt auf, dass beide ansonsten traditionellen Komponisten in dieser improvisierten Form einen recht kurzen Atem haben. Hätten sie die "Polish Night Music" auf 30-45 min zusammengeschnitten, fiele diese Klanglandschaft wesentlich effektiver aus. Ewiges Maß aller Dinge bleibt in der Rubrik "klassischer Pianist trifft Ambientmagier im Postmillennium" mithin auch weiterhin das brillante Doppelalbum "Translucence/Drift Music" von Harold Budd und John Foxx aus dem Jahr 2003. Deren eigenwilliges Tropfsteinklavier im perfekt zugeschnittenen Klangmantel sei jedem als Ergänzung und Alternative ans Herz gelegt.
3 Kommentare mit 4 Antworten
Seine Bluesversuche fand ich sehr öde. Da ist mir so ein Ambientuniversum des Meisters lieber. Mal ein Ohr riskieren.
Schöne Soundscapes, aber leider auch sehr monoton. Wenn schon soundtrackartig, greife ich lieber auf Philipp Glass zurück.
ich würde dir wirklich mal empfehlen, als alternative zu beiden die im text erwähnte scheibe von budd/foxx zu checken oder budds großartige "the room". bin recht zuversichtlich, dass du dort jene intensität findest, die du suchst.
David Lynch. Hm. Film und Musik. Der Typ soll gut sein. Ich nehme ihn zumeist als anstrengend bis überambitioniert.
'Er war stets bemüht'.
also da hätte ich persönlich lieber crazy clown time reviewed! allein wegen dem stück good day today! das wurde sowas wie meine motivationshymne und schwingt immer in meinem rotationsteller wenns mal nicht so gut läuft
portrait und review sind erst zu "big dream" entstanden. sonst hätte es sicherlich auch ne rezi zu "cct" gegeben.
mittlerweile finde ich beide alben - "cct" und "cd" - auch absolut gleichwertig. und ja: "good day today" ist auch mein liebling von der platte
das hier ist halt mehr special interest.
ja das muss sogar ich zugeben. Als portal für musik im allgemeinen müsst ihr natürlich abstriche machen