laut.de-Kritik
Die Hamburger beweisen nur selten Konsequenz.
Review von Toni HennigMit der letztjährigen Split-LP "Ich Gehör Nur Mir Allein" mit Isolation Berlin und einer anschließenden gemeinsamen Tournee hat sich die junge Hamburger Band Der Ringer bundesweit in die Herzen der Indie-Hörer gespielt. Zuvor hatte sie schon auf dem Label Euphorie Records zwei Eps veröffentlicht, nun folgt ihr Debütalbum "Soft Kill" auf Staatsakt. Ebenso wie bei den Berliner Senkrechtstartern treffen bei den fünf jungen Musikern Post-Punk-Klänge und existenzialistische Lyrics aufeinander.
Im Gegensatz zu den Label- und Tourkollegen von der Spree führt der Weg die weiteren 40 Minuten in den "Orbit", zugleich der Opener auf dieser Platte. Mit cooler Western-Einleitung an der Gitarre und der mit Autotune verfremdeten Stimme von Jannik Schneider hält der Track die Balance zwischen der Hymnenhaftigkeit von Bloc Party und der NDW-Kühle von Hubert Kah souverän.
In "Apparat" kreisen die melancholischen Synthies dagegen ziellos durch die ferne Galaxis. Der Song über die Computerliebe im Tinder-Zeitalter weist mit seiner simplen Aneinanderreihung Julia-Engelmann-ähnlicher Reime ("Du schaust auf die Tastatur, ich hoffe, dir gefällt meine Frisur") so viel Tiefgründigkeit auf wie ein Posting auf Snapchat.
Der tanzbare und rhythmische Basslauf von David Schachtschneider in "Morton Morbid" erinnert wiederum an die klassische Post-Punk-Schule von Joy Division und Gang Of Four. Auf gewöhnungsbedürftige Autotunemodulationen verzichten Der Ringer hier gänzlich und klingen dadurch irdisch und geerdet. Diese Bodenhaftung hätte man sich die weiteren Nummern gerne erhofft.
Unter seiner dicken Eisschicht bietet "Frost" bis auf ein solides Post-Rock-Finale nur wenig Abwechslung. Introspektive Betrachtungen besitzen im Anschluss "Mikroskop" und "Soma". Das träge Songwriting wirkt allerdings genauso zerfahren wie die zerstreuten Lyrics über Identität und zwischenmenschliche Beziehungen angesichts zunehmender globaler Vernetzung.
Erst das rabiate "Knochenbrecher" bringt endlich den ersehnten Ausbruch. Die Gitarrenrückkoppelungen in Noise-Rock-Manier stellen zu der bisher narkotisierenden Wirkung von "Soft Kill" eine willkommene Abwechslung dar. Die Platte offenbart ihr intensives Potential gerade dann, wenn sie den Hörer mit der eigenen Fehlbarkeit konfrontiert ("Ich bemühe mich, bis der letzte meiner Knochen bricht").
Das mit seinen schwermütig-atmosphärischen Keyboardteppichen überzeugende "Kanada" bäumt sich daraufhin emotional gegen die Gefühlskälte auf, während sich die aufgestaute Frustration in dem ansonsten zu stoischen "Violence" zum Schluss mit verzweifelten Schreien entlädt. "Ohnmacht" tritt am Ende dieses Albums melodisch eher auf der Stelle und setzt sich mit der digitalen Entfremdung auseinander. Der Song entfaltet mit wenigen, aber vorhersehbaren Zeilen ("Ohnmacht, du zwingst mich in die Knie, Ohnmacht, so mächtig warst du nie") auch textlich kaum repetitive Sogwirkung.
Konsequenz und Mut beweisen Der Ringer also nur in seltenen Momenten. Die Hamburger verlieren sich auf "Soft Kill" zu oft in musikalisch-lyrischer Beliebigkeit und Gefälligkeit, um an die starke Konkurrenz auf Staatsakt wie Isolation Berlin, Klez.e und vor allem Friends Of Gas anzuschließen.
1 Kommentar
Wie lange zieht sich denn ein schwarzes Loch? Rezension geht aber ausnahmsweise mal klar. Gehört 2/5.