laut.de-Kritik
Kendrick, The Roots und Mos Def tragen diese Platte weiter.
Review von Anastasia HartleibWisst ihr eigentlich, wem ihr es zu verdanken habt, dass Hip Hop heute so vielfältig ist? Dass es neben den ganzen (zu recht) wütenden Stimmen auch welche gibt, die mit intelligentem Humor und jeder Menge Spaß an der Sache positive Gedanken verbreiten? Wer dafür verantwortlich ist, dass ihr heute mit Stolz euren Rucksack in das Gesicht der Hater haltet und sagen könnt: "Schau her, auch ich bin Hip Hop?" Nein? Dann schenkt den folgenden Zeilen nun eure volle Aufmerksamkeit.
Schon vor ein paar Jahren schrieb die Juice, an all die Realkeeper gerichtet: "Sie haben euer Feindbild erfunden und die besten Argumente eurer Gegner". Doch De La Soul haben noch viel mehr getan, als nur die Rap-Kultur einmal komplett auf links gedreht. Ihr Vermächtnis tragen Mos Def, The Roots oder Kendrick Lamar weiter und sorgen dafür, dass sich heutige Generationen auch noch an den Ursprungsgedanken unserer Lieblingskultur erinnern. Und ganz nebenbei katapultierten sie Hip Hop damit endgültig auch in die Kinderzimmer der Mittel- und Oberschicht Amerikas.
Dabei unterscheiden sich Kelvin, David und Vincent gar nicht so sehr von anderen Gleichaltrigen: Sie machen einfach das, worauf sie Bock haben, ohne Rücksicht auf Verluste. Warum muss man, um Hip Hop zu leben, schwere Goldketten tragen und fluchen was das Zeug hält? Warum findet Rap nur im Ghetto statt? Fragen, die aus heutiger Sicht komplett absurd erscheinen, denn nerdige Vorstadtjungs, die bunte Klamotten tragen und Rap aus tiefstem Herzen leben, gibt es heute zuhauf. Doch vor März 1989, als De La Soul erstmals mit "3 Feet High And Rising" auf die Bildfläche treten, ist das undenkbar. Neben den grimmig dreinblickenden Typen von Public Enemy und N.W.A. müssen die drei wie ein Witz erschienen sein, als sie mit Lederhalsketten und Peacezeichen auf die Bühne steigen und mit Gänseblümchen um sich werfen.
Posdnuos, Trugoy the Dove und Mase sind alles andere als gefährlich oder besonders maskulin. Anstatt mit düsteren Geschichten einer kaputten Gesellschaft, glänzen sie mit intelligenten Wortspielen und jeder Menge Humor, direkt aus einem beschaulichen Vorort auf Staten Island. Auf ihrem Debüt verwenden sie tatsächlich nur ein einziges Mal das Wort "Fuck". All diese Umstände sorgen dafür, dass die Szene sie als "Hippie-Rapper" beschimpft und das Bildungsbürgertum sie gleichzeitig für ihre geistreiche Unterhaltung feiert.
So oder so machen De La Soul klar: Mit ihrem Erscheinen erfolgt ein "change in speak". "Those involved with Peace who know the Soul's down / can see that the Soul has got a new sound". Über 23 Titel (und eine "Original Version") hinweg unterhalten sie mit feinsinnigem Humor und eloquenten Wortspielen. In jedem einzelnen Stück finden sich unzählige Verweise, nicht nur auf eigene Witze, sondern auf die gesamte Populärkultur der 80er Jahre. Mit "3 Feet High And Rising" erfinden Pos und Dove nicht nur die Erzählweise eines gesamten Genres neu, sondern bringen zusammen mit DJ Mase auch Skits mit auf den Plan zukünftiger Hip Hop-Alben: Einspieler, meist nicht länger als zwei Minuten, die die einzelnen Songs verbinden und aus wirrem Samplefeuerwerk bestehen. Hin und wieder meldet sich der Moderator einer erfundenen Gameshow zu Wort, der die drei Protagonisten auf ihr nicht vorhandenes Wissen testet.
Den funkigen Sound ihres geschichtsträchtigen Albums verdanken De La Prince Paul, einem Typen, der normalerweise bei Stetsasonic mitmischt. Die Zusammenarbeit mit den Blumenkindern aus Amityville fungiert für ihn wie eine Art Ventil seiner eigenen Vorstellungen. Paul samplet sich einmal quer durch die Musikgeschichte, mischt Led Zeppelin mit James Brown und Johnny Cash, Soul-Sängerin Lyn Collins mit der Steve Miller Band und lässt seine Kumpels ausgelassen zu Barry White stöhnen. Doch das eigentliche Herzstück von "3 Feet High And Rising" bilden die unfassbar smarten Reimsalven von Pos und Dove.
"Difficult preaching is Posdnous pleasure / Pleasue and preaching starts in the heart / something that stimulates music is my measure / measure in my music, raised in three parts". Was schon in "The Magic Number" beginnt, findet seinen Höhepunkt in "This Is A Recording 4 Living In A Fulltime Era (L.I.F.E.)". Jede zweite Verszeile bezieht sich auf die vorhergehende und dreht die Reihenfolge und somit Bedeutung der Wörter um: "Puttin' in spin the rhyme rappers fear so / fear so much what Pos is puttin' / Couldn't do better, the punks they don't try hard / try hard enough, they don't, so they couldn't". Mit unfassbarer lyrischer Finesse erzählen De La humorvolle Geschichten von Jenny und "Jimmy", schwimmen gegen den Strom ("Tread Water") und haben Löcher im Garten, weil andere MCs ihre Ideen klauen ("Potholes In My Lawn"). Sie erklären das "Ghetto Thang" auf eine andere Art und Weise als ihre Kollegen, kreieren mit "Say No Go" einen Anti-Drogen Song und bitten dich in "Take It Off", doch einfach mal du selbst zu sein.
All das geschieht ohne den allseits bekannten Zeigefinger und klingt selbst heute noch nach einer wohltuenden Alternative zum sonst so gewalttätigen Verbalaustausch der Rapper diesseits und jenseits des großen Teiches. Gemeinsam mit den Jungle Brothers und A Tribe Called Quest gründeten Dove, Pos und Mase die Native Tongue-Bewegung, die auch die heutige Hip Hop-Kultur noch nachhaltig mit ihrer friedlichen Idee eines respektvollen Miteinanders beeinflusst. Auch wenn sich der Sound von De La Soul schon mit dem Nachfolger "De La Soul Is Dead" merklich drehte, so prägte der Tonus von "3 Feet High And Rising" nicht nur eine ganze Generation, sondern mit ihr auch die gesamte Hip Hop-Kultur.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
9 Kommentare mit 2 Antworten
Danke für diesen Meilenstein.
Sehr sehr cooles Trio. Me, myself and I ist mein Lieblingstrack auf dieser Platte.
Eines meiner liebsten Rap Alben, der Nachfolger geht auch noch ganz gut rein. In die letzte habe ich noch nicht reingehört, wird wohl mal Zeit.
Zu recht. Macht immer noch Laune, aber diese Skits habe ich nie verstanden.
niemand, der bei trost ist, hat das verstanden.
HipHop
Best Hip Hop Album EVER!