laut.de-Kritik
Ein Konzeptalbum ohne Konzept.
Review von Franz MauererDeine, meine, eure Lakaien - Alexander Veljanov und Ernst Horn sind für uns alle da. Und das schon seit 1985. Ganz im Sinne ihrer servilen Namensgebung beglücken uns die beiden Ex-Münchner mit "Dual+". Kurz zur Erinnerung: "Dual" erschien dieses Frühjahr und hatte, der Name sagt es, das Ziel, Coverversionen von Liedern anderer Künstler eigene, auf eben diese Cover abgestimmte, Kompositionen gegenüberzustellen. Vielleicht nicht das intuitivste Konzept, aber etwas Mühe hat ja noch nie geschadet. "Dual+" - der Name gibt es schon wieder preis - ist die Resterampe von "Dual". Also einfach eigene Songs, Coverversionen und anscheinend auch Songs, die von den Coverversionen beeinflusst sind, aber ohne klaren Bezugsrahmen zueinander. In München sagt man Misch-Masch (auch zum Spezi), das trifft es dann wohl ganz gut.
So finden sich auf "Dual+" also für den engen, beziehungsweise durch das lange Bestehen, recht genau definierten Bezugsrahmen von Deine Lakaien zwischen Goth, Wave, Pop, Klassik und Avantgarde durchaus recht unterschiedliche Stücke, aber ohne die großen experimentellen Ausbrüche. Deine Lakaien waren und sind zuvorderst an einer Live-Umsetzung ihrer Stücke interessiert. Dieser Willen ist der einzige rote Faden durch das Schaffen von Horn und Veljanov, er charakterisiert selbst Horns Zweitbands wie Helium Vola sehr deutlich.
Das ist ein Problem für "Dual+". Denn wo andere Platten der beiden tief in die elektronische Avantgarde eintauchen, um das sonst doch recht schwülstige Konzept auszugleichen, sucht "Dual+" den Weg in den Pop, um sich den Coverversionen anzunähern. Veljanovs Stimme gewinnt live eine Theatralik und Dramatik, die ausgesprochen bereichernd ist, als Wave- oder Pop-Sänger ist er aber mit Vorsicht zu genießen. Auf den elektronischeren Alben der beiden entsteht dadurch eine interessante Dissonanz zwischen den beiden Künstlern. Auf dem eher konventionellen und mit vielen Pappstreichern ausgekleideten "Dual+" fehlt dieser Effekt leider zumeist. Viele Stücke hören sich an, als seien sie nicht organisch in das Korsett des Bandkonzepts gezwängt worden und könnten von einer offeneren Bearbeitung deutlich profitieren.
So gerät die Virtuosität von "Mr. DNA", einem Devo-Cover, eher anstrengend. Repetition und Generve gehören zu Devo wie Honig zur Biene, aber wettgemacht durch eine Zackigkeit, die dem Cover fehlt, das sich arg nach verkopfter Schülerband anhört. "Nightfall" stellt eine Ergänzung zum Pink Floyd-Cover "Set The Controls For The Heart Of The Sun" dar. Beide zünden nicht so reicht. "Nightfall" überzeugt mit seinem Melodiegefühl, gerät aber viel zu vorhersehbar. Dramatik lebt von der Androhung einer Fallhöhe, aber "Nightfall" gerät durch sein Plätschern zur Pose. "Set The Controls For The Heart Of The Sun" zeigt erfolgreich, dass guter Drone viel mehr als Atmo ist, nimmt den eigenen Spannungsbogen in der zweiten Hälfte aber unverständlicherweise wieder zurück.
"Cradle Song" bezieht sich wohl auf Brahms Wiegenlied und ist ein klassischer Filler im Oeuvre der Lakaien. Mehrere Schichten weben sich ineinander, der Song hat Struktur, ist aber zu keinem Zeitpunkt bemerkenswert. Hinzu kommt, wie auf dem gesamten Album, das für die beiden Musiker übliche Schulenglisch: "I will take you to a place safe and warm / To a place that you will call home". Das zweite "Wiegenlied" fällt noch weiter ab, es handelt sich faktisch um ein russisches Schlaflied von Michael Glinka, das in der Version von Deine Lakaien ein russisches Wiegenlied bleibt; das ist dann eher Gebrauchsmusik für Nischenfreunde. Der NDW-Wave "Self-seeker" gibt sich dagegen dynamisch und zwingend, der beste Song des Albums ist ein Popsong für die erlesene 80s-Disco, das gilt auch für das sehr souveräne, Deine Lakaien würdig widerspiegelnde "Fork".
"Dual+" wirft die Frage auf, ob die Musik von Arrangeur Horn und Sänger Veljanov nicht so speziell und auf ein orchestrales Arrangement erweiterbar konstruiert ist, dass Auseinandersetzungen nach außen vielleicht einfach keinen Sinn ergeben, weil die eingegangenen Kompromisse eine Bastardisierung so wahrscheinlich werden lassen. Songs wie das kitschig-versiffte "Altruist" und das weinerlich lamentierende R.E.M-Cover "Losing My Religion" schaffen jedenfalls aus keiner Perspektive Mehrwert.
1 Kommentar
Drehen sich leider schon seit etlichen Jahren künstlerisch im Kreis. Haben aber in den 90er und 2000ern so einige Klassiker geschaffen.